Plassnik:
"Jetzt klare Handlungsoptionen für die Türkei definieren"
Außenministerin Ursula Plassnik zum den Schlussfolgerungen der Kommission für
den Erweiterungsprozess und zum kommenden EU-Außenministerrat in Brüssel
Wien (bmaa) - "Die Fortschrittsberichte der Kommission machen die unterschiedlichen Strecken
deutlich, welche die einzelnen Beitrittskandidaten auf ihrem jeweiligen Weg nach Europa zurückgelegt haben.
Es war uns immer ein besonderes Anliegen, jedes Land nach seinen eigenen Leistungen zu bewerten", sagte Außenministerin
Ursula Plassnik. "Bereits unter unserem EU-Vorsitz kam es zu einer Entkoppelung der Verhandlungen mit Kroatien
von der Türkei. Es freut mich, dass die nun vorgelegten Berichte neuerlich die Fortschritte Kroatiens sichtbar
machen und diese Linie bestätigen."
In Bezug auf die Türkei mahnte die Außenministerin wie die Kommission erhebliche Anstrengungen im Bereich
der freien Meinungsäußerung, bei den Rechten nichtmuslimischer Religionsgemeinschaften, den Frauenrechten,
den Gewerkschaftsrechten und der zivilen Kontrolle über das Militär sowie in der Zypern-Frage ein. Sie
bedauerte, dass die Kommission aus ihrem kritischen Türkei-Bericht noch keine konkreten Handlungsoptionen
für die EU-Mitgliedstaaten abgeleitet hat, sondern dazu offenbar erst unmittelbar vor dem Europäischen
Rat Mitte Dezember Stellung beziehen will.
"Eine offene politische Debatte muss ab sofort geführt werden. Der umfassende Bericht der Kommission
liegt ja am Tisch. Die EU-Außenminister können und wollen sich sicher nicht über Wochen hinweg
der Diskussion über ein so zentrales Thema enthalten. Wir müssen jetzt für Klarheit sorgen und realistische
Handlungsoptionen für die Türkei definieren. Dass sind wir nicht nur uns selbst, sondern auch unseren
türkischen Partnern schuldig. Ich werde deshalb für den nächsten Außenministerrat am kommenden
Montag auf einer eingehenden Aussprache bestehen", kündigte Plassnik an.
In diesem Zusammenhang unterstützte die Außenministerin die gestern bekräftigte Absicht der Kommission,
die Aufnahmefähigkeit der Europäischen Union in Zukunft präziser zu evaluieren. Damit werde einer
österreichischen Forderung entsprochen. "In ihrem Sonderbericht hat sich die Kommission verpflichtet,
im Lauf von Beitrittsverhandlungen zu den Auswirkungen der Mitgliedschaft auf Schlüsselbereiche der EU-Politik
wie die Personenfreizügigkeit, die Landwirtschaft oder die Verkehrspolitik genaue Analysen vorzulegen. Wir
begrüßen diese Zusage und werden die Rechtzeitigkeit solcher Untersuchungen auch immer wieder einmahnen",
betonte Plassnik. "Es geht nicht darum, neue oder zusätzliche Hürden zu errichten. Wohl aber darum,
den Beitrittsprozess besser vorzubereiten und umsichtiger durchzuführen. Die Bürger verlangen zu Recht
klare Informationen über die Auswirkung auf wichtige und sensible Politikbereiche, wie dem Arbeitsmarkt oder
die finanziellen Folgen. Schließlich zeigt das Beispiel Türkei, dass die Öffentlichkeit besser
einbezogen werden muss. Und das sowohl in der Türkei als auch in der EU." |
Mölzer: EU-Erweiterungsstrategie legt Fortsetzung des Erweiterungswahns fest.
Angebliche Sorge der Kommission um Aufnahmefähigkeit der EU ist Beruhigungspille für
die Bürger
Wien (fpd) - Die Europäische Union werde ihren Erweiterungswahn wohl unvermindert fortsetzen,
sagte der freiheitliche EU-Abgeordnete Andreas Mölzer zur Erweiterungsstrategie der EU-Kommission. Denn Brüssel
habe es wieder einmal verabsäumt, die maximale Ausdehnung der EU nach geistig-kulturellen Kriterien verbindlich
festzulegen, was zugleich auch ein Ende des Türkei-Abenteuers bedeutet hätte. Auch zeige die Erweiterungsstrategie
auf eindrucksvolle Weise, wie sehr die EU-Polit-Nomenklatura die Erweiterung als Wert an sich betrachte. "Wenn
die letzte, überhastete Erweiterungsrunde als beträchtlicher Erfolg gepriesen und die damit angeblich
verbundene Belebung der Wirtschaft in den höchsten Tönen gelobt wird, dann kann man davon ausgehen, daß
der Erweiterungszug weiter mit unverminderter Geschwindigkeit in Richtung des sogenannten Westbalkans rasen wird.
Daß sich die angebliche Belebung der Wirtschaft in Ländern wie Österreich oder Deutschland vor
allem durch den Druck auf die jeweiligen Arbeitsmärkte bemerkbar macht, scheint der Kommission nicht bekannt
zu sein", betonte Mölzer.
Weil Brüssel der Erweiterung nur Positives abgewinnen könne, sei auch zu befürchten, daß das
nunmehrige Versprechen, in Zukunft verstärkt auf die Einhaltung der Beitrittskriterien durch die Kandidatenländer
und auf die Aufnahmefähigkeit der EU achten zu wollen, nicht mehr als eine Beruhigungspille für die zu
Recht besorgten Bürger sei, erklärte der freiheitliche EU-Mandatar. Im Hinblick auf den sogenannten Westbalkan
sagte Mölzer, daß es sich bei diesen Ländern um europäische handle. Während das mitteleuropäisch
geprägte Kroatien, das bereits heute beitrittsreif sei, so rasch wie möglich in die EU aufgenommen werden
sollte, müsse bei den übrigen erst die Zukunft weisen, wann diese EU-reif sein werden. Serbien beispielsweise
sei zweifelsfrei ein europäisches Land, aber wegen seiner vielfältigen Probleme sei es noch zu früh,
um bereits jetzt über einen EU-Beitritt zu sprechen, stellte der freiheitliche Europaparlamentarier fest.
Als besonders bedenklich bezeichnete Mölzer die offenkundige Tendenz, die Frage der Erweiterung mit jener
der EU-Verfassung zu verknüpfen. "Wenn die Kommission in dem Papier von der Notwendigkeit institutioneller
Reformen spricht, dann sollen die Gegner der EU-Verfassung unter Druck gesetzt werden. Natürlich ist die EU
mit bald 27 Mitgliedern an der Grenze ihrer Funktionsfähigkeit angelangt. Aber um einen aufblähungsbedingten
Stillstand zu vermeiden, braucht man nicht den zentralistischen Verfassungsvertrag, den die Bürger ablehnen,
sondern einen europäischen Grundlagenvertrag, der auch die Möglichkeit zur Schaffung eines Kerneuropas
vorsehen sollte", meinte Mölzer abschließend. |