Sechs Wochen nach der Wahl ...  

erstellt am
13. 11. 06

… und wir warten darauf, was am Mittwoch passieren wird. Denn der Mittwoch ist jener Tag, an dem SPÖ-Parteivorsitzender Alfred Gusenbauer von Noch-Bundeskanzler und ÖVP-Obmann Wolfgang Schüssel wissen will, ob die ÖVP an den Koalitions-Verhandlungstisch zurückkehren will. Gusenbauer ruft die ÖVP auf, aus dem Schmollwinkel zu kommen und den Wählerwillen zu erfüllen, endlich für das Land zu arbeiten. Die ÖVP sieht das als ungebührliches "Ultimatum", so könne man, heißt es, mit einem Wunschpartner und dem einzigen, der zur Koalitionsmehrheit beitragen kann, nicht umgehen.

Bevor Verhandlungen geführt werden könnten, müßten die beiden Parlamentarischen Untersuchungsausschüsse abgeschlossen sein. Schüssel meinte, man könne bis Ende des Jahres zu Ergebnissen kommen, dann würde man innerhalb kürzester Zeit eine Regierung bilden können. Doch während der laufenden Untersuchungen wären Koalitionsgespräche undenkbar. Schüssel erklärte, man könne nicht am Vormittag als quasi Angeklagter befragt werden und am Nachmittag über mögliche Gemeinsamkeiten verhandeln.

Die SPÖ sieht dies anders. Die Untersuchungsausschüsse, die bisher im Hohen Haus getagt hatten, hätten wesentlich mehr Zeit in Anspruch genommen, als ein paar Wochen, nämlich oft bis zu einem Jahr. Prof. Alexander Van der Bellen, Bundessprecher der Grünen, meinte dazu, es wäre bedenklich, würde die ÖVP die Rechte der Ausschüsse beschneiden und deren Untersuchungsdauer zeitmäßig begrenzen wollen. So sieht dies, in seltener Einigkeit, auch die FPÖ, deren Obmann Heinz-Christian Strache ebenfalls die Arbeit der Ausschüsse in Ruhe verlaufen lassen möchte. Und dazu gehört auch, so Strache, daß vor Ende der Ermittlungen keine Neuwahlen abgehalten werden dürften, weil diese ein sofortiges Ende der Ausschüsse nach sich ziehen würden. Also schlägt er eine Konzentrationsregierung vor, die auf ein Jahr oder eine ähnliche Zeitspanne dafür sorgen sollte, daß sich alle an einen Tisch setzen und gemeinsam Lösungen für dringend anstehende Probleme erarbeiten sollten.

Daraus wird aber - aus heutiger Sicht - ebensowenig etwas werden, wie die nun auch von der SPÖ als möglicher Ausweg ins Treffen gebrachte Minderheitsregierung. Vom Suchen von Mehrheiten im freien parlamentarischen Raum, von einem interessanten Projekt wurde schon gesprochen. Außerdem sei dies nur in Österreich, nicht aber in anderen europäischen Ländern so ungewöhnlich. Die anderen Parteien, ÖPV, FPÖ und BZÖ, scheinen aber an einer Unterstützung eines Bundeskanzlers Alfred Gusenbauer völlig desinteressiert zu sein, die Grünen kündigen sogar an, eine Minderheitsregierung bei der ersten Gelegenheit durch einen Mißtrauensantrag stürzen zu wollen. Wozu sie aber auch die Stimmen von ÖPV, FPÖ und/oder BZÖ bräuchten und damit, siehe oben, jene Untersuchungsausschüsse sofort kippen würden, über deren Einsetzung bei der ersten Plenarsitzung nach der Wahl so große Zufriedenheit herrschte. Sie bestehen auf Neuwahl, sollte die Große Koalition nicht zustandekommen.

Für Koalitionen mit der ÖVP in Verbindung mit FPÖ oder BZÖ stehen die Grünen keinesfalls zur Verfügung, die ÖVP will erst im Jänner verhandeln, FPÖ und BZÖ rufen, mit den Grünen, die beiden Großen zur Ordnung. Gusenbauer wird, so sieht es heute aus, noch diese Woche einen Gesprächstermin bei Bundespräsident Heinz Fischer wahrnehmen, dessen Präferenz eindeutig Richtung Große Koalition geht. Was Fischer mit Gusenbauer klären wird, ob er ihn zur Bildung einer Minderheitsregierung oder gar Wolfgang Schüssel mit der Suche nach einer regierungsfähigen Mehrheit beauftragen wird, weiß derzeit wohl nur das Staatsoberhaupt selbst. Wir werden Ihnen aber über seine Entscheidung spätestens am Montag in einer Woche berichten. (mm)
 
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