Nationalratspräsidentin in der ORF-Pressestunde  

erstellt am
13. 11. 06

 Prammer: Es geht nicht um Befindlichkeiten von Politkern, sondern um Verantwortung für Republik
Große Koalition nach wie vor erste Option
Wien (sk) - "Ich will festhalten: Die Hoffnung stirbt zuletzt", sprach sich Nationalratspräsidentin Barbara Prammer am 12.11. in der ORF-Pressestunde für eine Große Koalition aus. Prammer hat die Hoffung, dass es in den nächsten Tagen zu einem Umdenken in der ÖVP kommt, wendet sich aber - angesprochen auf die heutigen Äußerungen des ÖVP-Generalsekretärs - gegen eine weitere Thematisierung der Befindlichkeiten der ÖVP. "Mir ist es lieber, es geht um die Befindlichkeiten der Bevölkerung". Vom Aufrechnen, "wie stark das Gift ist" hält Prammer nichts: "Wir sind ja nicht im Kindergarten, sondern haben Verantwortung für die Republik zu tragen." Bezüglich der Option einer Minderheitsregierung bevorzugt Prammer eine Variante mit unterschiedlichen Mehrheitsbildungen, wodurch der Parlamentarismus gestärkt würde: "Das könnte mir als Nationalratspräsidentin schon gefallen".

Prammer erinnerte daran, dass die SPÖ sich sehr bemüht habe, dass es zu einer großen Koalition kommt und verwies auf das Gespräch zwischen den beiden Parteivorsitzenden letzte Woche. Sie hofft, dass "wir doch noch in kurzer Zeit zu einer Großen Koalition kommen". In der SPÖ gebe es jedenfalls eine Mehrheit für eine Große Koalition, ist Prammer überzeugt. Die Transparenz der Verhandlungen sei im Sinne einer Großen Koalition Neu wesentlich, da man nicht in die Zeit vor 1999 zurück wolle. "Ich halte das für viel fairer und objektiver", so Prammer. Auch gehe es nicht darum, eine Ehe einzugehen: "Wir sind Politiker und haben mehr oder weniger Vertrauen von der Bevölkerung bei den letzten Wahlen erhalten - dem muss man jetzt Rechnung tragen".

Es gehe um die Projekt fürs Land. Viele Projekte der letzten sechs Jahre seien für die SPÖ nicht die richtigen gewesen. Man könne nicht erwarten, dass man in eine Große Koalition geht, um die gleiche Politik der letzten sechs Jahre fortzusetzen. Aber ebenso sei klar, dass es nicht möglich ist, das Wahlprogramm der SPÖ eins zu eins durchzusetzen. Prammer verwies auf durchaus vorhandene Übereinstimmungen, etwa im Bildungsbereich. Bei der Senkung der Klassenschülerhöchstzahlen auf 25 könnte man sich treffen, auch habe die Industriellenvereinigung Vorschläge gemacht, denen man sich anschließen könne.

Vor einer Koalition mit der ÖVP müsste, so Prammer, geklärt werden, "welche großen Projekte es miteinander gibt und wie eine große Koalition Neu aussehen kann". Der SPÖ gehe es jedenfalls um einen Kurswechsel in der Politik. Prammer warnte davor, anstehende Probleme, wie Jugend- und Winterarbeitslosigkeit, auf die lange Bank zu schieben, was eine Konsequenz von Neuwahlen sei: "Österreich soll eine Lösungskompetenz durch eine funktionierende Regierung und einen funktionierenden Nationalrat haben". Auch wünscht sich Prammer, dass die Hälfte der Regierungsmitglieder einer künftigen Regierung Frauen sein sollten.

Minderheitsregierung "im neuen Sinn" mit unterschiedlichen Mehrheitsbildungen
"Wir spekulieren nicht über eine Wahlanfechtung", machte Prammer deutlich und verwies auf die einstimmige Entscheidung der Bundeswahlbehörde gegeben. Da man niemanden in eine Koalition zwingen könne, sei es Aufgabe der SPÖ, über Alternativen nachzudenken. Eine solche wäre eine Minderheitsregierung. "Es könnte und sollte nicht eine Minderheitsregierung im alten Sinn sein, gestützt auf anderen Parteien, sondern im neuen Sinn, mit unterschiedlichen Mehrheitsbildungen", so Prammer. "Das wäre eine unglaubliche Stärkung des Parlamentarismus". Denn bisher wurden Entscheidungen im Ministerrat getroffen und vom Parlament abgesegnet. Bei einer Minderheitsregierung im neuen Sinn würden Vom Ministerrat Vorschläge kommen, die dann im Parlament beraten und verhandelt würden.

"Neuwahlen müssen das allerletzte Mittel sein", stellte Prammer klar. Auch befinde man sich nicht im Staatsnotstand, man habe nur noch nicht alle Möglichkeiten durchgedacht. Eine Konzentrationsregierung hingegen ist für Prammer nicht der richtige Weg, sie plädiert für eine klare Verantwortung in Hand einer Partei. Für eine Wahlrechtsänderung, etwa hin zu einem Mehrheitswahlrecht, sieht Prammer keine Mehrheit. "Wenn es zu keiner großen Koalition kommen sollte, so repräsentiert eine Regierung ohne feste Mehrheiten den Willen der Bevölkerung am besten", legte die Nationalratspräsidentin ihren Standpunkt dar.
Die Nationalratspräsidentin hat großes Vertrauen in Bundespräsident Fischer: "Er hat das letzte Wort und trägt in dieser Situation eine große Last, doch wird er eine Entscheidung treffen, die zurespektieren ist".

Parlamentarische U-Ausschüsse sind nicht Problem, sondern Mittel zur Problemlösung
"Ich halte es für höchst problematisch, wenn eines unserer parlamentarischen Kontrollinstrumente als Gefahr eingeschätzt wird", betonte die Nationalratspräsidentin. "Ich sehe U-Ausschüsse nie als Problem, sondern als Mittel zur Lösung von Problemen". Prammer betonte, dass beim Banken-U-Ausschuss nicht die Banken kontrolliert werden, sondern die Banken-Aufsicht. "Das ist wichtig für den Finanzplatz Österreich, für den Wirtschaftsstandort und auch für die kleinen Sparer". Bezüglich des morgen geplanten Gesprächs zwischen Bundeskanzler Schüssel, Finanzminister Grasser und Repräsentanten der Banken erwartet sich Prammer Transparenz und hofft, dass es nur um eine Klarstellung geht, dass im U-Ausschuss ein Kontrollorgan untersucht werden soll.

 

 Lopatka: SPÖ-Minderheitsregierung für Prammer fix
Nach Vergiftung des Klimas durch Gusenbauer mit dem Ultimatum, leistete Prammer in der ORF-Pressestunde keinen Beitrag zu einer Verbesserung
Wien (övp-pk) - "Die Aussagen von Nationalratspräsidentin und SPÖ-Frauenchefin Barbara Prammer in der ORF-Pressestunde belegen einmal mehr, dass innerhalb der SPÖ die Weichen in Richtung SPÖ-Minderheitsregierung längst gestellt sind. Der Wunsch nach einer großen Koalition nimmt der SPÖ niemand mehr ab", sagte ÖVP-Generalsekretär Reinhold Lopatka.

Die Haltung von Prammer sei wenig verwunderlich: "Bereits beim letzten Aufritt von Prammer in der ORF-Pressestunde machte Prammer keinen Hehl daraus, dass sie keine Lust auf eine große Koalition habe. Leidenschaft lässt Prammer nur dann erkennen, wenn es um das SPÖ-Wunschmodell einer Minderheitsregierung geht. Die Beteuerungen, dass die SPÖ eine große Koalition will, sind schon lange nicht mehr glaubhaft. Nach der Vergiftung des Klimas durch SPÖ-Chef Gusenbauer mit der Setzung eines Ultimatums, leistete die ORF-Pressestunde mit Prammer keinen Beitrag dafür, um zu einer Verbesserung zu kommen", so der ÖVP-Generalsekretär.

 

 Öllinger: Frotzelei der WählerInnen durch ÖVP und SPÖ geht weiter
Wien (grüne) - "Die Frotzelei der WählerInnen durch ÖVP und SPÖ geht weiter. Während die ÖVP ihre Gesprächsverweigerung fortsetzt, bastelt die SPÖ, wie aus den heutigen Aussagen von Nationalratspräsidentin und SP-Vizechefin Barbara Prammer deutlich herauszuhören war, im Hintergrund schon an einer Minderheitsregierung, die nur eine Wackelregierung werden kann", reagiert Karl Öllinger, stv. Klubobmann der Grünen, auf Aussagen Prammers in der ORF-Pressestunde.

Eine Minderheitsregierung, die über den notwendigen Vorbereitungszeitraum für Neuwahlen hinausgeht, ist für die Grünen ausgeschlossen. "Das würde wechselnde Absprachen mit ausländerfeindlichen Parteien wie dem BZÖ und der FPÖ bedeuten, die in ihren Reihen Abgeordnete (Schalle und Zanger) sitzen haben, die positive Seiten am NS-Regime sehen", so Öllinger.

 

Vilimsky: Chance auf atmosphärischen Neubeginn nach Ära Khol intakt!
Vertrauensvorschuß erfordert, dass Prammer damit behutsam und verantwortungsvoll umgeht
Wien (fpd) - Die Chance auf einen atmosphärischen Neubeginn nach einer dunklen Ära des Parlamentarismus unter ÖVP-Nationalratspräsident Andreas Khol scheint mit Barbara Prammer intakt. Dies stellte FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky am 12.11. fest.

Künftig werde es sicher große Bedeutung haben, eine neue Qualität der Gesprächskultur unter sämtlichen Fraktionen zu beginnen. Unter Khol sei diese am Gefrierpunkt angelangt, seine Amtsführung parteipolitisch motiviert gewesen. Mit Prammer bestehe die Chance, dass sie in ihrer Funktion als Nationalratspräsidentin Äquidistanz zu allen Parteien leben werde, so Vilimsky, der auch bekräftigte, daß eine Minderheitsregierung, wie sie von Prammer als Plan B zur Großen Koalition thematisiert wurde, mit Sicherheit keine tragfähige Lösung sei.

Die FPÖ werde diese neue atmosphärische Qualität im Hohen Hause mitentwickeln, allerdings nicht im Sinne einer Einbahnstraße. Prammer erhalte mit ihrem Start als Nationalratspräsidentin von uns einen Vertrauensvorschuß. Wir sind guter Dinge, dass sie damit behutsam und verantwortungsvoll umgeht, so Vilimsky.

 

 Westenthaler: Nächster Auftrag muss Bildung einer stabilen Dreierkoalition lauten
BZÖ-Chef: "Alles daran setzen, um stabile Koalition der Arbeitswilligen und Nichtverweigerer zur ermöglichen."
Wien (bzö) - "Sollte SPÖ-Chef Gusenbauer mit seinem Auftrag zur Bildung einer großen Koalition scheitern, kann der nächste Auftrag nur die Bildung einer stabilen Koalition aus drei Parteien lauten. Wenn jetzt bereits über die Bildung einer Minderheitsregierung diskutiert wird, dann ist das sicher der falsche Weg. Bundespräsident Heinz Fischer ist verpflichtet, bei einem Scheitern Gusenbauers entweder diesen mit der Bildung einer stabilen Dreierkoalition zu beauftragen, oder jemanden anderen einen Regierungsbildungsauftrag zu erteilen", stellte BZÖ-Chef KO Peter Westenthaler fest.

Der Auftrag zur Bildung einer Minderheitsregierung wäre der völlig falsche Schritt und könne erst dann erfolgen, wenn die Bildung einer stabilen Dreierkoalition nicht möglich bzw. der Versuch, jemanden anderen mit der Regierungsbildung zu beauftragen, kein Ergebnis bringen würde. Zuerst müsse alles daran gesetzt werden, eine Koalition der Arbeitswilligen und Nichtverweigerer für die kommenden vier Jahre zustande zu bringen. Dafür sei es notwendig, dass sich auch jene Parteien der Verantwortung für Österreich stellen, die sich bisher destruktiv verhalten und davor verweigert haben. "Nach dem offiziellen Scheitern einer Großen Koalition noch vor dem Beginn, kann es jetzt nur um die Bildung einer Koalition aus drei vernünftigen und arbeitswilligen Parteien gehen", bekräftigte Westenthaler abschließend.
 

Wir übernehmen hier Stellungnahmen aller im Parlament
vertretenen Parteien – sofern vorhanden! Die Redaktion

 
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