Wien (pk) - Bei der Wahl der Präsidentin des Nationalrates stellte der scheidende Nationalratspräsident
Andreas Khol, der den Wahlvorgang leitete, folgendes Ergebnis fest: Bei 182 abgegebenen, davon 166 gültigen
Stimmen, vereinigte Präsidentin Barbara Prammer 135 Stimmen auf sich; 31 Stimmen entfielen auf andere Kandidaten.
- Präsident Khol gratulierte der neuen Nationalratspräsidentin, die die Wahl gerne annahm. Wir bringen
die Antrittsrede von Nationalratspräsidentin Barbara Prammer im Wortlaut:
Hoch verehrter Herr Bundespräsident! Meine Damen und Herren! Hohes Haus!
Ich habe die Wahl mit großer Freude und großer Dankbarkeit angenommen. Es ist mir die große Verantwortung
bewusst, die ich mit dieser Funktion übernommen habe. Ich möchte mich bei Ihnen sehr herzlich für
das Vertrauen bedanken, das Sie in mich gesetzt haben und Ihnen eine objektive Präsidentin sein.
Lassen Sie mich zunächst in meinem eigenen Namen und in Ihrem Namen meinem Vorgänger sehr herzlich danken.
Dr. Andreas Khol, er hat es ja gerade erwähnt, war 23 Jahre Mitglied dieses Hauses in den verschiedensten
Funktionen: als Abgeordneter, als Klubobmann, als Dritter Präsident und schließlich - die letzten vier
Jahre - als Präsident des Nationalrates. Sehr geehrter Herr Dr. Khol, ich bedanke mich bei Ihnen für
ihr Bemühen um eine konsensuale Atmosphäre in der Präsidialkonferenz. Ich konnte das zwei Jahre
lang miterleben. Als Präsident war es Ihnen stets wichtig, im Interesse des Parlamentarismus zu gemeinsamen
Lösungen zu kommen. Ich bedanke mich bei Ihnen für die Zusammenarbeit im Nationalfonds und im Entschädigungsfonds.
Sie haben das in Ihrer Abschiedsrede besonders betont. Es war eine Arbeit, die uns beiden ein großes Herzensanliegen
war. Nicht zuletzt bedanke ich mich bei Ihnen für den großen Vertrauensbeweis, den Sie mir gleich zu
Beginn meiner Amtszeit als Zweite Präsidentin des Nationalrates entgegen gebracht haben, nämlich mit
der Übertragung der Aufgabe der Vorbereitungsarbeiten für den Umbau dieses Sitzungssaales.
Wir haben in den letzten Jahren eine ausgezeichnete, konstruktive, lösungsorientierte Arbeitsbasis über
alle weltanschaulichen Grenzen hinweg gefunden - ich danke Ihnen dafür und wünsche Ihnen persönlich
alles Gute.
Ich danke auch dem Dritten Präsidenten des Nationalrates der letzten
Gesetzgebungsperiode, Dr. Thomas Prinzhorn, sehr herzlich für die sachliche Zusammenarbeit. Er kann leider
heute nicht hier sein, aber unser Dank gilt natürlich auch ihm.
Es sind heute viele ehemalige Abgeordnete hier im Haus und es ist mir ein großes Bedürfnis, mich bei
Ihnen allen sehr herzlich für die geleistete Arbeit im Dienste Österreichs zu bedanken. Meine Damen und
Herren Abgeordnete! Ich sehe unter Ihnen viele bekannte Gesichter, aber auch viele neue Abgeordnete. Ihnen allen
wünsche ich viel Erfolg für diese spannende und verantwortungsvolle Arbeit im Dienste der österreichischen
Bevölkerung. Wir alle hier sind Abgeordnete, sind Politikerinnen, sind Politiker, mit unseren festen Weltanschauungen
und Überzeugungen. Dafür setzen wir uns ein, dafür streiten wir, darüber diskutieren wir. Manchmal
sehr engagiert, gerade hier in diesem Sitzungssaal; und weil das so ist, erwarten Sie zu Recht eine objektive,
alle Parteien gleich behandelnde Präsidentin. Das beginnt in der konstruktiven Arbeit in der neuen Präsidiale,
setzt sich fort in der Leitung dieses Hauses und wird schließlich in der objektiven Vorsitzführung während
des Plenums sichtbar. Als Präsidentin ist es mir wichtig, mit allen Parteien, egal ob in Regierungsverantwortung
oder in Opposition, eine gute Arbeitsbasis aufzubauen.
Sehr geehrte Damen und Herren! Schon gegen Ende der letzten Gesetzgebungsperiode gab es Diskussionen über
mögliche Veränderungen und Verbesserungen in der Geschäftsordnung. Es wäre schön, wenn
es uns gelingen könnte, die intensive Arbeit von Ihnen allen sichtbarer zu machen, denn wir alle wissen, die
Arbeit der Abgeordneten besteht aus weit mehr als aus der Anzahl der Reden, die hier im Haus gehalten werden. Die
Bevölkerung muss nachvollziehen können, was die Aufgaben der Abgeordneten sind. Einerseits Beratung und
Beschlussfassung von Gesetzen - je transparenter und je näher bei den BürgerInnen das geschieht, umso
mehr steigt das Vertrauen der Bevölkerung in unsere Arbeit. Andererseits hat der Nationalrat die wichtige
Aufgabe der parlamentarischen Kontrolle über die Vollziehung dieser Gesetze. Wir sind gefordert, die Instrumente
der parlamentarischen Kontrolle im Sinne der Bevölkerung ständig auszubauen und zu verbessern. Wir sollten
auch keine Scheu davor haben - im Sinne einer effektiven Kontrolle - die Minderheitenrechte zu stärken und
als Nationalrat direkt mit den Bürgerinnen und Bürgern in Kontakt zu treten, zum Beispiel über Petitionen,
über Bürgerinitiativen sowie Volksbegehren und auch hierbei ständig über Verbesserungen nachzudenken.
Ich werde daher in Fortsetzung der parlamentarischen Gepflogenheiten alle Fraktionen zu Gesprächen darüber
einladen.
Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Es ist ganz besonders wichtig, das Parlament über die tagespolitischen
Themen hinaus für den gesellschaftspolitischen, wissenschaftlichen und kulturellen Diskurs zu öffnen.
Ich werde daher den erfolgreichen Weg meiner Vorgänger fortsetzen und die Öffnung des Hauses weiterhin
ganz besonders forcieren. Österreich ist ein föderaler Staat und daher ist für mich eine gute Kooperation
mit dem Bundesrat selbstverständlich. Es ist mir ein Anliegen, das heute hier bei meiner Antrittsrede auch
ausdrücklich gesagt zu haben.
Die Bedeutung der internationalen Zusammenarbeit zwischen den Parlamenten hat in den letzten Jahren enorm zugenommen.
Dazu bekenne ich mich aus tiefer Überzeugung. Ich habe die Erfahrung gemacht, wie wichtig es ist, allen Abgeordneten
die Möglichkeit zu geben, mit Abgeordneten anderer Parlamente in Kontakt zu treten. Dafür haben wir das
Instrument der parlamentarischen Freundschaftsgruppen. Um die Arbeit dort zu erleichtern, beabsichtige ich, den
Klubs dafür ein neues Konzept vorzulegen.
Die Europapolitik ist mittlerweile integraler Bestandteil der Arbeit im Nationalrat. Das österreichische Parlament
ist in die Umsetzung des Europäischen Rechts eingebunden, nicht nur durch die Umsetzung von europäischen
Richtlinien, sondern auch durch die rechtzeitige Information über die Vorhaben der Gemeinschaft, um diese
im Vorfeld debattieren zu können. Zur breiteren Information, der ehemalige Präsident hat davon gesprochen,
der Öffentlichkeit sieht die Geschäftsordnung des Nationalrates seit der letzten Gesetzgebungsperiode
eigene Plenarsitzungen zur Erörterung von EU-Themen vor. Ich bin der Überzeugung, und darin sind wir
uns einig, dass wir auch da eine Fortentwicklung brauchen und darüber sehr rasch auch nachdenken müssen,
wie wir das Interesse der Bevölkerung steigern können.
Meine Damen und Herren! Hohes Haus! 1919 wurden zum ersten Mal Frauen in das österreichische Parlament gewählt.
Damals waren es einige wenige, nämlich acht Frauen. Damals gab es auch sehr wenige Frauen in der Parlamentsdirektion.
Heute, 87 Jahre später, gibt es bedeutend mehr weibliche Abgeordnete, und lassen Sie mich hier den Einschub
machen, es wäre gut, wenn wir auch in Zukunft wieder steigende Frauenanteile im Parlament hätten und
nicht sinkende Frauenanteile. Von den 380 Bediensteten des Hauses sind 202 Frauen. Diese positive Entwicklung lässt
die Notwendigkeit erkennen, auf die geänderten Arbeits- und Lebensbedingungen von Abgeordneten wie für
die Bediensteten des Hauses Rücksicht zu nehmen - das werde ich tun.
Sehr geehrte Damen und Herren! Wir stehen am Beginn eines großen Bauvorhabens, nämlich des Umbaus des
Nationalratssitzungssaales. Dieser entspricht nach mehr als 50 Jahren seit seiner Erbauung nicht mehr den Anforderungen
des modernen Sitzungsbetriebs. Dr. Khol hat schon vom Tag der offenen Tür gesprochen. Wir haben es erlebt,
wie gerade auch die Besucherinnen und Besucher, die Bevölkerung, sich ein Bild machen konnte und unsere Überzeugung
teilt, dass in diesem Saal Verbesserungen notwendig sind. Daher wurde bereits in der letzten Gesetzgebungsperiode
in der Präsidiale konsensual mit allen Fraktionen die Entscheidung getroffen, im Rahmen einer Generalsanierung
bessere Arbeitsbedingungen für die Abgeordneten zu erreichen. Wir wollen einerseits moderne Arbeitsbedingungen
für die Abgeordneten schaffen und wir wollen andererseits, und das ist mir ein ganz besonderes Anliegen, für
alle Menschen, für die Abgeordneten genauso wie für die Besucherinnen und Besucher, einen barrierefrei
zugänglichen Sitzungssaal.
Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Hauses! Unsere Arbeit, unser aller Arbeit
wäre ohne die Bediensteten der Parlamentsdirektion nicht machbar. Ich danke diesen vielen engagierten, hochmotivierten
Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für Ihre Arbeit und freue mich schon sehr auf eine gute und konstruktive
Zusammenarbeit. Mein Dank gilt auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der parlamentarischen Klubs und auch
ich möchte ganz besonders die Klubdirektoren erwähnen.
Sehr geehrte Damen und Herren! Unter den Besucherinnen und Besuchern der heutigen konstituierenden Sitzung befinden
sich auch viele Angehörigen von uns Abgeordneten. Ihnen gilt abschließend mein Gruß. Im Namen
von uns allen bedanke ich mich bei Ihnen für Ihr Verständnis und Ihre Unterstützung für unsere
zeitintensive Arbeit.
Sehr geehrte Damen und Herren! Ich wünsche Ihnen und uns allen eine konstruktive und erfolgreiche Zusammenarbeit
im Dienste der österreichischen Bevölkerung. |