Rund 230.000 Menschen davon betroffen
Wien (pk) - Die außertourliche Erhöhung der Ausgleichszulagenrichtsätze stand an
der Spitze der Tagesordnung des Nationalrats in dessen letzter Sitzung (15.12.) in diesem Jahr. Unter einem debattiert
wurden eine entsprechende Regierungsvorlage und ein Antrag der Koalitionsfraktionen. Da die Verhandlungsgegenstände
der Sitzung erst am Vortag von den betreffenden Ausschüssen plenumsreif gemacht worden waren, musste der Nationalrat
von der 24stündigen Auflagefrist absehen; dies geschah zum Teil einstimmig, zum Teil mit der erforderlichen
Mehrheit. Von der Maßnahme sind rund 230.000 Menschen betroffen.
Die Erhöhung der Ausgleichzulagenrichtsätze sei eine wesentliche sozialpolitische Weichenstellung und
ein Meilenstein, eröffnete Klubobmann Dr. GUSENBAUER (S) die Debatte. Damit liege nämlich keine Pension
mehr unter der Armutsgrenze. Dies sei ein Akt der sozialen Solidarität, sagte Gusenbauer, und er sei froh
über den gemeinsamen Beschluss. Rund 220.000 Menschen seien davon betroffen, davon seien 150.000 Frauen, viele
von ihnen Bäuerinnen, kleine Selbständige, Arbeiterinnen. Sie erhielten durch die Neuregelung 36 Euro
monatlich zusätzlich, 14 Mal im Jahr, damit 500 Euro pro Jahr. Dies sei eine echte Verbesserung des Haushaltseinkommens
und der Lebensqualität und der sozialen Bedingungen.
Wer in Pension sei, sei von fairen Pensionen abhängig, weil er selbst keinen Beitrag zu seinem Einkommen leisten
könne. Bei Menschen im Erwerbsalter hingegen müsse die Solidarität immer mit der Möglichkeit
der Rückkehr auf den Arbeitsmarkt verbunden sein. Die österreichische Gesellschaft müsse "wasserdicht
gegen die ärgste Armut" gemacht werden, sagte Gusenbauer, und trat für die Schaffung eines Generalkollektivvertrags
mit 1000 Euro Mindestlohn ein. Ein derartiges Maßnahmenpaket sei ein wichtiges Signal nach innen und nach
außen: eine Politik der Fairness ist möglich.
Die Regierungsvorlage zeige, dass Armutsbekämpfung "ein wichtiger Parameter der Politik der Bundesregierung
sei", stellte Abgeordneter NEUGEBAUER (V) fest und bekannte sich zum Vorrang der Sicherung des Lebensstandards
durch Arbeit: "Wir sind dafür da, das soziale Netz rissfest zu machen und nicht für jene, die arbeiten
können, aber nicht wollen." Die Diskussion über eine bedarfsorientierte Grundsicherung wollte Neugebauer
in diesem Zusammenhang sehen. Es gebe im System ein hohes Maß Solidarität, führte er weiter aus
und nannte die Progression im Steuerrecht und die proportionale Vorgangsweise bei Sozialtransfers. Scharf wandte
er sich gegen Eingriffe in bestehende Pensionen: Zum einen seien schon viele Pensionssicherungsbeiträge geleistet
worden, zum anderen habe der Vertrauensschutz zu gelten.
Abgeordneter ÖLLINGER (G) begann seine Rede mit einem Dank an alle, die die Erhöhung der AZ-Richtsätze
ermöglicht hätten. Dies sei eine Maßnahme, die für die meisten einigermaßen Sicherheit
gegen Armut bedeute. Es sei allerdings kein sehr guter Ausweis für unser Pensionssystem, wenn an die 250.000
Personen davon profitierten. Sozialministerin Haubner nahm Öllinger von seinem Dank ausdrücklich aus,
denn diese Maßnahme wäre eigentlich ihre Aufgabe gewesen. Er hätte es auch vorgezogen, wenn auch
die Einmalzahlungen geblieben wären. Nicht erreicht habe man eine eigenständige Alterspension für
alle, unabhängig davon, wie lange sie gearbeitet haben, klagte Öllinger. Eine "Mütterpension
gnadenhalber", wie es das BZÖ wolle, reiche hier nicht.
"Arme werden ärmer, Reiche reicher und Privilegierte privilegierter" befand Abgeordneter KICKL (F),
und die Pensionisten seien weiterhin die "Bittsteller vom Dienst". Er erinnerte daran, dass die Erhöhung
der Ausgleichszulagenrichtsätze in der von seiner Fraktion verlangten Sondersitzung ihren Ausgang genommen
habe. Im Budgetausschuss sei auch noch eine zusätzliche Einmalzahlung vorgesehen worden, aber in der "schwarz-orangen
Regierungsvorlage" seien die Ärmsten wieder ausgenommen worden. Eine Frage der Kosten könne das
nicht sein, betonte Kickl, gehe es doch nur um 14 Mill. Euro. Er brachte einen Abänderungseintrag seiner Fraktion
ein, die Einmalzahlungen doch vorzusehen und verlangte überdies eine getrennte Abstimmung.
Österreich habe die dritthöchste Mindestpension in Europa, konstatierte Klubobmann WESTENTHALER (B) und
wies die Kritik an der Sozialministerin zurück. Seit 1999 seien die Ausgleichszulagen um 17, die Familienleistungen
um 33 % erhöht worden. Die heute zu beschließende Erhöhung sei eine gute und sozial ausgewogene
Maßnahme. Allerdings hätten 170.000 Mütter über 60 Jahren überhaupt keine Pension. Beim
Vorschlag eines "Müttergelds" gehe es daher nicht um soziale Hilfe, sondern um eine soziale Verpflichtung.
Abgeordnete BURES (S) fand "Krokodilstränen" im Blick auf die Politik der letzten Jahre unpassend,
seien doch 160.000 Menschen dadurch akut arm geworden. Die Preiserhöhung hätten das Doppelte der Pensionserhöhungen
ausgemacht, der soziale Zusammenhalt sei gefährdet. Mit der außertourlichen Erhöhung der AZ-Richtsätze
werde ein tatsächlicher Schritt gegen Armutsgefährdung gesetzt, und dieser Schritt sei auch wirtschaftspolitisch
richtig, weil er die Kaufkraft stärke. Bures trat für einen Generalkollektivvertrag im Sinne von 1000
Euro Mindestlohn ein. Auch den 300.000 Menschen ohne Arbeit müssten wieder Chancen und Hoffnung gegeben werden.
Abgeordnete Mag. AUBAUER (V) trat mit einer Schneekugel aus dem Parlamentsshop ans Rednerpult und nahm in ihrer
Rede Bezug auf die darin enthaltene Pallas Athene, die Göttin der Weisheit: Es sei weise, wenn die Steuerzahler
mit einer Solidarleistung einspringen, sagte sie, und es sei weise, dass die AZ-Richtsätze erstmals über
die Armutsgrenze angehoben würden, denn damit gelte kein Pensionist mehr als arm. Während unter von den
Sozialdemokraten geführten Regierungen innerhalb von sechs Jahren die Richtsätze um 45 Euro erhöht
worden seien, habe man sie in sechs Jahren unter Schüssel um 136 Euro angehoben. Zudem seien durch die Pensionsreform
die Pensionen bis zum Jahr 2050 gesichert.
Scharfe Kritik an Sozialministerin Haubner übte dann G-Abgeordnete MANDAK, wobei sie speziell den Kindergelderlass
ansprach: Soziale Gerechtigkeit ende offenbar dort, wo die Staatsbürgerschaft ende. Mit der Erhöhung
der AZ-Richtsätze sei "nicht alles im Reinen", denn Armutsgefährdung bleibe für den betroffenen
Personenkreis bestehen; für diese Menschen dürfe "nichts passieren", keine Waschmaschine kaputt
gehen etc. Man müsse daher diese Menschen auch "aus der Armutsgefährdung holen", betonte Mandak.
Ein Mindestlohn von 1000 Euro dürfe nicht allein durch Generalkollektivvertrag abgesichert werden, weil damit
viele ArbeitnehmerInnen außerhalb von Kollektivverträgen nicht erfasst würden, appellierte sie
speziell an die SPÖ. Kritisch wandte sie sich auch gegen den Entfall der Einmalzahlungen.
"Wir reparieren, was Sie verpfuscht haben", sagte Abgeordneter NEUBAUER (F) in Richtung ÖVP und
BZÖ. Er plädierte für zusätzliche Einmalzahlungen und warf Regierung und Sozialdemokraten vor,
die Interessen der Pensionisten zu verraten.
Abgeordneter DOLINSCHEK wertete die Erhöhung als "wirksames Instrument der Armutsbekämpfung"
und skizzierte die Erhöhungen der Ausgleichszulagen seit dem Jahr 2000. Die Einkommenspolitik mache hingegen
nicht die Regierung, sie falle in die Verantwortung der Sozialpartner, betonte er und qualifizierte die Erhöhung
der Löhne im Handel um 2,35 % als "Wahnsinn". Höhere Einkommen bewirkten auch höhere Pensionen,
aber dazu seien die Gewerkschaften offenbar zu schwach.
Abgeordneter RIEPL (S) stellte fest, Armutsbekämpfung sei in den letzten sechs Jahren kein wichtiges Anliegen
der Bundesregierung gewesen, es sei daher höchste Zeit jetzt nachzubessern. Kritisch setzte sich der Redner
überdies mit der Budgetpolitik der Koalition auseinander, die seiner Meinung nach von wachsender Verschuldung
und nun auch von einem Verkauf von Goldreserven der Nationalbank gekennzeichnet ist.
Abgeordnete Dr. BAUMGARTNER-GABITZER (V) sprach im Zusammenhang mit der Pensionserhöhung von einem guten Kompromiss,
gab aber zu bedenken, dass das Geld für Sozialleistungen auch erwirtschaftet und erarbeitet werden müsse.
Der Sozialbereich gehöre zu einem großen Ganzen und sollte daher nicht mit anderen Themen abgetauscht
werden.
Angesichts ihres bevorstehenden Ausscheidens aus dem Parlament drückte die Rednerin ihre Sorge über das
Negativimage der Politiker aus und meinte, die Abgeordneten seien dazu aufgerufen, durch ihre Tätigkeit diesem
Bild entgegenzuwirken.
Präsidentin Mag. PRAMMER bedankte sich bei Baumgartner-Gabitzer für die gute Zusammenarbeit und wünschte
ihr alles Gute für die Zukunft.
Abgeordneter ÖLLINGER (G) korrigierte den Abänderungsantrag seiner Fraktion und stellte klar, durch diese
Initiative sollten auch die Bezieher von Ausgleichszulagen und so genannten Kleinpensionen in den Genuss der Einmalzahlung
kommen.
Abgeordneter Dr. GRAF (F) forderte in einem Entschließungsantrag eine Pensionserhöhung um 1,9 % sowie
für Pensionen unter 1.350 Euro eine zusätzliche Erhöhung um 0,3 %. Darüber hinaus sollten zukünftige
Pensionsanpassungen immer am Pensionistenpreisindex orientiert sein.
Abgeordnete HEINISCH-HOSEK (S) präsentierte einen S-V-B-Abänderungsantrag, der die Einmalzahlung auch
für Pensionen zwischen 710 Euro und 715 Euro vorsieht.
Abgeordneter DONABAUER (V) erinnerte, das Pensionssystem baue auf der Ertragslage der Wirtschaft und auf dem Generationenvertrag
auf. Das Problem der Armut könne man überdies nicht allein durch die Pensionen bekämpfen, fügte
er an.
Abgeordneter HABERZETTL (S) kritisierte, sämtliche Pensionsreformen der letzten Jahre hätten das Ziel
gehabt, die Leistungen der staatlichen Pensionsversicherung zu kürzen. Die Politik der Regierung sei von dem
Motto getragen gewesen "länger arbeiten, weniger Pension" und für die Zukunft forderte Haberzettl
vor allem eine gerechte Schwerarbeiterregelung.
Bundesministerin HAUBNER hob die Erhöhung der Mindestpensionen als wesentlichen Schritt hervor und meinte,
die Regierung agiere damit an den unmittelbaren Bedürfnissen der Menschen. Aufgabe einer zukünftigen
Regierung werde es sein, eine Absicherung für jene Frauen zu finden, die kein eigenes Einkommen haben.
Abgeordneter Dr. STUMMVOLL (V) warf der SPÖ Wahlkampfrhetorik vor und betonte, nur weil die Politik der Koalition
so erfolgreich war, könne man sich heute diese Pensionserhöhung leisten. Für den Redner stellte
sich die Frage, ob die SPÖ überhaupt an einer großen Koalition interessiert sei, wobei er bemerkte,
mit diesem Stil werde man jedenfalls keine gemeinsame Regierung zusammenbringen.
Abgeordnete MIKESCH (V) unterstrich, im Gegensatz zu Deutschland und Großbritannien, wo es in den nächsten
Jahren keine Pensionserhöhung gibt, habe Österreich diese beispielhafte Anhebung beschlossen. Dies beweise,
dass in den vergangenen Jahren eine sozial ausgewogene Politik gestaltet und auch auf den Ausgleich der Generationen
geachtet wurde.
In einem V-S-B-Entschließungsantrag drängte Mikesch auf eine sozial gerechte Gestaltung von Gebühren-
und Selbstbehaltsbefreiungen.
Abgeordnete Dr. KARL (V) erläuterte das System der Parallelrechnung und räumte ein, dass es dabei zu
einem erhöhten Verwaltungsaufwand komme. Vor dem Hintergrund des Vertrauensschutzes sei dieser Aufwand aber
gerechtfertigt.
Abgeordneter Dr. MAIER (V) zeigte sich verwundert über die Kritik des Abgeordneten Haberzettl und meinte,
der ÖGB habe ja vorgezeigt, wie es nicht funktioniert. Bevor das Geld ausgegeben wird, müsse es erst
einmal verdient werden, stand für Maier fest.
Abgeordneter Dr. CAP (S) bemerkte, an die Adresse des Abgeordneten Stummvoll gerichtet, ungeachtet der Koalitionsverhandlungen
werde die SPÖ die letzten sechs Jahre kritisieren, habe sie sich doch selbst in dieser Zeit immer wieder die
Selbstbeweihräucherungen von Grasser und Schüssel anhören müssen.
Abgeordneter Mag. MOLTERER (V) blickte, wie er sagte, mit Stolz auf die letzten Jahre zurück. Man könne
sich die Pensionserhöhung heute leisten, weil man gut gearbeitet habe und Österreich dadurch ein Wirtschaftswachstum
aufweise, um das es andere beneiden. Wenn heute die BAWAG ans Ausland verkauf wird, so sei dies eben die sozialistische
Handschrift, meinte er pointiert.
Abgeordneter STRACHE (F) kritisierte den Verkauf von Goldreserven der Nationalbank durch die Bundesregierung, sah
im heutigen BAWAG-Verkauf aber auch ein Armutszeugnis für die SPÖ.
Bei der Abstimmung wurden das Sozialrechts-Änderungsgesetz nach Ablehnung der Abänderungsanträge
von F und G sowie die APG-Novelle in 3. Lesung jeweils einstimmig angenommen. Auch der V-S-B-Entschließungsantrag
erhielt einhellige Zustimmung, der F-Entschließungsantrag fand hingegen keine Mehrheit. |