Vorrang für Arbeitsvermittlung – Prinzip des Förderns und Forderns
Wien (wifo) - Die Bewältigung von Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung wird auch in
den nächsten Jahren eine zentrale politische Herausforderung bleiben. Die Arbeitsmarktpolitik gibt in Österreich
sinnvollerweise der Arbeitsvermittlung Vorrang vor anderen Maßnahmen. Vor diesem Hintergrund empfiehlt das
WIFO in der Teilstudie "Aktive Arbeitsmarktpolitik" im Rahmen des Weißbuchs "Mehr Beschäftigung
durch Wachstum auf Basis von Innovation und Qualifikation" die konsequente Umsetzung eines Systems des "Förderns
und Forderns": Einkommensersatzleistungen würden dabei stärker von der Teilnahme an verschiedenen
Aktivitäten während der Arbeitslosigkeit abhängig gemacht als bisher, sagte Hedwig Lutz am Freitag
in einem Pressegespräch.
Seit Ende der neunziger Jahre wurden die Mittel für aktive Arbeitsmarktpolitik in Österreich beträchtlich
ausgeweitet, besonders kräftig zuletzt im Jahr 2006 ("Unternehmen Arbeitsplatz" der Bundesregierung).
Im europäischen Vergleich ist der Budgetanteil aber immer noch gering: Laut Eurostat wurden dafür 2004
in Österreich 0,43% des BIP verwendet, im Durchschnitt der EU 15 0,64%. Zugleich lag der betreffende Wert
in Schweden bei 1,0% des BIP, in den Niederlanden bei 1,12% und in Dänemark bei 1,52%. Als gering ist der
österreichische Wert insbesondere dann anzusehen, wenn der Arbeitsmarktpolitik nicht nur eine kurative Aufgabe
– die Wiedereingliederung von Arbeitslosen –, sondern auch eine präventive Perspektive – die Verhinderung
von Arbeitslosigkeit und von Unterbeschäftigung (bei unfreiwilliger Teilzeitarbeit) – zugesprochen wird. Die
potentielle Zielgruppe beschränkt sich dann nicht auf aktuell Arbeitslose, sondern umfasst auch Beschäftigte
und Betriebe.
Insgesamt verfügt Österreich mittlerweile über ein ausgebautes Instrumentarium für die aktive
Arbeitsmarktpolitik. Unterschiede zu den häufig als beispielhaft angeführten skandinavischen Ländern
bestehen neben der Budgetausstattung auch in der Intensität der Programme, in der Balance zwischen Rechtsansprüchen
und Verpflichtungen sowie in der Abstimmung mit anderen Politikbereichen. Gerade der letzte Punkt scheint für
die Effektivität und Effizienz des Einsatzes der aktiven Arbeitsmarktpolitik im Rahmen einer breit angelegten
Wachstums- und Beschäftigungspolitik entscheidend.
Der Vorteil eines Systems des Förderns und Forderns liegt darin, dass Arbeitsanreize erhalten bleiben, auch
wenn vergleichsweise hohe Transferleistungen bezogen werden. Eine umfassende Aktivierungsstrategie ist dabei die
tragende Säule – umfassend in doppelter Hinsicht: im Hinblick auf das Aktivitätsspektrum und in Bezug
auf die Personen, die erfasst werden:
- Aktivierungsstrategien umfassen intensive Beratungsgespräche, eigenständige Arbeitsplatzsuche und
Bewerbung um offene Stellen, die von den Beraterinnen und Beratern vorgegeben wurden, sowie die aktive Teilnahme
an Schulungs- oder Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen. Die konkrete Ausgestaltung beruht für jede Person auf
einer individuell mit dem Arbeitsmarktservice getroffenen Vereinbarung.
- Grundsätzlich sollten aktivierende Maßnahmen allen offen stehen, die eine Beschäftigung suchen.
Für Transferleistungsbeziehende besteht darüber hinaus die Verpflichtung zur konstruktiven Mitarbeit
an der Umsetzung des vereinbarten Planes.
Diese Strategie setzt allerdings Folgendes voraus:
- Es bedarf wirksamer Kontrollmechanismen, wieweit die Vereinbarungen eingehalten und die entsprechenden Aktivitäten
gesetzt wurden. Von zentraler Bedeutung ist die Qualität der Beratung und Betreuung, die zudem in ausreichendem
Maße gegeben sein muss. Somit müssten die entsprechenden Kapazitäten im Arbeitsmarktservice selbst
oder – bei weiterer Auslagerung von Beratungs- und Betreuungsaktivitäten – in externen Einrichtungen aufgestockt
werden.
- Das Prinzip des Förderns erfordert zudem ein ausreichendes Angebot an passenden, wirksamen und effizienten
Integrationsmaßnahmen. Der Vorschlag, in Anlehnung an das dänische Modell konsequent dem Prinzip des
"Förderns und Forderns" zu folgen, ist vor folgendem Hintergrund zu sehen:
- Die Voraussetzungen für die aktive Arbeitsmarktpolitik sind aus mehreren Gründen in Österreich
relativ günstig: Die Arbeitslosenquote ist nicht so hoch wie in vielen anderen Ländern, wenngleich sie
sich in den letzen Jahren tendenziell an das EU-Niveau angeglichen hat. Auch verfügt der österreichische
Arbeitsmarkt über sehr flexible Segmente mit einem hohen Umschlag an Beschäftigungsverhältnissen.
Zu den Herausforderungen zählen die Integration von Jugendlichen und von Älteren ins Erwerbssystem, der
Umgang mit dem wachsenden Segment instabil Beschäftigter, die Gleichstellung der Geschlechter und die Integration
von Gruppen mit beeinträchtigter Beschäftigungsfähigkeit.
- Von zentraler Bedeutung für die Wirksamkeit von arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen erwiesen sich
der zielgruppenadäquate Einsatz von Maßnahmen sowie die Verwertbarkeit der Maßnahme auf dem Arbeitsmarkt
(aufgrund der vermittelten Inhalte und der Signalwirkung der erworbenen Abschlüsse).
Quelle: WIFO, Autorin: Hedwig Lutz
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