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Fortschrittsbericht der EU-Kommission zur Türkei |
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erstellt am
09. 11. 06
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Kommission schlägt neuen Erweiterungskonsens vor
Brüssel (ec.europa) - Am 08.11. verabschiedete die Kommission eine neue Erweiterungsstrategie
der EU, die auch einen Sonderbericht über die Integrationsfähigkeit der EU umfasst. Darin gelangt die
Kommission zu dem Schluss, dass die Union in der Lage sein muss, ihre eigene Entwicklung fortzusetzen und zu vertiefen
und gleichzeitig ihre Entwicklungsagenda weiter zu verfolgen. Diese Strategie bildet in Verbindung mit einem Konzept
zur Gewährleistung der Fähigkeit der EU zur Integration neuer Mitglieder die Grundlage für einen
neuen Erweiterungskonsens. Die Kommission überprüfte zudem die Fortschritte der einzelnen Kandidaten-
und potentiellen Kandidatenländer . Was die Türkei anbetrifft, so kam sie zu dem Schluss, dass das Land
zwar seine politischen Reformen fortgesetzt, das Reformtempo sich aber in den vergangenen zwölf Monaten verlangsamt
hat. Hinsichtlich der Verpflichtung der Türkei zur vollständigen Umsetzung des Protokolls von Ankara
wird die Kommission noch vor der Tagung des Europäischen Rates im Dezember entsprechende Empfehlungen vorlegen,
sollte die Türkei ihren Verpflichtungen nicht nachkommen.
"Europa braucht eine stabile, demokratische und zunehmend wohlhabende Türkei, die mit ihren Nachbarn
in Frieden lebt und konsequent auf dem Weg der Modernisierung und der Übernahme europäischer Werte voranschreitet.
Dies ist der Grund, weshalb die EU Beitrittsverhandlungen mit der Türkei aufnahm. Voraussetzung für den
Erfolg dieses Prozesses ist allerdings, dass die Türkei mit Entschlossenheit ihre Reformen fortsetzt und nach
wie vor ihren Verpflichtungen nachkommt. Wir haben heute beschlossen, den diplomatischen Bemühungen um eine
Lösung eine Chance zu geben. Die Türkei muss ihre Verpflichtungen in Bezug auf die Umsetzung des Protokolls
von Ankara erfüllen. Tut sie das nicht in vollem Umfang, wird dies Auswirkungen auf den allgemeinen Fortschritt
der Verhandlungen haben. Kommt die Türkei ihren Verpflichtungen nicht nach, so wird die Kommission im Vorfeld
der Tagung des Europäischen Rates im Dezember entsprechende Empfehlungen vorlegen", erklärte Kommissionspräsident
José Manuel Barroso nach der Sitzung der Kommission.
Vor allem in Bezug auf die Meinungsfreiheit muss die Türkei noch erhebliche Anstrengungen unternehmen.
Auch im Hinblick auf die Rechte der nicht muslimischen Religionsgemeinschaften, die Rechte der Frauen, die Rechte
der Gewerkschaften und die zivile Kontrolle der Streitkräfte sind weitere Verbesserungen erforderlich.
Die Integrationsfähigkeit der EU wird von folgenden Faktoren bestimmt: der eigenen Fähigkeit der Union,
die Dynamik der europäischen Integration aufrechtzuerhalten; der Fähigkeit der Kandidatenländer,
die strengen Beitrittsbedingungen zu erfüllen; und von einer besseren Kommunikation zum Thema Erweiterung.
Es handelt sich dabei also um eine funktionale Frage.
Zum Beschluss der Kommission erklärte das für die Erweiterung zuständige Kommissionsmitglied
Olli Rehn: "Die Erweiterung bildet das Kernstück der weichen Macht der EU und damit ihrer Fähigkeit,
Frieden, Demokratie und Wohlstand schrittweise in Europa zu verbreiten. Die Erweiterung braucht die breite Unterstützung
der Völker Europas. Aus diesem Grund müssen wir einen neuen Erweiterungskonsens bilden, der darin besteht,
einerseits die strategische Bedeutung der Erweiterung anzuerkennen und andererseits die Funktionsfähigkeit
der EU zu gewährleisten."
Anhand der Lehren aus den bisherigen Erweiterungen schlägt die Kommission konkrete Maßnahmen zur
weiteren Verbesserung des Beitrittsprozesses vor:
- Bewertung der Fähigkeit der EU zur Integration eines bestimmten Landes in allen wichtigen Phasen des Erweiterungsprozesses.
Diese Bewertung wird sich u.a. auf die Auswirkungen des Beitritts auf die Institutionen, den Haushalt und die Politik
- insbesondere die Agrar- und Strukturpolitik - der EU beziehen;
- Berücksichtigung der Ergebnisse des wirtschaftlichen und politischen Dialogs im Rahmen der Beitrittsverhandlungen;
- eine systematischere Verwendung von Benchmarks als Maßstab für die Eröffnung und Schließung
der einzelnen Verhandlungskapitel ;
- Notwendigkeit, Fragen der Justizreform, der Verwaltungskapazität und der Bekämpfung von Korruption
und organisierter Kriminalität in einem frühen Stadium des Beitrittsprozesses anzugehen.
Jede wichtige Entscheidung über den Beitritt eines Landes zur EU erfolgt auf der Grundlage demokratischer
Verfahren. Die Union muss mehr zuhören und mit ihren Bürgern besser kommunizieren. Es ist in erster Linie
Aufgabe der Mitgliedstaaten und die Kandidaten- und potentiellen Kandidatenländer, ihre Entscheidungen zu
erklären und zu verteidigen. Die Kommission wird ihre Bemühungen ergänzen, insbesondere durch die
Bereitstellung benutzerfreundlicher Informationen und durch Förderung eines zivilgesellschaftlichen Dialogs
und direkter Kontakte zwischen den Menschen in den Mitgliedstaaten und den Erweiterungsländern. Um die Erweiterung
den Bürgern näher zu bringen, schlägt die Kommission vor, wichtige Dokumente im Zusammenhang mit
den Beitrittsverhandlungen öffentlich zugänglich zu machen.
Kroatien hat bei den Beitrittsverhandlungen einen guten Anfang gemacht. Das Land hat in vielen Bereichen wesentliche
Schritte zur Anpassung seiner Rechtsvorschriften unternommen. Doch um die Herausforderungen in den wichtigsten
Bereichen wie Justizreform, Korruptionsbekämpfung und Wirtschaftsreform zu meistern, muss Kroatien seine Anstrengungen
weiter verstärken.
Die anderen Länder des westlichen Balkans haben auf der Grundlage des im vergangenen Jahr von der Kommission
vorgelegten Fahrplans weitere Fortschritte erzielt. Zufrieden stellende Ergebnisse eines Landes bei der Umsetzung
seiner Verpflichtungen aus dem Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen sind maßgebend für die EU
bei der Prüfung eines Beitrittsgesuchs.
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Plassnik "Man kann nicht auf der Stelle treten und gleichzeitig vorankommen wollen"
Außenministerin Ursula Plassnik sieht ernüchternden Fortschrittsbericht der
EU-Kommission zur Türkei und begrüßt die Vorlage eines Berichts zur Aufnahmefähigkeit
Wien (bmaa) - Die Europäische Kommission präsentierte 08.11. ihre jährlichen Fortschrittsberichte
für die Länder am Westbalkan und die Türkei. Zudem legte sie erstmals auch einen gesonderten Bericht
zur Aufnahmefähigkeit der EU vor.
Die Außenministerin plädierte dafür, diese umfassenden Berichte als Basis für eine offene
Debatte unter den EU-Mitgliedstaaten zur Erweiterung zu nehmen. "Wir dürfen die politische Debatte nicht
wegschieben, sondern müssen die Dinge offen ansprechen. Wir brauchen eine politische Gesamtbewertung. Gerade
in der jetzigen kritischen Phase der Erweiterung ist Nüchternheit gefragt. Es geht nicht darum, willkürlich
den Retourgang einzulegen, sondern um eine sachliche und realistische Analyse mit Umsicht, Sorgfalt und der erforderlichen
Beharrlichkeit. Auf beiden Seiten: Sowohl bei der Aufnahmefähigkeit der EU als auch bei der Erfüllung
der Beitrittsbedingungen. Das erwarten sich die Bürger", unterstrich Plassnik.
Plassnik zeigte sich zufrieden, dass die Europäische Kommission allen Ländern des Westlichen Balkan Fortschritte
auf ihrem Weg hin zur Verwirklichung der Europäischen Perspektive attestieren konnte: "Es war eines der
Ziele unseres EU-Vorsitzes, dass hier Kurs gehalten werden kann. Das ist im Interesse Österreichs wie auch
der Balkanstaaten und der langfristigen Stabilisierung von Südosteuropa. Wir wollen zu einer europaorientierten
Entwicklung für die Gesellschaften und Wirtschaften unserer Nachbarn am Balkan beitragen. Das bringt Österreich
mehr Sicherheit, mehr Arbeitsplätze und mehr Wachstum."
Die Außenministerin begrüßte nachdrücklich, dass die Kommission auch einen Bericht zur Aufnahmefähigkeit
der EU vorgelegt hat: "Durch dieses Dokument zieht sich ein rot-weiß-roter Faden. Schließlich
waren wir es, die vor einem Jahr die Aufnahmefähigkeit der EU als Bedingung für die Mitgliedschaft der
Türkei festgemacht haben und während unseres Vorsitzes der Kommission den Auftrag zu diesem Bericht gegeben
haben. Damit wird ein von Österreich hartnäckig eingebrachter Leitgedanke fest in der Erweiterungsdebatte
verankert." Dieser Bericht sei ein erster Erfolg. Er dürfe aber keine Eintagsfliege bleiben, sondern
müsse konkrete operationelle Folgen im Erweiterungsprozess haben. Es sei daher entscheidend, dass die Kommission
in ihrem Bericht eine Art "Folgekosten-Rechnung" für neuralgische Bereiche in den laufenden Verhandlungen
ankündigt. "Dass es hier bei der Türkei um ganz andere Dimensionen als bei Kroatien geht, liegt
auf der Hand."
In Bezug auf die Türkei sprach die Außenministerin in einer ersten Reaktion von einer "ernüchternden
Einschätzung des Reformstandes". "Nach einem Jahr, in dem nicht zuletzt auch dank der Bemühungen
unserer Vorsitzführung der Verhandlungsprozess in Gang gekommen ist, sind wir nun de facto im Stillstand gelandet
- sowohl bei den politischen Reformen als auch bei der Normalisierung des Verhältnisses zu Zypern. Und in
der Türkei fehlt eine positive Dynamik“, so die Außenministerin, die fortfuhr: "Es ist enttäuschend,
dass wir in so wichtigen Bereichen wie Meinungsfreiheit, Religionsfreiheit und Folterbekämpfung im Grunde
dort stehen, wo wir auch schon vor einem Jahr waren. Bewegung muss hier von der Türkei kommen, nicht von der
EU."
Zur Zypernproblematik merkte Plassnik an: "Null Bewegung seitens der Türkei kann auch zu null Bewegung
in den Beitrittsverhandlungen führen". Die EU habe im September 2005 ausdrücklich festgehalten,
dass mangelnde Umsetzung der Verpflichtungen der Türkei gegenüber allen Mitgliedstaaten Auswirkungen
auf den Verhandlungsprozess als Ganzen haben werde. Man werde jetzt innerhalb der EU beraten, was dieser Fortschrittsbericht
für die Verhandlungen mit der Türkei bedeute.
"Seit vielen Monaten hat es Warnrufe und Blinksignale gegeben. Verhandlungen sind offenbar kein taugliches
Mittel, um den Reformeifer in der Türkei zu erhöhen. Man kann nicht gleichzeitig auf der Stelle treten
und vorankommen wollen", so Plassnik, die zugleich betonte: "Niemand will die enge Partnerschaft mit
der Türkei in Frage stellen oder den Stopp des türkischen Reformweges. Ein gezieltes und zugleich behutsames
Heranführen der Türkei und ihrer Bevölkerung an europäische Werte und Standards ist im Interesse
aller EU-Mitgliedstaaten. Wir müssen uns aber realistische Ziele setzen und dürfen uns nicht gegenseitig
überfordern. Dabei darf es keine Denkverbote geben. Auch Alternativen zum Vollbeitritt, wie sie von Österreich
von Anfang gefordert wurden, sollten ehrlicherweise in die Debatte miteinbezogen werden." |
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Swoboda: Verhandlungen der EU mit Kroatien von denen mit der Türkei entkoppeln
Kroatien macht Fortschritte, dennoch gibt es noch einiges zu tun
Wien (sk) - Der Fortschrittsbericht zu Kroatien der EU-Kommission zeigt klare Fortschritte des Landes
auf dem Weg zur EU-Mitgliedschaft auf. Daher soll es in diesem Sinne zu einer Entkoppelung der Verhandlungen zwischen
diesem Land und der Türkei kommen, denn beide Länder marschieren offensichtlich nicht im Gleichschritt
voran", so der SPÖ-Europaabgeordnete Hannes Swoboda.
"Doch auch in Kroatien gibt es noch viel zu tun, das zeigt der Bericht deutlich", so Swoboda in seiner
Funktion als Berichterstatter des Europäischen Parlaments zu Kroatien. "Reformen in der Verwaltung sind
ebenso nötig, wie Strukturreformen im Bereich der Industrie, gerade im Schiffsbau."
"Im kommenden Frühjahr werde ich im Europäischen Parlament meinen Bericht dazu vorlegen, der all
diese Punkte enthalten wird", so Swoboda abschließend. |
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Lunacek: EU-Fortschrittsbericht zur Türkei noch kein Grund für einen ‚privilegierten’
Rausschmiss des Kandidatenlandes
Wien (grüne) - "Der Fortschrittsbericht der EU zu den Beitrittsverhandlungen mit der Türkei
zeigt ein lahmendes Reforminteresse der türkischen Regierung angesichts des kommenden Wahljahres", bedauert
Ulrike Lunacek, außenpolitische Sprecherin der Grünen. "Insbesondere der Paragraph 301 über
die Verunglimpfung des Türkentums muss so bald wie möglich der Vergangenheit angehören. Auch muss
sich die Lage der Frauen sowie der ethnischen und religiösen Minderheiten deutlicher als bisher verbessern",
fordert Lunacek. In der Zypernfrage müssten wohl beide jahrzehntelangen Streitparteien Konzessionen machen:
"Es kann nicht sein, dass die Türkei ihre Häfen für Güter aus Zypern nicht öffnet.
Es kann aber auch nicht sein, dass Zypern ständig EU-Entscheidungen, die den Handel mit dem türkischen
Norden der Insel ermöglichen, blockiert."
Die Verhandlungen aufgrund des Fortschrittsberichtes abzubrechen, sieht Lunacek derzeit nicht. "Ich halte
die aufgewärmte Forderung von Außenministerin Plassnik und Michael Spindelegger nach einer privilegierten
Partnerschaft für mehr als entbehrlich. Dass es gar keine türkischen Reformen mehr gibt, lässt sich
aus dem Bericht nicht herauslesen. Der Verhandlungsprozess sollte nicht unterbrochen werden, denn auch Österreich
muss ein Interesse an einem fortgesetzten Demokratisierungsprozess in der Türkei haben. Und eine privilegierte
Partnerschaft würde nicht nur von der Türkei als ‚privilegierter’ Rausschmiss aus Europa verstanden werden." |
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Mölzer: Türkenlobby setzt sich voll durch
Abbruch der Beitrittsverhandlungen sowohl im Interesse der EU als auch der Türkei
Wien (fpd) - Trotz der weiterhin bestehenden Defizite in der Türkei dürfte die EU an ihrem
Kurs, das kleinasiatische Land um jeden Preis aufnehmen zu wollen, festhalten, sagte der freiheitliche EU-Abgeordnete
Andreas Mölzer zu dem vorab bekanntgewordenen Entwurf des sogenannten Fortschrittsberichts. „Wenn ein Land,
das Mitglied der sogenannten Wertegemeinschaft der EU werden will, grundlegende Menschenrechte mißachtet,
seine religiösen und ethnischen Minderheiten diskriminiert und sich stur weigert, ein EU-Mitglied anzuerkennen,
dann kann die einzig mögliche Konsequenz aus diesen Zuständen aber nur der Abbruch der Beitrittsverhandlungen
sein“, stellte Mölzer fest.
Aber leider dürfte sich wieder einmal die Türkeilobby auf der ganzen Linie durchgesetzt haben. Anders
sei es nicht zu erklären, daß die Entscheidung über den Fortgang der Beitrittsgespräche auf
den Dezember-Gipfel der Staats- und Regierungschef verschoben werden soll, meinte der freiheitliche EU-Mandatar.
Es sei aber mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit anzunehmen, daß dann, in ein paar Wochen, die
Entscheidung über diese für Europa so wichtige Frage abermals verschoben werden dürfte. „Wenn die
EU-Polit-Nomenklatura nun denkt, mit der Verschiebung dieser Entscheidung auf den St.-Nimmerleinstag eine Krise
vermeiden zu können, dann wird sie sich spätestens dann, wenn die Europäische Union zu Tode aufgebläht
sein wird, in einer Krise ungeahnten Ausmaßes wiederfinden“, merkte Mölzer an.
Mit ihrem halbherzigen Vorgehen wolle offenbar die Kommission die Türkei aus Angst, diese könne von sich
aus die Beitrittsgespräche abbrechen, nicht verärgern. Dabei läge, so Mölzer, ein Verhandlungsabbruch
im Interesse beider Seiten. Schließlich sei die Türkei alles andere als europäisches Land. Und
die Türken wiederum seien ein stolzes und selbstbewußtes Volk mit einer langen Geschichte und würden
sich daher nur ungern dem Brüsseler Zentralismus beugen wollen, betonte der freiheitliche Europaparlamentarier
abschließend. |
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