Acht Wochen nach der Wahl ...  

erstellt am
27. 11. 06

... und Woche 1 nach der Wiederaufnahme der Koalitionsverhandlungen. Und, obwohl man nach außen hin bemüht ist, gutes Gesprächsklima zu signalisieren, es sieht nicht nach einer wirklichen Verbesserung der Beziehungen zwischen Sozialdemokraten und der Volkspartei aus. Zugegeben, der Ton, der zur Zeit in der heimischen Innenpolitik herrscht, ist um einiges besser, als in den letzten Monaten vor Beginn des Wahlkampfes. Die beiden - möglichen - Koalitionäre sind nahezu höflich im Umgang miteinander.

Das ändert aber nichts daran, daß weder der eine noch der andere seine Forderungen ohne Abstriche wird durchsetzen können.

Lassen Sie mich ein Beispiel dafür bringen: Aus dem Versuch heraus, dem anderen ein wenig entgegenzukommen, macht der Bildungs- und Wissenschaftsspecher der SPÖ, Josef Broukal, einen Vorschlag zum Thema "Studiengebühren" - es ist ein heißes Eisen und von derselben Brisanz wie etwa die Abfangjäger. Beides, so hatte sie SPÖ im Wahlkampf versprochen, würde, sollte man die Wahl gewinnen, sozusagen "ohne wenn und aber" abgeschafft werden. Und beides wird, vor allem von der Parteijugend, auch lautstark eingefordert. Die ÖVP und die Rektoren der mit den Studiengebühren in die Selbstverwaltung entlassenen Universitäten sehen in deren Einhebung massive Erfolge und wesentliche Verbesserung im ernsthaften Umgang mit Studienzeit und -ressourcen durch Studierenden.

Nun hat Josef Broukal also versucht, mit einem Vorschlag Annäherung zu bringen: Es sollte, kurz gesagt, ähnlich wie in den USA, ein Kreditmodell für die Studienkosten überdacht werden - was SP-Landeshauptmann Hans Niessl umgehend damit "entschärfte", daß er Broukals Aussage als "Privatmeinung" qualifizierte. Hochschülerschaft und Sozialistische Jugend waren empört: Die Idee, die Studiengebühren beizubehalten und deren sozial selektive Wirkung durch ein Kreditmodell abzufedern, klinge nach einem Vorschlag der ÖVP. Warum die SPÖ nun deren Geschäft betreibe, sei für die ÖH unverständlich. Und: Die SPÖ sei bereit, ihre Grundsätze für eine Regierungsbeteiligung über Bord zu werfen.

Derartige Beispiele lassen sich noch weiter anführen. Wenn zwei Parteien über Jahre hindurch in ihren Zielen und Anschauungen so diametral auseinanderlagen, wie SPÖ und ÖVP - und das auch von der jeweiligen Basis großteils emotional mitgetragen wurde - ist das Finden des größten gemeinsamen Vielfachen nahezu unmöglich. Und der kleinste gemeinsame Nenner, so wie ihn unsere bundesdeutschen Nachbarn mit der Großen Koalition seit einem Jahr erleben, ist wohl auch nicht der Weisheit letzter Schluß.

Der Wunsch nach einer stabilen Regierung ist verständlich. Es ist fraglich, ob die nicht einmal vier Wochen bis Weihnachten (und das ist vielfach geäußerter Wunschtermin für eine Regierungsbildung) dafür ausreichen, daß die Verhandlungsteams von SPÖ und ÖVP zu einer Einigung finden. Nahezu unvorstellbar scheint aber, daß diese knapp vier Wochen dafür ausreichen, jeweils den immerhin 1,663 Mio. SPÖ- und den 1,616 Mio. ÖVP-Wählern dann die Notwendigkeit zu rechtfertigen, warum ein Großteil der gegebenen Wahlversprechen "geopfert" wurde. Wo man doch vor der Wahl mit dem Begriff "Lügner" nicht eben zimperlich umging. mm
 
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