... und es gibt sozusagen drei Aggregatszustände der Koalitionsverhandlungen. Der erste läßt sich
anhand der Erhöhung der Pensionen festmachen:
1. Harmonie
Zwischen SPÖ und ÖVP wurde Einigung gefunden, alle Pensionen bis 1.920 Euro um 1,6 Prozent, also
um die Teuerungsrate, zu erhöhen, daß die überwiegende Mehrheit, nämlich 85 Prozent, der Pensionisten,
eine Erhöhung im Jahr 2007 erhält, die über dem Pensionisten-Preisindex (1,9 Prozent) liegt und
die Mindestpension von 690 Euro auf 726 Euro angehoben wird. Am 29.11. wurde das im Hohen Haus mehrheitlich beschlossen.
2. Dissens
Das Thema "Grundsicherung", also ein monatlicher Betrag, der jedem zur Verfügung stehen sollte,
auch wenn sie oder er selbst keine ausreichenden Voraussetzungen für dessen regulären Bezug geschaffen
hat, beschäftigt - nicht nur die heimische - Sozialpolitik seit langem. Die beiden "Chefverhandler"
in den Koalitionsgesprächen, Salzburgs Soziallandesrat Erwin Buchinger (SP) und Arbeitsminister Martin Bartenstein
(VP) hatten vor wenigen Tagen eine Annäherung verkündet. Die ÖVP, die sich grundlegend gegen "arbeitsloses
Einkommen für jeden" stellt, präsentierte ein Modell, das aus mehreren "Bestandteilen"
etwas ergeben könnte, was den Vorstellungen der SPÖ schon sehr nahekam. Aber eben nur nahekam. Aus gewisser
Freude über einen Fortschritt, der Bekanntgabe dieser deutlichen Annäherung in dieser Frage entstanden
Meldungen in der SP-Riege, die explizit von einer "Einigung" sprachen. So meinte etwa SP-Klubobmann Josef
Cap, es sei erfreulich, daß Buchinger und Bartenstein eine grundsätzliche politische Einigung über
die von der SPÖ geforderte bedarfsorientierte Grundsicherung hätten erzielen können. ÖVP-Generalsekretär
Reinhold Lopatka stellte umgehend fest, die "SPÖ-Idee eines arbeitslosen Grundeinkommens" komme
für die ÖVP ganz sicher nicht in Frage,.sie sei für die ÖVP "vom Tisch". Es gebe
keine Einigung.
3. Offene Auseinandersetzung
Die von der SPÖ, den Grünen und der FPÖ vor kurzem eingesetzten Untersuchungsausschüsse
in Sachen "Eurofighter" und "Banken" vermitteln tagtäglich den Eindruck, Österreich
befände sich in der Schlußphase eines heißen Wahlkampfes. Die Ausschüsse würden parteipolitisch
instrumentalisiert, heißt es da nicht nur bisweilen. Auch wenn die Zeugenlisten in ziemlicher Eintracht erstellt
wurden, führte jede Änderung zu einer ausgiebigen Debatte. Die größte Aufregung ist durch
einen hohen Beamten des Finanzministeriums entstanden. Der habe sich - wie er sagte - in einer rechtsunsicheren
Position zu seinem ihm vorgesetzten Finanzminister Karl-Heinz Grasser, befunden, weshalb er sich per E-Mail an
den Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses gewandt habe. Das hat ihm ein Disziplinarverfahren in seinem Ministerium
eingebracht, was, laut BMF, Weitergabe amtsinternen Schriftverkehrs an Außenstehende bedeute und den Verdacht
einer Dienstpflichtverletzung begründe. SPÖ, Grüne und FPÖ nehmen nun den Sektionschef in Schutz
und attackieren Grasser massiv. Dieser wiederum nahm in einem ORF-Interview zur Causa Stellung und wurde überraschend
heftig in seinen Formulierungen.
Da erscheinen Annäherungen in Teilbereichen wie Innere Sicherheit, Gesundheit, Justiz, Medien usw. dann wieder
ziemlich nebensächlich. Vielmehr beschäftigt die Tatsache, daß der Wunschtermin für den Koalitionspakt,
der 20. Dezember, weiter von der Realität entfernt sein dürfte, als je zuvor. Denn für kommende
Woche sind erst die ersten Zeugenaussagen vor den beiden Untersuchungsausschüssen angesetzt. Und man weiß
nicht, was hier noch an "Sprengstoff" zutage kommt. |