... und Woche 1 nach der Wiederaufnahme der Koalitionsverhandlungen. Und, obwohl man nach außen hin bemüht
ist, gutes Gesprächsklima zu signalisieren, es sieht nicht nach einer wirklichen Verbesserung der Beziehungen
zwischen Sozialdemokraten und der Volkspartei aus. Zugegeben, der Ton, der zur Zeit in der heimischen Innenpolitik
herrscht, ist um einiges besser, als in den letzten Monaten vor Beginn des Wahlkampfes. Die beiden - möglichen
- Koalitionäre sind nahezu höflich im Umgang miteinander.
Das ändert aber nichts daran, daß weder der eine noch der andere seine Forderungen ohne Abstriche wird
durchsetzen können.
Lassen Sie mich ein Beispiel dafür bringen: Aus dem Versuch heraus, dem anderen ein wenig entgegenzukommen,
macht der Bildungs- und Wissenschaftsspecher der SPÖ, Josef Broukal, einen Vorschlag zum Thema "Studiengebühren"
- es ist ein heißes Eisen und von derselben Brisanz wie etwa die Abfangjäger. Beides, so hatte sie SPÖ
im Wahlkampf versprochen, würde, sollte man die Wahl gewinnen, sozusagen "ohne wenn und aber" abgeschafft
werden. Und beides wird, vor allem von der Parteijugend, auch lautstark eingefordert. Die ÖVP und die Rektoren
der mit den Studiengebühren in die Selbstverwaltung entlassenen Universitäten sehen in deren Einhebung
massive Erfolge und wesentliche Verbesserung im ernsthaften Umgang mit Studienzeit und -ressourcen durch Studierenden.
Nun hat Josef Broukal also versucht, mit einem Vorschlag Annäherung zu bringen: Es sollte, kurz gesagt, ähnlich
wie in den USA, ein Kreditmodell für die Studienkosten überdacht werden - was SP-Landeshauptmann Hans
Niessl umgehend damit "entschärfte", daß er Broukals Aussage als "Privatmeinung"
qualifizierte. Hochschülerschaft und Sozialistische Jugend waren empört: Die Idee, die Studiengebühren
beizubehalten und deren sozial selektive Wirkung durch ein Kreditmodell abzufedern, klinge nach einem Vorschlag
der ÖVP. Warum die SPÖ nun deren Geschäft betreibe, sei für die ÖH unverständlich.
Und: Die SPÖ sei bereit, ihre Grundsätze für eine Regierungsbeteiligung über Bord zu werfen.
Derartige Beispiele lassen sich noch weiter anführen. Wenn zwei Parteien über Jahre hindurch in ihren
Zielen und Anschauungen so diametral auseinanderlagen, wie SPÖ und ÖVP - und das auch von der jeweiligen
Basis großteils emotional mitgetragen wurde - ist das Finden des größten gemeinsamen Vielfachen
nahezu unmöglich. Und der kleinste gemeinsame Nenner, so wie ihn unsere bundesdeutschen Nachbarn mit der Großen
Koalition seit einem Jahr erleben, ist wohl auch nicht der Weisheit letzter Schluß.
Der Wunsch nach einer stabilen Regierung ist verständlich. Es ist fraglich, ob die nicht einmal vier Wochen
bis Weihnachten (und das ist vielfach geäußerter Wunschtermin für eine Regierungsbildung) dafür
ausreichen, daß die Verhandlungsteams von SPÖ und ÖVP zu einer Einigung finden. Nahezu unvorstellbar
scheint aber, daß diese knapp vier Wochen dafür ausreichen, jeweils den immerhin 1,663 Mio. SPÖ-
und den 1,616 Mio. ÖVP-Wählern dann die Notwendigkeit zu rechtfertigen, warum ein Großteil der
gegebenen Wahlversprechen "geopfert" wurde. Wo man doch vor der Wahl mit dem Begriff "Lügner"
nicht eben zimperlich umging. mm |