RUB-Studie: Wo welche Erinnerungen gespeichert sind Nachwuchswissenschaftlerpreis an IGSN-Doktoranden
Bochum (universität) - Den kenne ich doch irgendwoher - aber woher bloß? Jeder kennt die
Situation, in der ihm eine Person sehr vertraut vorkommt, er sich aber nicht erinnern kann, aus welchem Zusammenhang.
In anderen Fällen haben wir eine lebendige, detailreiche und bewusste Erinnerung an die Situation, in der
wir jemanden kennen gelernt haben. Grund dafür ist, dass das Gehirn diese verschiedenen Gedächtnisinhalte
unterschiedlich behandelt und speichert. Diesen Prozessen ist Jan Peters, Doktorand der International Graduate
School of Neuroscience an der Ruhr-Universität, auf den Grund gegangen. Seine Folgerung: Auch eine bewusste
Erinnerung ist kein einheitlicher Prozess, sondern besteht aus verschieden gespeicherten Teilinformationen. Für
die Darstellung seiner Ergebnisse bekam er bei der Tagung Neurovisionen 2006 einen Nachwuchsforscherpreis.
Grundlagen des Gedächtnisses
"Es deutet vieles darauf hin, dass den beiden Phänomenen der bewussten, detailreichen Erinnerung
und dem eher vagen Bekanntheitsgefühl unterschiedliche psychologische und neurobiologische Prozesse zugrunde
liegen", erklärt Jan Peters. Unterschiedliche Teile des medialen Temporallappens, einer Hirnstruktur,
die schon seit langem mit Gedächtnisprozessen in Verbindung gebracht wird, scheinen für die bewusste
Erinnerung und das Gefühl der Bekanntheit/Vertrautheit verantwortlich zu sein. Dass eine bewusste Erinnerung
möglicherweise ebenfalls kein einheitlicher Prozess ist, hat Jan Peters (Abteilung Neuropsychologie der Fakultät
für Psychologie der RUB) in seinen Forschungsarbeiten herausgefunden. In einer Kooperationsstudie des Lehrstuhls
für Neuropsychologie der RUB (Prof. Dr. Irene Daum), des Instituts für Interventionelle Radiologie und
Nuklearmedizin des St. Josef Hospitals der RUB (Prof. Dr. Odo Köster) sowie der Neurologischen Klinik des
Klinikums Dortmund (Direktor: Prof. Dr. Michael Schwarz) untersuchte der Kognitionswissenschaftler die neuropsychologischen
Grundlagen der beschriebenen Gedächtnisprozesse.
Aufgabenteilung im medialen Temporallappen
Mit Hilfe der funktionellen Kernspintomographie wurde in einem ersten Experiment die Gehirnaktivität
aufgezeichnet, während sich Versuchspersonen Bilder von Gegenständen und gesprochene Worte merkten. Beim
nachfolgenden Behaltenstest wurde deutlich, dass der vordere und der hintere Bereich des medialen Temporallappens
eine unterschiedliche Spezialisierung aufweisen: Während beim Erinnern von auditorischer Information (d.h.
der Stimme, mit der die Worte gesprochen wurden) der hintere mediale Temporallappen aktiv war, wurde beim Erinnern
von visueller Information (der Hintergrund, vor dem die Gegenstände gezeigt wurden) eher der vordere mediale
Temporallappen aktiv. In einer zweiten Studie untersuchte Peters die Merkfähigkeit einer Patientin, deren
hinterer medialer Temporallappen durch einen Schlaganfall geschädigt war. "Das Gedächtnis der Patientin
für Stimmen war stark beeinträchtigt, nicht jedoch das Gedächtnis für visuelle Information",
fasst er die Ergebnisse zusammen. "Das weist darauf hin, dass die bewusste Erinnerung selektiv für Informationen
aus einer Sinnesmodalität beeinträchtigt sein kann."
Anatomische Verschaltungen und funktionelle Spezialisierung
Wie kommt es zu dieser Spezialisierung im Temporallappen? Anatomisch ist der hintere Teil des medialen
Temporallappens eher mit auditorischen Hirnarealen verschaltet, während der vordere Teil eher mit visuellen
Hirngebieten verbunden ist. Diese anatomischen Verbindungen bilden vermutlich die Grundlage für die funktionelle
Spezialisierung im medialen Temporallappen. Die Forschungsergebnisse tragen zu einem besseren Verständnis
der Hirnregionen bei, die am Behalten und Erinnern und deren Störungen nach Hirnschädigungen beteiligt
sind. |