Stabilitäts- und Reformpolitik im Euroraum konsequent fortsetzen – Multilaterale Kooperationen
stärken
Wien (oenb) - “Der weitere Erfolg der europäischen Wirtschafts- und Währungsunion wird
maßgeblich von einer stabilen Geldpolitik, gesunden öffentlichen Finanzen und verstärkten europaweiten
Anstrengungen im Bereich der Strukturreformen abhängen“, betonte Gouverneur Liebscher im Rahmen der diesjährigen
CSI-Konferenz zu „Coorporation of International Institutions for Related Global Issues“ in Innsbruck. Eine umsichtige
und stabilitätsorientierte Geldpolitik sei der beste Beitrag zu nachhaltigem Wachstum und Beschäftigung
im Euroraum. Geldpolitik könne, so Dr. Liebscher weiter, allerdings ihre Wirkung nur in einem Umfeld entsprechender
makroökonomischer Rahmenbedingungen entfalten. Dazu zählen insbesondere konsolidierte öffentliche
Haushalte sowie eine ambitionierte Struktur- und Wettbewerbspolitik.
Das unabhängige Eurosystem habe in der Vergangenheit nicht nur durch die stabile Geldpolitik, sondern auch
durch die Bemühungen zur Vertiefung der europäischen Finanzmärkte wesentlich zur Stärkung des
Euro als internationale Anlagewährung und somit zur Stabilisierung des internationalen Finanzsystems beigetragen.
Obwohl der US-Dollar unverändert die bedeutendste Reservewährung ist, werden weltweit – insbesondere
in südostasiatischen Ländern – Überlegungen angestellt, den Euro-Portefeuille-Anteil der Währungsreserven
zu erhöhen. Gouverneur Liebscher wies nachdrücklich darauf hin, dass der Euro als Reservewährung
mittel- bis langfristig über ein ähnliches Potenzial wie der US-Dollar verfüge.
Um die Vorteile der Globalisierung für die Konsumenten in Form fallender Transport- und Informationskosten,
niedriger Importpreise sowie einer größeren Produkt- und Dienstleistungsauswahl lukrieren zu können,
sind im Güter- und Dienstleistungsbereich weitere Anstrengungen in Richtung Spezialisierung, Innovation und
Diversifikation zu setzen. Anpassungen im Bereich der Arbeitsmärkte müssen flexibel erfolgen, sodass
das Arbeitskräftepotential möglichst rasch in Wachstumsbereiche der Wirtschaft gelenkt wird.
Investitionen in Bildung, Ausbildungs- und Trainingsprogramme sind von grundlegender Bedeutung, um nicht nur die
langfristige Arbeitslosigkeit in Europa zu senken, sondern auch im globalisierten Wettbewerb entsprechend erfolgreich
bestehen zu können.
Eine verstärkte Wissensorientierung der Wirtschaft und eine unternehmensfreundliche Standortpolitik können
wesentlich dazu beitragen, die Attraktivität Europas gegenüber der USA und einzelnen südostasiatischen
Staaten (z. B. China) im Bereich internationaler Forschungs- und Entwicklungsausgaben zu erhöhen.
Mit Blick auf die multilaterale Ebene betonte Gouverneur Liebscher, dass durch den Prozess zunehmender internationaler
Arbeitsteilung und damit Verflechtung nationaler Volkswirtschaften auch für Entwicklungsländer positive
Produktivitäts- und Wachstumseffekte entstehen. Vor allem Schwellenländer wie China und Indien haben
große Fortschritte hinsichtlich der Erhöhung ihres Handelsanteils am Bruttosozialprodukt erzielt. Durch
die wachsende Interdependenz der einzelnen Volkswirtschaften untereinander entstehen allerdings auch globale UngIeichgewichte,
die sich ohne multilaterale Zusammenarbeit nicht mehr lösen lassen. Gouverneur Liebscher verwies in diesem
Zusammenhang auf das beträchtliche Leistungsbilanzdefizit der USA hin, dem entsprechende Überschüsse
vor allem in Asien, aber auch in Europa gegenüberstehen. Die geordnete Lösung dieses Ungleichgewichtes,
das ein Risiko für nachhaltiges Wachstum in der Weltwirtschaft ist, verlangt ein verstärktes kooperatives
wirtschaftspolitisches Zusammenwirken aller wichtigen Wirtschaftsregionen.
Durch die Vertiefung und Verbreiterung des internationalen Dialogs – sowohl im Rahmen der bilateralen als auch
der neu geschaffenen multilateralen „Surveillance“ auf Ebene des Internationalen Währungsfonds – werden zunehmend
Entwicklungs- und Schwellenländer in die Diskussion um die Stärkung des internationalen Finanzsystems
miteinbezogen. Die regelmäßige Prüfung der Wirtschaftsentwicklung und der Wirtschaftspolitiken
auf nationaler und internationaler Ebene soll wesentlich dazu beitragen, einerseits die globale Krisenresistenz
zu erhöhen, andererseits auch den Ausbau des freien Welthandels weiter vorantreiben. Gouverneur Liebscher
warnte in diesem Zusammenhang deutlich vor protektionistischen Tendenzen im Welthandel und mahnte zur Wiederbelebung
der zuletzt ins Stocken geratenen Verhandlungen der Doha-Entwicklungsagendader WTO-Mitgliedsstaaten. |