Molterer
sieht die Weichen für SPÖ-Minderheitsregierung gestellt
ÖVP-Klubobmann in "Managementclub-Pressestunde"
Wien (övp-pk) - Die Weichen der SPÖ für eine Minderheitsregierung scheinen gestellt.
Ob noch eine große Koalition zustande kommt, hängt davon ab, ob es vom SPÖ-Chef Alfred Gusenbauer
morgen einen neuen substanziellen Vorschlag geben wird. Die Zeichen gehen allerdings eher in eine andere Richtung.
Das sagte ÖVP-Klubobmann Wilhelm Molterer am 09.11. in einer "Managementclub-Pressestunde". Das
sei in einer Demokratie nichts Ungewöhnliches und legitim. Die Meinung, es gebe nur die große Koalition
und alles andere sei Staatsnotstand hält Molterer für falsch.
Aus den Gesprächen und Zuschriften könne man erkennen, dass die derzeitige Situation einen hohen Erklärungsaufwand
bedeute, verwies Molterer nochmals auf die Ereignisse seit den Wahlen. Die ÖVP sei vom Ergebnis überrascht
und auch enttäuscht gewesen. Es habe einige Zeit gedauert, bis klar war, dass sich die ÖVP Verhandlungen
nicht verweigern kann. "Aber: Niemand darf glauben, mit der ÖVP machen zu können was er will. Sie
handelt aus eigener Verantwortung und aus der Verantwortung gegenüber ihren Wählerinnen und Wählern.
Daher haben wir auch klar gestellt, dass eine große Koalition nur Sinn macht, wenn die inhaltliche Perspektive
stimmt. Bis jetzt gab es in kaum einem Bereich eine inhaltliche Übereinstimmung. Wir vermissen eine solide
Grundlage."
Realpolitisch hätten SPÖ, Grüne und FPÖ bereits eine Koalition gebildet, verwies der Klubobmann
auf die Einsetzung der Untersuchungsausschüsse im Parlament: "It just happened - warum dann auch nicht
in der Regierung, wenn beispielsweise Einigkeit gegen die Luftraumüberwachung herrscht"?
Den Untersuchungsausschuss zu den Banken bezeichnete Molterer als "elementaren Sündenfall", "echte
Katastrophe" und "Unsinn". Partner aus der Wirtschaft würden nicht mehr wissen, ob ihre Vereinbarungen
halten würden und müssten sich fragen, ob sie nach Akquisitionstouren in anderen Ländern demnächst
vor einen U-Ausschuss zitiert würden. Die Volkspartei werde aber darauf achten, dass der Wirtschaftsstandort
nicht zu sehr darunter leiden werde. "Wir werden den Schaden minimieren."
"Die SPÖ versucht, die engen Kontakte zur FPÖ auch intensiv zu pflegen." Hinsichtlich einer
grün-blauen Unterstützung einer Minderheitsregierung gebe es bei der SPÖ aber "möglicherweise
eine Fehleinschätzung. Es stellt sich die Frage, ob Gusenbauer hier nicht die Rechnung ohne einen der beiden
Wirte gemacht hat und in der Lage ist, einen allfälligen Regierungsauftrag II ohne dem Wort ‚stabil' zu bilden.
Wie will die FPÖ ihrem Wählerklientel erklären, dass sie mit aller Kraft einen roten Bundeskanzler
will?" Auch die Grünen hätten in diesem Fall einen hohen Erklärungsaufwand.
ÖVP für Oppositionsrolle gerüstet
Sollte das morgige Gespräch zwischen dem Bundeskanzler und dem SPÖ-Chef keine substanzielle Änderung
bringen, wird Gusenbauer den Bundespräsidenten informieren, der dann einen alternativen Regierungsbildungsauftrag
formulieren werde, skizzierte der Klubobmann den möglichen weiteren Verlauf. Gusenbauer mache es dem Bundespräsidenten
aber nicht leicht, seine Rolle wahrnehmen zu können. "Wäre Gusenbauer ein Vollprofi, dann wäre
die Situation nicht so wie sie ist", so Molterer. Angesprochen auf die Rolle des Bundespräsidenten meinte
Molterer, dieser handle "absolut korrekt". Er habe eine schwierige Situation. "Wir vertrauen Heinz
Fischer, weil er ein absoluter Profi in diesen Belangen ist."
Die ÖVP muss sich jedenfalls auf beide Optionen einstellen. Natürlich sei klar, dass der Schritt in die
Opposition kein einfacher sei, aber die ÖVP "ist auf beide Situationen vorbereitet".
Angesprochen auf Risiken einer Neuwahl meinte Molterer, dass diese kein viel anderes Ergebnis bringen könnte.
Allerdings bestehe für die Volkspartei auch die Chance für eine vollständige Mobilisierung. Bei
Neuwahlen würde sich eine völlig andere Konstellation als vor der letzten Wahl ergeben. "Das ist
eine andere Story, und müsste von allen Beteiligten neu überdacht werden. Wir streben Neuwahlen aber
nicht an."
Der Klubobmann ging in seinem Statement nochmals auf den Wahlkampf ein: "Wir haben eine sehr gute Politik
in Österreich gestaltet, aber offensichtlich keinen sehr guten Wahlkampf." Die ÖVP habe unterschätzt,
dass eine andere Form von aggressivem Wahlkampf derart wirke. Und zweitens: "Wir waren uns einfach zu sicher."
In Zukunft müsse man zudem "viel pointierter inhaltliche Eckpunkte ansprechen", verwies Molterer
beispielsweise auf die Themen Sicherheit und Integration. Eine weitere Frage sei, wie man Reformnotwendigkeiten
richtig kommuniziere, beispielsweise die Folgen der demografischen Entwicklung.
Sicherlich sei nach dieser Wahl nicht der Gang zur Normalität angesagt. "Ein Parteiapparat reicht nicht
mehr aus, um Wahlen zu gewinnen." Man brauche zusätzliches Engagement von außen, verwies Klubobmann
auf die hervorragende Arbeit der jungen Freiwilligen in den "Wahlwerkstätten". Josef Pröll
habe zudem die Aufgabe, das neue Denken in der ÖVP auch mit neuen Persönlichkeiten in einigen Bereichen
zu artikulieren. Er werde in allen Bundesländern unterwegs sein. "Diese Durchlüftung tut uns ganz
gut", so Molterer.
Die ÖVP werde jedenfalls nicht den "Klassiker der letzten 30 Jahre" machen und eine Führungsdiskussion
anfangen. Diese sei wohl die geheime Absicht der SPÖ - "um dann mit einer geschwächten ÖVP
Schlitten fahren zu können". Es gebe bei der SPÖ eine offensichtliche Antipathie gegen die Führungscrew
der ÖVP. Diese habe das Ziel, die Führungsmannschaft der ÖVP nach Möglichkeit zu desavouieren
und zu beseitigen, verwies der Klubobmann unter anderem auf diesbezügliche Aussagen von SPÖ-Klubobmann
Josef Cap.
"Die SPÖ wollte, dass wir der bisherigen Linie der ÖVP abschwören. Das werden wir nicht tun,
das kann aber auch niemand von uns verlangen", schloss der Klubobmann. |
Darabos: Molterer und ÖVP wollen Situation des 'Nichts geht mehr' erzwingen
Sollte Große Koalition nicht kommen, ist ÖVP-Verweigerung ausschließlicher
Grund dafür
Wien (sk) - "Es ist die ÖVP, die versucht, eine Situation des 'Nichts geht mehr' zu erzeugen",
erklärte SPÖ-Bundesgeschäftsführer Norbert Darabos am 09.11. gegenüber dem SPÖ-Pressedienst
zu den Aussagen des ÖVP-Klubobmanns Molterer im "Management Club". Die SPÖ sehe weiterhin den
Wählerwillen in einer Großen Koalition, die bei beiderseitigem Willen auch durchaus rasch möglich
wäre. "Es ist die ÖVP, die den Verhandlungstisch verlassen hat und sich nun unter immer neuen Ausreden
den Verhandlungen verweigert. Wenn die Große Koalition nicht kommen sollte, dann ist der Grund dafür
ausschließlich in der Verweigerungshaltung der ÖVP zu suchen", so Darabos, der darauf verwies,
dass die SPÖ seit dem 1. Oktober immer gesprächsbereit war und weiterhin ist.
"Die nun eingesetzten Untersuchungsausschüsse waren ein Wahlversprechen an alle Österreicherinnen
und Österreicher, deren Ziel es ist, für Transparenz und Aufklärung zu sorgen." Seit der gestrigen
Konstituierung der Untersuchungsausschüsse müsse nun auch der ÖVP klar sein, dass die Ausschüsse
sachlich und konstruktiv arbeiten werden. "Offenkundig versucht die ÖVP mit ihrer Verweigerungshaltung,
Neuwahlen zu erzwingen. Diese dürften Molterer lieber sein, als konstruktive, zügige und sachliche Verhandlungen,
um die großen Herausforderungen der kommenden Jahre im Sinne der Wähler und des Landes endlich anzugehen
und zu lösen", so Darabos abschließend. |
Grosz: Parteien sollen kollektive Arbeitsverweigerung aufgeben
BZÖ weist heutige Medienberichte strikt zurück
Wien (bzö) - BZÖ-Generalsekretär Gerald Grosz appellierte im Vorfeld des Gesprächs
Schüssel-Gusenbauer an alle Parteien, ihre kollektive Arbeitsverweigerung aufzugeben. "Im Interesse des
Landes sollten parteipolitische und ideologische Barrieren überwunden werden. Keine demokratisch gewählte
Partei darf sich konstruktiven Gesprächen über die mögliche Bildung einer Bundesregierung verweigern."
In Reaktion auf heutige Medienbereichte stellte Grosz klar, das BZÖ biedere sich weder irgendjemandem an,
um in Regierungsverantwortung zu bleiben, noch "fürchten wir uns vor Neuwahlen": "Im Gegensatz
zu den anderen Parteien verwechseln wir das Parlament nicht mit einer sozialen Hängematte. Jetzt geht es allein
um die Überwindung des sach- und reformpolitischen Stillstandes. Die Österreicher haben ein Recht auf
maximale Anstrengung im Zusammenhang mit der Bildung einer Bundesregierung."
Der BZÖ-Generalsekretär betonte, dass die Forderung von BZÖ-Landeshauptmann Jörg Haider, die
Wahlkampfkostenrückerstattung für die Parteien zu streichen, wenn es zu provozierten und vorgezogenen
Neuwahlen komme, die einzig richtige sei.
Grosz forderte Bundespräsident Fischer auf, sich den Österreicherinnen und Österreichern konkret
zu erklären. Nur von seiner enden wollenden Geduld zu sprechen, sei zu wenig: "Fischer hat SPÖ-Chef
Gusenbauer den Auftrag zur Bildung einer Regierung erteilt und dieser muss auch mit konkreten Auflagen verbunden
sein. Sollte Gusenbauer diese nicht erfüllen können, wird Fischer entsprechend der Verantwortung seines
Amtes tätig werden müssen." |