Metzler: "Die Bibel ist wieder im Gespräch"
– Bünker: "Medikament gegen Fundamentalismus"
Wien (epd Ö) - „Einige verteufeln sie, andere atmen befreit auf: Endlich, wir haben sie ersehnt!“
Das erklärte die deutsche Theologin Luise Metzler bei der österreichischen Erstpräsentation der
„Bibel in gerechter Sprache“ am 29.11. im Kardinal-König-Haus in Wien. Metzler, die im Rahmen des Übersetzungsprojekts
für die Spendenwerbung zuständig ist, zeigte sich erfreut: „Die Bibel ist wieder im Gespräch.“
Die Theologin schilderte die Entstehung der Bibelübersetzung und verwies darauf, dass Gerechtigkeit der „rote
Faden“ der Bibel sei. Das bringe auch die Bezeichnung der Übersetzung zum Ausdruck. Die Übersetzung,
so Metzler, „nimmt diesen roten Faden der Bibel auf im Sinn einer Hoffnung, die allerdings nie erreicht werden
kann“. Daraus hätten sich drei Grundsätze für die Übersetzungsarbeit ergeben: geschlechtergerechte
Sprache, Gerechtigkeit im Hinblick auf den christlich-jüdischen Dialog und soziale Gerechtigkeit.
An den heutigen Leserinnen und Lesern orientieren
An die lutherische Tradition, nach der sich eine Bibelübersetzung an den heutigen Leserinnen und Lesern zu
orientieren habe, erinnerte Oberkirchenrat Dr. Michael Bünker von der Evangelischen Kirche A.B. Übersetzen,
so Bünker, sei eine ständige Aufgabe und „ein unerlässliches Medikament gegen die Krankheit des
Fundamentalismus“. Die Schrift dürfe niemals an die Stelle Jesu gesetzt werden. Der Oberkirchenrat erwähnte
auch, dass die Evangelische Kirche in Österreich zu den Sponsoren des Übersetzungsprojektes gehöre.
Auf Anfrage aus dem Publikum kündigte Bünker an: „Die Frage, ob die Bibel in gerechter Sprache im Konzert
der anderen Bibelübersetzungen in die Schulbuchaktion aufgenommen wird, ist ernsthaft zu prüfen.“
Dass es ein Hauptanliegen der Bibel in gerechter Sprache sei, „den Namen Gottes zu heiligen“, betonte die evangelische
Theologin Evi Krobath bei der von der ORF-Journalistin Dr. Ursula Baatz moderierten Präsentation. In der Frage
des Gottesnamens gebe es in den biblischen Texten allerdings eine Ambivalenz zwischen Bilderverbot und männlichen
und weiblichen Gottesbezeichnungen. Krobath: „Damit müssen wir leben.“
Die Übersetzerin Dr. Ursula Rapp hob die Offenheit des Übersetzungsprojekts hervor. In einer ausführlichen
Einleitung der Bibel in gerechter Sprache seien die Übersetzungskriterien präzise dargelegt worden. Rapp
regte an, beim Gebrauch der neuen Übersetzung „gewohnte“ Bibelübersetzungen zum Vergleich heranzuziehen.
Die Übersetzungsarbeit sei nicht abgeschlossen, sie sei vielmehr als weiterer Auftrag zu verstehen.
„Schwierige Passagen“ im Johannesevangelium
Auf die Übersetzungsproblematik bei „schwierigen Passagen“ im Johannesevangelium, die eine antisemitische
Wirkungsgeschichte zur Folge hatten, ging die Wiener Neutestamentlerin Dr. Andrea Taschl-Erber ein. In der Bibel
in gerechter Sprache, so Taschl-Erber, seien solche Stellen „ sensibel“ übersetzt worden. Es werde deutlich,
dass es sich in diesen Texten um eine Debatte zwischen jüdischen Menschen handle. Die Wissenschaftlerin nannte
in diesem Zusammenhang die Stelle Johannes 20,19, wo die Jüngerinnen und Jünger nicht, wie in herkömmlichen
Übersetzungen, allgemein „aus Furcht vor den Juden“ ihre Türen verschließen, sondern aus Furcht
vor der jüdischen Obrigkeit.
Wie Rapp in der anschließenden Debatte im vollbesetzten Saal des Kardinal-König-Hauses berichtete, habe
das Projekt „Bibel in gerechter Sprache“, das sich aus Spenden finanziert, von offiziellen kirchlichen Stellen
kaum Unterstützung erfahren. Lediglich die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau habe eine befristete Projektstelle
bei der Evangelischen Akademie Arnoldhain eingerichtet. Von Seiten der römisch-katholischen Bischöfe
werde das Projekt „praktisch nicht wahrgenommen“. Das sichere jedoch eine gewisse Unabhängigkeit gegenüber
den Interessen kirchlicher Institutionen.
Die österreichische Erstpräsentation der Bibel in gerechter Sprache wurde veranstaltet von der Evangelischen
Akademie Wien, der Evangelischen Frauenarbeit in Österreich, der katholischen Frauenbewegung und vom Kardinal-König-Haus. |