Bürgermeister von Diyarbakir fordert von Österreich Absage der Exportgarantie - "Verbrechen
an kulturellem Erbe und Natur"
Wien (wwf) - Osman Baydemir, der Bürgermeister der türkischen Großstadt Diyarbakir
(1,3 Millionen Einwohner), ist am 07.12. mit einer Delegation nach Wien gekommen, um die österreichische
Bundesregierung und die Öffentlichkeit über die Folgen der bevorstehenden Entscheidung durch Finanzminister
Karl-Heinz Grasser bzw. seinen Nachfolger aufzuklären. "Österreich ist Hauptunterstützer dieses
Projektes und damit auch verantwortlich für die negativen Folgen. Das Ilisu-Projekt ist ein Verbrechen am
kulturellen Erbe der Menschheit und an unserer Natur", warnt Baydemir. "Ich verstehe nicht, wie die österreichische
Bundesregierung ein solches Projekt unterstützen kann, das in Österreich nach geltender Rechtslage niemals
möglich wäre. Wir wollen eine nachhaltige Entwicklung für die gesamte Region und kein Projekt, das
unsere Lebensgrundlagen zerstört", kritisiert Baydemir die bisherige Haltung Österreichs. Bürgermeister
Baydemir wird in seinem Anliegen von fast allen Gemeinden der Region unterstützt und fordert die Verweigerung
der Exporthaftung durch die Republik Österreich.
Ahmet Yaras, Ausgrabungsleiter und Dozent für Archäologie in der Türkei, berichtete auf der heutigen
Pressekonferenz in Wien über die drohende Zerstörung von Hasankeyf, einer der ältesten noch bewohnten
Städte der Welt. "Das kulturelle Erbe in der Region um Hasankeyf kann man mit den Schätzen von Ephesos
vergleichen. Die angebliche Rettung von Hasankeyf durch den Staudamm entspricht nicht der Wirklichkeit. Wir würden
mindestens 30 Jahre brauchen, um dieses Weltkulturerbe freizulegen, das im Stausee für immer versinken soll.
11.000 Jahre Geschichte würden wegen eines Staudammes ausgelöscht werden, der nur 50 bis 70 Jahre in
Betrieb sein soll. Alle Österreicher müssen sich im Klaren sein, dass sie mitverantwortlich wären
für die Zerstörung eine der bedeutendsten archäologischen Stätten der Welt, sollte der Ilisu-Staudamm
gebaut werden", appelliert der Archäologe an die österreichische Bundesregierung.
Der WWF warnt auch vor den ökologischen Folgen des Megaprojekts. Über 400 Kilometer Flüsse, so viel
wie die gesamte österreichische Donau mit der March zusammen, würden auf einen Schlag zerstört.
"Die negativen Auswirkungen auf die Umwelt und die Lebensgrundlagen der Menschen wären enorm. Der gesamte
Wasserhaushalt der Region wäre gefährdet, denn sowohl die Wasserqualität als auch die Wassermenge
des Tigris würden sich stark verändern", so Ulrich Eichelmann, Experte des WWF.
"Die Kontrollbank und das Finanzministerium halten sich bei der Überprüfung des Projekts nicht einmal
an die eigenen Vorgaben und die internationalen Kriterien werden nachweislich verletzt", kritisiert der WWF.
Der Umweltbericht der "Ilisu Environment Group", hinter der nicht Umweltexperten sondern Kraftwerksfirmen
stehen, wurde von einer der renommiertesten technischen Universitäten Europas, der ETH in Zürich, als
"vage, widersprüchlich, unvollständig" und "nicht den internationalen Standards entsprechend"
abqualifiziert. Das Forum Österreichischer Wissenschaftler bezeichnete diesen Bericht sogar als "Gefälligkeitsgutachten".
"Wenn die Republik Österreich das Ilisu-Projekt unterstützt, bedeutet das auch einen Dammbruch für
alle weiteren Exportgeschäfte, bei denen dann ebenfalls soziale und ökologische Bedenken übergangen
werden können", so Eichelmann. "Zusammen mit unseren Partnern werden wir gegen dieses Projekt weiterhin
kämpfen, auch wenn der Finanzminister das Projekt genehmigen sollte", so Eichelmann abschließend.
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