"Dienstleistungsrichtlinie" beschlossen  

erstellt am
16. 11. 06

 Berger/Ettl: Vom Monstergesetz zur Ausgewogenheit
Zusatzerklärung der EU-Kommission war Bedingung für Zustimmung
Wien (sk) - Mit der Abstimmung zur Dienstleistungsrichtlinie am 15.11. wird eines der umstrittensten Projekte der letzten Jahre innerhalb der Europäischen Union einem Ende zugeführt. "Einem zufrieden stellendem Ende, das zu einem Großteil auf den Einsatz des Europäischen Parlaments zurückzuführen ist", wie die SPÖ-Europaabgeordneten Maria Berger und Harald Ettl am 15.11 betonten.

"Die problematischen Stellen aus der so genannten Bolkestein-Richtlinie konnten bereits durch die erste Lesung des Europäischen Parlaments geändert werden. Man kann ohne weiteres von einer Hinwendung von einer arbeitnehmerfeindlichen zu einer ausgewogenen Richtlinie sprechen, die auch die Rechte der Arbeitnehmer und den sozialen Schutz ernst nimmt. Immerhin ist es zu deutlichen Einschränkungen im Anwendungsbereich gekommen. Das Arbeits- und Sozialrecht unterliegt zudem dem Zielland", so Ettl.

Noch offene Fragen werden nun in einer Zusatzerklärung der EU-Kommission geregelt. "Diese Zusatzerklärung, die heute auch die volle Unterstützung des Rates bekommen hat, war die Bedingung für die Zustimmung des EU-Parlaments zur Dienstleistungsrichtlinie, da nun mehr Rechtssicherheit geboten ist. Unter anderem beinhaltet die Erklärung, dass soziale Dienstleistungen vom Anwendungsbereich der Richtlinie ausgenommen sind. Ebenso wird festgehalten, dass das nationale Arbeitsrecht und damit auch die kollektivvertraglichen Rechte nicht berührt werden. Dies bleibt auch weiterhin Angelegenheit der Sozialpartner. Weiters stellen die Erläuterungen fest, dass das Strafrecht Angelegenheit der Mitgliedstaaten bleibt und das für alle Arbeitnehmer, die eine Dienstleistung im Hoheitsgebiet erbringen, gilt", erläutert Berger.

"Wenn die Richtlinie nun endgültig in Kraft tritt, liegt es vor allem an den Mitgliedsstaaten, darüber zu wachen, dass Sozialvorschriften und Arbeitnehmerrechte eingehalten werden. Nachdem die Sozialpartner bereits in der Gesetzwerdungsphase eine gewichtige Rolle gespielt haben, sollten sie unbedingt auch in die Umsetzung eingebunden werden. Für die Vollstreckung von Verwaltungsstrafen in anderen EU-Ländern ist allerdings noch ein anderer EU-Beschluss abzuändern", betonte die beiden Europaabgeordneten.

Berger und Ettl sehen für Österreich vor allem positive Aspekte der Richtlinie: "Gerade für die kleinen und mittleren Unternehmen, die etwa in grenznahen Gebieten zu Deutschland oder Italien ihre Dienstleistungen anbieten, bieten sich durch diese Richtlinie viele Möglichkeiten. Man darf nicht nur die Gefahren sehen, sondern muss auch die positiven Seiten im Auge haben."

 

Pirker: Chance für neue Arbeitsplätze in Grenzregionen
Dienstleistungsrichtlinie wird Erfolg, wenn Kontrollmechanismen funktionieren
Strassburg (övp-pd) - Das Europäische Parlament hat heute die Dienstleistungsrichtlinie in zweiter Lesung endgültig verabschiedet. "Das ist eine große Chance für neue Arbeitsplätze in Grenzregionen. Kärnten wird davon besonders profitieren können", so der ÖVP-Europaabgeordnete und Kärntner ÖAAB-Landesobmann, Hubert Pirker, nach der Abstimmung in Strassburg. "Mit dem angenommenen Vorschlag ist ein guter Kompromiss gelungen zwischen der Freiheit zu grenzüberschreitenden Dienstleistungen einerseits, und notwendigen Beschränkungen im Interesse von Arbeitnehmern und kleinen und mittelständischen Unternehmungen andererseits".

Pirker zeigte sich mit dem Ergebnis der Dienstleistungsrichtlinie zufrieden, da auf der einen Seite insbesondere Unternehmen in den Grenzregionen Entwicklungsperspektiven ermöglicht würden, wodurch wieder neue Arbeitsplätze geschaffen werden könnten. Auf der anderen Seite sei es gelungen, etwa für den Bereich der öffentlichen Sicherheit, das Gesundheitswesen oder auch den Umweltschutz Ausnahmen durchzusetzen. "Die Dienstleistungsrichtlinie garantiert den Schutz der Arbeitnehmerrechte, verhindert Lohn- und Sozialdumping und ermöglicht Rechtssicherheit für die Unternehmen", so der ÖAAB- Landeschef weiter.

Pirker appellierte im Plenum des Europäischen Parlaments an die finnische Ratspräsidentschaft, auf die Mitgliedstaaten einzuwirken, geeignete Kontrollmechanismen bereits jetzt vorzubereiten. "Ein voller Erfolg wird die Dienstleistungsrichtlinie vor allem dann sein, wenn die Mitgliedstaaten die Einhaltung der vom EU-Parlament vorgegebenen Bestimmungen auch kontrollieren", so Pirker abschließend.

 

Lichtenberger: Kein Ruhmesblatt für Europäisches Parlament
Wien (grüne) - Die Europäischen Grünen haben am 15.11. im Europaparlament in zweiter Lesung gegen die Dienstleistungsrichtlinie gestimmt. Eva Lichtenberger, Europaabgeordnete der Grünen, erklärt dazu: "Ich bin enttäuscht über die Weigerung der drei großen Fraktionen heute eine ordentliche zweite Lesung zur Dienstleistungs-Richtlinie zu machen. Die heutige Abstimmung sollte nicht als ein Erfolg für das Europäische Parlament fehl interpretiert werden. Die Entscheidung des EU-Parlaments einige der schwer erkämpften Verbesserungen aus der ersten Lesung wieder aufzugeben, wird nun zu größerer Rechtsunsicherheit darüber führen welche Regeln bei der Erbringung von Dienstleistungen wirklich gelten. Besonders die Stellung der sozialen Dienstleistungen bleibt unklar, da das Parlament sie nicht eindeutig von der Richtlinie ausgenommen hat. Da noch immer eine Rahmen-Richtlinie für Dienstleistungen von allgemeinem Interesse fehlt, wird unglücklicherweise die Dienstleistungsrichtlinie als ein horizontales Instrument für die wichtigen öffentlichen Dienstleistungen herangezogen werden und so deren Funktionieren gefährden.

Das Parlament hat leider auch nicht auf einer direkten Bezugnahme auf die Europäische Grundrechtecharta beharrt. Damit erhöhen sich die Zweifel inwieweit diese Richtlinie arbeitsrechtliche und soziale Normen respektiert. Rat und Parlament weigerten sich die notwendigen Klarstellungen vorzunehmen und auch die 'Erklärung' der Kommission ist nicht von großem Nutzen, da sie rechtlich nicht verbindlich ist. Damit bleibt die Interpretation der Gesetze dem Europäischen Gerichtshof überlassen.

Obwohl in dem heute beschossenen Text viele Verbesserungen aus der ersten Lesung erhalten bleiben (vor allem die Streichung des Herkunftslandsprinzips), wird die Dienstleistungsrichtlinie mehr Probleme schaffen als sie löst. Das Europäische Parlament ist vor dem Rat in die Knie gegangen und hat damit auf seine Rolle als Mitgesetzgeber bei einem zentralen Gesetz verzichtet. Niemand sollte sich von der Selbstbeweihräucherung der großen Fraktionen täuschen lassen, die die jetzt beschlossene Richtlinie als einen großen Erfolg feiern. In Wahrheit ist dies heute ein enttäuschender Tag für das das Europäische Parlament und seine Rolle als Ko-Gesetzgeber."

Auch Michaela Sburny, Innovationssprecherin der Grünen, äußerst sich kritisch. "Dieser Kompromiss ist ein Akt politischer Mutlosigkeit. Die Umsetzung dieser Richtlinie wird nicht zur erhofften Belebung des Dienstleistungssektors führen. Sie schafft keine besseren Rahmenbedingungen für mehr Beschäftigung, sondern setzt Sozialstandards unter Druck. Durch ihre noch immer unklare Formulierung kann sich lediglich der EuGH über einen weiteren Bedeutungsgewinn freuen. Was hier passiert ist die Auslagerung politischer Entscheidungen auf die Gerichte", so Sburny.

Die Grünen würden nun ihre Energien darauf konzentrieren, bestehende Probleme bei der Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht so weit als möglich zu minimieren. Für die österreichische Bevölkerung und die heimische Wirtschaft sei eine klare Regulierung der Erbringung von Dienstleistungen entscheiden.

 

 Mitterlehner: Sieg der Modernisierer Europas
EU-Parlament votiert für Stärkung des Dienstleistungsbinnenmarktes
Wien (pwk) - "Die eindeutige Zustimmung der EU-Parlamentarier zur Dienstleistungsrichtlinie ist ein großer Schritt auf dem Weg zu einem modernen europäischen Dienstleistungsmarkt und zu einem dynamischeren, wettbewerbsfähigeren Europa", begrüßte Reinhold Mitterlehner, stellvertretender Generalsekretär der Wirtschaftskammer Österreich, die Bestätigung des im Mai 2006 unter österreichischer Präsidentschaft erzielten Kompromisses zur Dienstleistungsrichtlinie. Die beschlossenen Änderungen seien rein technischer Natur ohne praktische Auswirkungen auf die Dienstleistungserbringer.

"Es ist erfreulich, dass nach fast dreijährigen, teilweise unsachlich geführten Diskussionen das Ziel eines funktionierenden EU-Dienstleistungsmarktes endlich außer Streit steht", betonte Mitterlehner. Der stellvertretende WKÖ-Generalsekretär sieht im nunmehrigen Ergebnis zudem eine Bestätigung der Lobbyingaktivitäten der Wirtschaftskammer: "Auch wenn wir uns in einigen Teilbereichen einen mutigeren Ansatz gewünscht hätten, wurden wesentliche Anliegen der heimischen Wirtschaft durchgesetzt." Dies zeige, dass sich "konstruktive Interessenvertretung gegen undifferenzierte Schwarzmalerei durchsetzen konnte."

"Das Hauptziel der geplanten Richtlinie, den Zukunftssektor Dienstleistungen von unnötigen bürokratischen Barrieren zu befreien, wurde richtigerweise beibehalten", so Mitterlehner. Besonders für ein kleines, exportorientiertes Land wie Österreich sei dies von entscheidender Bedeutung. Gleichzeitig unterstrich Mitterlehner, dass die neue Regelung in einem entscheidenden Bereich noch durch flankierende Maßnahmen ergänzt werden müsse: Die WKÖ-Forderung nach einem EU-weiten Verwaltungsvollstreckungsmechanismus bleibt aufrecht. Nur mit Hilfe eines solchen Instruments kann eine wirksame Sanktionierung von Gesetzesverstößen ausländischer Dienstleistungsanbieter und damit eine fairer Wettbewerb sichergestellt werden.

Als besonders positiv hebt Mitterlehner die vorgesehene Einrichtung von One-Stop-Shops in jedem Land hervor. Dort können die Unternehmer alle notwendigen bürokratischen Formalitäten erledigen. Vor allem Klein- und Mittelbetriebe würden davon profitieren: "Bisher wurden heimische KMU, die im Ausland tätig werden wollten, nicht selten von einem wahren Behördendickicht, Regelungsdschungel und Verfahrenslabyrinth abgeschreckt", so Mitterlehner.

Nun liegt der Ball bei den Mitgliedstaaten: Mitterlehner appelliert an sie, die Dienstleistungsrichtlinie schnellstmöglich auf einem der kommenden Räte endgültig zu verabschieden: "Das derzeit ungenutzte Wachstums- und Beschäftigungspotenzial des Dienstleistungssektors muss so rasch wie möglich realisiert werden." 

 

 Meidlinger: Lässt noch immer Probleme ungelöst
Kommissions-Erklärung positives Signal
Wien (gdg/ögb) - "Ein Kompromiss ist gelungen, jetzt muss soweit möglich noch nachgebessert werden", erklärte der geschäftsführende Vorsitzende der Gewerkschaft der Gemeindebediensteten (GdG), Christian Meidlinger, am 15.11. anlässlich der 2. Lesung der Dienstleistungsrichtlinie im EU-Parlament.

"Wir konnten in den vergangenen Jahren einige Problemfelder entschärfen. Aber ganz zufriedenen stellend ist die jetzt getroffene Entscheidung nicht", erklärte Meidlinger. So sei in Fragen der Daseinsvorsorge, bei Diensten von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse (wie etwa Wasser und Abfalldiensten) eine Chance vertan worden.

Als positives Ergebnis bewertete Meidlinger die Kommissions-Erklärung für den Bereich der sozialen Dienstleistungen und zum Arbeitsrecht, auch wenn eine Änderung im Richtlinientext besser gewesen wäre. "Ich gehe davon aus, dass die Erklärung McCreevy´s sicherstellt, dass das Arbeitsrecht nicht berührt wird und die sozialen Dienste vom Geltungsbereich ausgenommen sind." Ferner stellte er fest, dass die Erklärung der Kommission bindend sei und eine derartige Vorgehensweise bereits einmal angewandt wurde.

Die wichtige Frage der Kontrolle und Sanktionen ist noch immer ungelöst. Eine befriedigende Regelung für aus Nicht-EU-Staaten entsendete Arbeitskräfte wurde ebenfalls noch nicht gefunden. "Die zukünftige Bundesregierung ist nun dazu aufgerufen, in diesen Fragen im Rahmen der nationalen Spielräume so weit als möglich nachzubessern und auf europäischer Ebene die entsprechenden Rahmenbedingungen einzufordern", schloss Meidlinger.
 

Wir übernehmen hier Stellungnahmen aller im Parlament
vertretenen Parteien – sofern vorhanden! Die Redaktion

 
zurück