Langfristige Auswirkungen einer Energieverteuerung auf den Verkehr  

erstellt am
31. 10. 06

Wien (wifo) - Angesichts steigender Nachfrage und begrenzter Vorräte ist langfristig eine zunehmende Verteuerung von Erdöl zu erwarten. Davon sind insbesondere der Kfz-Verkehr und die Luftfahrt betroffen, deren Kraftstoffverbrauch rund 70% des gesamten Verbrauchs an Mineralölprodukten ausmacht. Bisherig wirkten sich Preisschübe nicht nachhaltig auf die längerfristige Entwicklung der Verkehrsleistungen aus. Obschon der Rohölimportpreis seit 1970 dreimal so stark gestiegen ist wie der Verbraucherpreisindex, sind die nominellen Gütertransportpreise dank der Produktivitätsfortschritte seit Anfang der achtziger Jahre tendenziell rückläufig. Die Leistungen der Verkehrsträger mit dem höchsten spezifischen Energieverbrauch – Luftfahrt, motorisierter Individualverkehr und Straßengüterverkehr – wuchsen wesentlich stärker als der Bahn- und Busverkehr.

Die Kraftstoffverteuerung kann durch eine Senkung des spezifischen Kraftstoffverbrauchs kompensiert werden, etwa durch eine Verbesserung von Fahrzeugtechnik, Verkehrsfluss und Transportraumauslastung. Hier bestehen noch große technisch-organisatorische, bei entsprechender Kraftstoffverteuerung auch ökonomisch nutzbare Reserven.

Eine Vervielfachung der Kraftstoffpreise wird zudem Verlagerungen zu Verkehrsmitteln mit geringerem spezifischen Energieverbrauch, wie Bahn und Bus, auslösen.

Die Verteuerung der Mobilität trifft Fernreisen und den Berufsverkehr besonders. Aufgrund des intensiven Sammel- und Verteilungsverkehrs in der Fläche sind die Branchen "Gewinnung und Verarbeitung von Steinen und Erden", "Erzeugung von Glaswaren und Waren aus Steinen und Erden", "Recycling" und "Erzeugung von Nahrungsmitteln" am stärksten von Lkw-Transporten abhängig. Eine Kraftstoffverteuerung bewirkt hier größere Veränderungen der Produktionsstrukturen und Preissteigerungen.

Ein Anstieg der Transportkosten senkt generell den überregionalen Wettbewerbsdruck. Das Preisniveau in Hochpreisregionen hebt sich stärker von jenem in Niedrigpreisregionen ab. Für effiziente Unternehmen wird es schwieriger, ihre Absatz- und Beschaffungsmärkte auszuweiten. Damit können Economies of Scale in der Produktion weniger genutzt werden. Für eine vertikale Integration der Produktionsprozesse ergeben sich Vorteile. Im gleichen Maße wird die überregionale Arbeitsteilung eingeschränkt. Die Großproduktion von Einzelkomponenten und Spezialprodukten mit ihrer sehr produktspezifischen Forschungs- und Innovationstätigkeit verliert an Wettbewerbskraft. Zulieferungsnetze (Just in Time) werden abgebaut, die Lagerkosten steigen.

Eine Zunahme der Mobilitätskosten erschwert den Zugang zu besser bezahlten Arbeitsplätzen, zu einer größeren Zahl von Geschäften, aber auch zu besser passenden Ausbildungs- und Freizeitinstitutionen sowie zur Gesundheitsbetreuung. Die Optionen für die Wahl des Wohnsitzes werden eingeschränkt. Ein Anstieg der Fahrkosten verteuert nicht nur für Arbeitskräfte aus ländlichen Regionen das Pendeln zum Arbeitsplatz im Zentralraum, er mindert auch den Anreiz für Bewohner der Agglomerationen zum Wohnsitzwechsel in die Landgemeinden, wo die Baugründe billiger sind und die Umwelt gesünder ist. Dadurch wird die Zersiedelung der Landschaft gebremst. Das Siedlungswesen wird sich langfristig den hohen Mobilitätskosten anpassen, hin zu kleinräumigeren Versorgungs- und privaten Aktivitätsstrukturen.

Quelle: WIFO
Autor: Wilfried Puwein
 
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