Einstimmig für außertourliche Erhöhung der AZ-Richtsätze  

erstellt am
18. 12. 06

Rund 230.000 Menschen davon betroffen
Wien (pk) - Die außertourliche Erhöhung der Ausgleichszulagenrichtsätze stand an der Spitze der Tagesordnung des Nationalrats in dessen letzter Sitzung (15.12.) in diesem Jahr. Unter einem debattiert wurden eine entsprechende Regierungsvorlage und ein Antrag der Koalitionsfraktionen. Da die Verhandlungsgegenstände der Sitzung erst am Vortag von den betreffenden Ausschüssen plenumsreif gemacht worden waren, musste der Nationalrat von der 24stündigen Auflagefrist absehen; dies geschah zum Teil einstimmig, zum Teil mit der erforderlichen Mehrheit. Von der Maßnahme sind rund 230.000 Menschen betroffen.

Die Erhöhung der Ausgleichzulagenrichtsätze sei eine wesentliche sozialpolitische Weichenstellung und ein Meilenstein, eröffnete Klubobmann Dr. GUSENBAUER (S) die Debatte. Damit liege nämlich keine Pension mehr unter der Armutsgrenze. Dies sei ein Akt der sozialen Solidarität, sagte Gusenbauer, und er sei froh über den gemeinsamen Beschluss. Rund 220.000 Menschen seien davon betroffen, davon seien 150.000 Frauen, viele von ihnen Bäuerinnen, kleine Selbständige, Arbeiterinnen. Sie erhielten durch die Neuregelung 36 Euro monatlich zusätzlich, 14 Mal im Jahr, damit 500 Euro pro Jahr. Dies sei eine echte Verbesserung des Haushaltseinkommens und der Lebensqualität und der sozialen Bedingungen.

Wer in Pension sei, sei von fairen Pensionen abhängig, weil er selbst keinen Beitrag zu seinem Einkommen leisten könne. Bei Menschen im Erwerbsalter hingegen müsse die Solidarität immer mit der Möglichkeit der Rückkehr auf den Arbeitsmarkt verbunden sein. Die österreichische Gesellschaft müsse "wasserdicht gegen die ärgste Armut" gemacht werden, sagte Gusenbauer, und trat für die Schaffung eines Generalkollektivvertrags mit 1000 Euro Mindestlohn ein. Ein derartiges Maßnahmenpaket sei ein wichtiges Signal nach innen und nach außen: eine Politik der Fairness ist möglich.

Die Regierungsvorlage zeige, dass Armutsbekämpfung "ein wichtiger Parameter der Politik der Bundesregierung sei", stellte Abgeordneter NEUGEBAUER (V) fest und bekannte sich zum Vorrang der Sicherung des Lebensstandards durch Arbeit: "Wir sind dafür da, das soziale Netz rissfest zu machen und nicht für jene, die arbeiten können, aber nicht wollen." Die Diskussion über eine bedarfsorientierte Grundsicherung wollte Neugebauer in diesem Zusammenhang sehen. Es gebe im System ein hohes Maß Solidarität, führte er weiter aus und nannte die Progression im Steuerrecht und die proportionale Vorgangsweise bei Sozialtransfers. Scharf wandte er sich gegen Eingriffe in bestehende Pensionen: Zum einen seien schon viele Pensionssicherungsbeiträge geleistet worden, zum anderen habe der Vertrauensschutz zu gelten.

Abgeordneter ÖLLINGER (G) begann seine Rede mit einem Dank an alle, die die Erhöhung der AZ-Richtsätze ermöglicht hätten. Dies sei eine Maßnahme, die für die meisten einigermaßen Sicherheit gegen Armut bedeute. Es sei allerdings kein sehr guter Ausweis für unser Pensionssystem, wenn an die 250.000 Personen davon profitierten. Sozialministerin Haubner nahm Öllinger von seinem Dank ausdrücklich aus, denn diese Maßnahme wäre eigentlich ihre Aufgabe gewesen. Er hätte es auch vorgezogen, wenn auch die Einmalzahlungen geblieben wären. Nicht erreicht habe man eine eigenständige Alterspension für alle, unabhängig davon, wie lange sie gearbeitet haben, klagte Öllinger. Eine "Mütterpension gnadenhalber", wie es das BZÖ wolle, reiche hier nicht.

"Arme werden ärmer, Reiche reicher und Privilegierte privilegierter" befand Abgeordneter KICKL (F), und die Pensionisten seien weiterhin die "Bittsteller vom Dienst". Er erinnerte daran, dass die Erhöhung der Ausgleichszulagenrichtsätze in der von seiner Fraktion verlangten Sondersitzung ihren Ausgang genommen habe. Im Budgetausschuss sei auch noch eine zusätzliche Einmalzahlung vorgesehen worden, aber in der "schwarz-orangen Regierungsvorlage" seien die Ärmsten wieder ausgenommen worden. Eine Frage der Kosten könne das nicht sein, betonte Kickl, gehe es doch nur um 14 Mill. Euro. Er brachte einen Abänderungseintrag seiner Fraktion ein, die Einmalzahlungen doch vorzusehen und verlangte überdies eine getrennte Abstimmung.

Österreich habe die dritthöchste Mindestpension in Europa, konstatierte Klubobmann WESTENTHALER (B) und wies die Kritik an der Sozialministerin zurück. Seit 1999 seien die Ausgleichszulagen um 17, die Familienleistungen um 33 % erhöht worden. Die heute zu beschließende Erhöhung sei eine gute und sozial ausgewogene Maßnahme. Allerdings hätten 170.000 Mütter über 60 Jahren überhaupt keine Pension. Beim Vorschlag eines "Müttergelds" gehe es daher nicht um soziale Hilfe, sondern um eine soziale Verpflichtung.

Abgeordnete BURES (S) fand "Krokodilstränen" im Blick auf die Politik der letzten Jahre unpassend, seien doch 160.000 Menschen dadurch akut arm geworden. Die Preiserhöhung hätten das Doppelte der Pensionserhöhungen ausgemacht, der soziale Zusammenhalt sei gefährdet. Mit der außertourlichen Erhöhung der AZ-Richtsätze werde ein tatsächlicher Schritt gegen Armutsgefährdung gesetzt, und dieser Schritt sei auch wirtschaftspolitisch richtig, weil er die Kaufkraft stärke. Bures trat für einen Generalkollektivvertrag im Sinne von 1000 Euro Mindestlohn ein. Auch den 300.000 Menschen ohne Arbeit müssten wieder Chancen und Hoffnung gegeben werden.

Abgeordnete Mag. AUBAUER (V) trat mit einer Schneekugel aus dem Parlamentsshop ans Rednerpult und nahm in ihrer Rede Bezug auf die darin enthaltene Pallas Athene, die Göttin der Weisheit: Es sei weise, wenn die Steuerzahler mit einer Solidarleistung einspringen, sagte sie, und es sei weise, dass die AZ-Richtsätze erstmals über die Armutsgrenze angehoben würden, denn damit gelte kein Pensionist mehr als arm. Während unter von den Sozialdemokraten geführten Regierungen innerhalb von sechs Jahren die Richtsätze um 45 Euro erhöht worden seien, habe man sie in sechs Jahren unter Schüssel um 136 Euro angehoben. Zudem seien durch die Pensionsreform die Pensionen bis zum Jahr 2050 gesichert.

Scharfe Kritik an Sozialministerin Haubner übte dann G-Abgeordnete MANDAK, wobei sie speziell den Kindergelderlass ansprach: Soziale Gerechtigkeit ende offenbar dort, wo die Staatsbürgerschaft ende. Mit der Erhöhung der AZ-Richtsätze sei "nicht alles im Reinen", denn Armutsgefährdung bleibe für den betroffenen Personenkreis bestehen; für diese Menschen dürfe "nichts passieren", keine Waschmaschine kaputt gehen etc. Man müsse daher diese Menschen auch "aus der Armutsgefährdung holen", betonte Mandak. Ein Mindestlohn von 1000 Euro dürfe nicht allein durch Generalkollektivvertrag abgesichert werden, weil damit viele ArbeitnehmerInnen außerhalb von Kollektivverträgen nicht erfasst würden, appellierte sie speziell an die SPÖ. Kritisch wandte sie sich auch gegen den Entfall der Einmalzahlungen.

"Wir reparieren, was Sie verpfuscht haben", sagte Abgeordneter NEUBAUER (F) in Richtung ÖVP und BZÖ. Er plädierte für zusätzliche Einmalzahlungen und warf Regierung und Sozialdemokraten vor, die Interessen der Pensionisten zu verraten.

Abgeordneter DOLINSCHEK wertete die Erhöhung als "wirksames Instrument der Armutsbekämpfung" und skizzierte die Erhöhungen der Ausgleichszulagen seit dem Jahr 2000. Die Einkommenspolitik mache hingegen nicht die Regierung, sie falle in die Verantwortung der Sozialpartner, betonte er und qualifizierte die Erhöhung der Löhne im Handel um 2,35 % als "Wahnsinn". Höhere Einkommen bewirkten auch höhere Pensionen, aber dazu seien die Gewerkschaften offenbar zu schwach.

Abgeordneter RIEPL (S) stellte fest, Armutsbekämpfung sei in den letzten sechs Jahren kein wichtiges Anliegen der Bundesregierung gewesen, es sei daher höchste Zeit jetzt nachzubessern. Kritisch setzte sich der Redner überdies mit der Budgetpolitik der Koalition auseinander, die seiner Meinung nach von wachsender Verschuldung und nun auch von einem Verkauf von Goldreserven der Nationalbank gekennzeichnet ist.

Abgeordnete Dr. BAUMGARTNER-GABITZER (V) sprach im Zusammenhang mit der Pensionserhöhung von einem guten Kompromiss, gab aber zu bedenken, dass das Geld für Sozialleistungen auch erwirtschaftet und erarbeitet werden müsse. Der Sozialbereich gehöre zu einem großen Ganzen und sollte daher nicht mit anderen Themen abgetauscht werden.

Angesichts ihres bevorstehenden Ausscheidens aus dem Parlament drückte die Rednerin ihre Sorge über das Negativimage der Politiker aus und meinte, die Abgeordneten seien dazu aufgerufen, durch ihre Tätigkeit diesem Bild entgegenzuwirken.

Präsidentin Mag. PRAMMER bedankte sich bei Baumgartner-Gabitzer für die gute Zusammenarbeit und wünschte ihr alles Gute für die Zukunft.

Abgeordneter ÖLLINGER (G) korrigierte den Abänderungsantrag seiner Fraktion und stellte klar, durch diese Initiative sollten auch die Bezieher von Ausgleichszulagen und so genannten Kleinpensionen in den Genuss der Einmalzahlung kommen.

Abgeordneter Dr. GRAF (F) forderte in einem Entschließungsantrag eine Pensionserhöhung um 1,9 % sowie für Pensionen unter 1.350 Euro eine zusätzliche Erhöhung um 0,3 %. Darüber hinaus sollten zukünftige Pensionsanpassungen immer am Pensionistenpreisindex orientiert sein.

Abgeordnete HEINISCH-HOSEK (S) präsentierte einen S-V-B-Abänderungsantrag, der die Einmalzahlung auch für Pensionen zwischen 710 Euro und 715 Euro vorsieht.

Abgeordneter DONABAUER (V) erinnerte, das Pensionssystem baue auf der Ertragslage der Wirtschaft und auf dem Generationenvertrag auf. Das Problem der Armut könne man überdies nicht allein durch die Pensionen bekämpfen, fügte er an.

Abgeordneter HABERZETTL (S) kritisierte, sämtliche Pensionsreformen der letzten Jahre hätten das Ziel gehabt, die Leistungen der staatlichen Pensionsversicherung zu kürzen. Die Politik der Regierung sei von dem Motto getragen gewesen "länger arbeiten, weniger Pension" und für die Zukunft forderte Haberzettl vor allem eine gerechte Schwerarbeiterregelung.

Bundesministerin HAUBNER hob die Erhöhung der Mindestpensionen als wesentlichen Schritt hervor und meinte, die Regierung agiere damit an den unmittelbaren Bedürfnissen der Menschen. Aufgabe einer zukünftigen Regierung werde es sein, eine Absicherung für jene Frauen zu finden, die kein eigenes Einkommen haben.

Abgeordneter Dr. STUMMVOLL (V) warf der SPÖ Wahlkampfrhetorik vor und betonte, nur weil die Politik der Koalition so erfolgreich war, könne man sich heute diese Pensionserhöhung leisten. Für den Redner stellte sich die Frage, ob die SPÖ überhaupt an einer großen Koalition interessiert sei, wobei er bemerkte, mit diesem Stil werde man jedenfalls keine gemeinsame Regierung zusammenbringen.

Abgeordnete MIKESCH (V) unterstrich, im Gegensatz zu Deutschland und Großbritannien, wo es in den nächsten Jahren keine Pensionserhöhung gibt, habe Österreich diese beispielhafte Anhebung beschlossen. Dies beweise, dass in den vergangenen Jahren eine sozial ausgewogene Politik gestaltet und auch auf den Ausgleich der Generationen geachtet wurde.

In einem V-S-B-Entschließungsantrag drängte Mikesch auf eine sozial gerechte Gestaltung von Gebühren- und Selbstbehaltsbefreiungen.

Abgeordnete Dr. KARL (V) erläuterte das System der Parallelrechnung und räumte ein, dass es dabei zu einem erhöhten Verwaltungsaufwand komme. Vor dem Hintergrund des Vertrauensschutzes sei dieser Aufwand aber gerechtfertigt.

Abgeordneter Dr. MAIER (V) zeigte sich verwundert über die Kritik des Abgeordneten Haberzettl und meinte, der ÖGB habe ja vorgezeigt, wie es nicht funktioniert. Bevor das Geld ausgegeben wird, müsse es erst einmal verdient werden, stand für Maier fest.

Abgeordneter Dr. CAP (S) bemerkte, an die Adresse des Abgeordneten Stummvoll gerichtet, ungeachtet der Koalitionsverhandlungen werde die SPÖ die letzten sechs Jahre kritisieren, habe sie sich doch selbst in dieser Zeit immer wieder die Selbstbeweihräucherungen von Grasser und Schüssel anhören müssen.

Abgeordneter Mag. MOLTERER (V) blickte, wie er sagte, mit Stolz auf die letzten Jahre zurück. Man könne sich die Pensionserhöhung heute leisten, weil man gut gearbeitet habe und Österreich dadurch ein Wirtschaftswachstum aufweise, um das es andere beneiden. Wenn heute die BAWAG ans Ausland verkauf wird, so sei dies eben die sozialistische Handschrift, meinte er pointiert.

Abgeordneter STRACHE (F) kritisierte den Verkauf von Goldreserven der Nationalbank durch die Bundesregierung, sah im heutigen BAWAG-Verkauf aber auch ein Armutszeugnis für die SPÖ.

Bei der Abstimmung wurden das Sozialrechts-Änderungsgesetz nach Ablehnung der Abänderungsanträge von F und G sowie die APG-Novelle in 3. Lesung jeweils einstimmig angenommen. Auch der V-S-B-Entschließungsantrag erhielt einhellige Zustimmung, der F-Entschließungsantrag fand hingegen keine Mehrheit.
 
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