Aktuelle Stunde im Nationalrat
Wien (pk) - "Mehr Jobs, mehr Wachstum, mehr Innovation – Österreichs Wirtschaft auf Erfolgskurs."
Unter dieses Thema stellte die ÖVP die Aktuelle Stunde, mit der der Nationalrat am 14.12. seine Plenarsitzung
eröffnete. ÖVP-Klubobmann Mag. MOLTERER eröffnete die Debatte mit Zitaten aus Medien der jüngsten
Zeit, die über die gute wirtschaftliche Situation Österreichs berichteten. Das Wirtschaftswachstum liege
nach OECD bei 3,2 %, nach der Nationalbank sogar bei 3,3 %, die Wirtschaftsforschungsinstitute würden demnächst
ihre Wachstumsprognosen nach oben revidieren. Damit liege Österreich vor der Eurozone, ja sogar vor Japan
und den USA, betonte Molterer.
Wirtschaftswachstum sei aber kein Selbstzweck, sondern Voraussetzung für Vollbeschäftigung – und die
bleibe ein zentrales Anliegen seiner Fraktion. In der Kaufkraftparität habe Österreich eine "Schallmauer"
durchbrochen und die Schweiz überholt, fuhr der Redner fort. Österreich verzeichne die seit 25 Jahren
günstigste Wirtschaftsentwicklung, eine stabile Entwicklung des Wachstums und einen nachhaltigen Wachstumspfad.
Unter diesen Voraussetzungen sei das Vollbeschäftigungsziel bis 2010 erreichbar. "Wir sind auf einem
guten Weg", fasste der VP-Klubchef zusammen.
Molterer ging auf das Lob ein, das der Internationale Währungsfonds und die EU-Kommission Österreich
ausgesprochen haben und sprach sich dafür aus, auf diesem soliden Fundament weiterzubauen. Als Eckpunkte dafür
skizzierte er einen ausgeglichenen Haushalt und stabile Staatsfinanzen, Investitionen in die Zukunft, Entlastungen
bei Steuern und Abgaben sowie eine Staats- und Verwaltungsreform. Weder ein "arbeitsloses Grundeinkommen"
noch ein gesetzlicher Mindestlohn seien ein Ziel dieser Politik.
Wirtschafts- und Arbeitminister Dr. BARTENSTEIN wies darauf hin, dass der Erfolg Österreichs in einem eher
mäßigen europäischen Konjunkturumfeld zu sehen sei. Auch er bekannte sich dazu, das Wirtschaftswachstum
für Arbeitsplätze und Wohlstand zu nützen. Positiv wertete der Minister auch, dass das Wachstum
nicht allein vom Export getragen werde – bei dem heuer die Marke von 100 Mrd. € übertroffen werde –, sondern
auch durch den Inlandskonsum und private Investitionen gestützt werde.
Als Ziele nannte der Minister die Anhebung der Ausgaben für Forschung und Entwicklung auf 3 % des BIP bis
zum Jahr 2010 – ein Ziel, das er mit Hinweis auf die in den Koalitionsverhandlungen vereinbarten zusätzlichen
800 Mio. € erreichbar nannte. Es gelte aber auch, die allgemeine positive Wirtschaftsentwicklung für den einzelnen
spürbar zu machen. Bartenstein nannte in diesem Zusammenhang die Stärkung der Mitarbeiterbeteiligung.
Einer gesetzlichen Festlegung von Mindestlöhnen erteilte er eine Absage; einem von den Sozialpartnern auszuverhandelnden
General-Kollektivvertrag sei hier der Vorzug zu geben.
Die am 1. Oktober abgewählte Bundesregierung habe ein schweres Erbe hinterlassen, setzte Abgeordneter Dr.
MATZNETTER (S) als nächster Redner andere Akzente. Er wies auf die reduzierten Währungs- und Geldreserven
der Nationalbank, die weiter gestiegenen Staatsschulden und auf 20 Mrd. € "bei Schiene und Straße versteckte
Schulden" hin und ergänzte in diesem Sinn das Motto für die Aktuelle Stunde: "Wir brauchen
mehr Jobs, mehr Wachstum, mehr Innovation". Kritisch vermerkte der Abgeordnete weiter, dass Österreichs
Wachstum seit dem Jahr 2000 die meisten Jahre unter dem EU-Durchschnitt gelegen sei, und auch die Arbeitslosigkeit
sei erst im letzten Jahrzehnt drastisch angestiegen.
Abgeordneter Matznetter sei "im falschen Film", mutmaßte Abgeordneter Dr. MITTERLEHNER (V) als
nächster Redner. Immerhin liege Österreichs Wachstum nicht geringfügig, sondern um 0,5 Punkte über
dem der EU, es gäbe 5.000 Lehrstellen mehr, der Export boome. 3 Mrd. € staatliche Mehreinnahmen würden
die Richtigkeit der Steuerreform beweisen. Der Redner warnte davor, die erwirtschafteten Gewinne gleich neu zu
verteilen, sie sollten vielmehr für Investitionen zur Hilfe bei Umstrukturierungen genützt werden. Generell
warnte Mitterlehner vor "zu starken Markteingriffen" und dem Verteilen von Mitteln durch die "Gießkanne".
G-Abgeordnete SBURNY äußerte Zweifel an den von ihrem Vorredner genannten 3 Mrd. € Mehreinnahmen und
forderte mit Hinweis auf eine Äußerung des Chefs des Staatsschuldenausschusses Felderer ein Nulldefizit
ein. Österreichs gute wirtschaftliche Position sei unbestreitbar, meinte die Rednerin weiter, aber angesichts
struktureller Probleme helfe "nur mehr Geld" nicht weiter. Österreich sei vielfach nur "Anwender"
von Innovation, nicht "originärer Innovateur", kritisierte Sburny und sah "dramtischen Veränderungsbedarf",
etwa in Richtung einer Erhöhung der Akademikerquote.
Statt einer "aktuellen Stunde" gebe es eine "aktuelle Märchenstunde", meinte FP-Klubobmann
STRACHE in Richtung ÖVP. Über 293.000 Menschen seien arbeitslos, rechne man die in Schulungen "geparkten"
Personen dazu, kritisierte der Redner, und viele der neuen Jobs seien unterbezahlte Teilzeitjobs. Gut gehe es den
großen Konzernen, bei den kleinen und mittleren Unternehmen habe die Regierung aber "geschlafen".
Bei den Abgaben auf Arbeit liege Österreich vier Punkte über dem europäischen Durchschnitt. Strache
sprach sich u.a. für die Abschaffung der Erbschaftssteuer bei Firmenübergaben innerhalb der Familie aus.
BZÖ-Klubobmann WESTENTHALER äußerte Sorge um Österreich, wenn die SPÖ Regierungsverantwortung
übernehme. Damit drohe die Rückkehr zu Zeiten höchster Abgaben, hoher Arbeitslosigkeit, der Regulierungswut
und der Verbotspolitik. Von der Hochkonjunktur sollten alle, Arbeitnehmer und Unternehmer, profitieren können.
Westenthaler sprach sich für verstärkte Mitarbeiterbeteiligung im Sinn eines Investivlohns aus und forderte
eine neue Partnerschaft von Arbeitnehmern und Unternehmern sowie die Gleichstellung von Männern und Frauen
bei der Entlohnung ein.
Die wirtschaftliche Lage habe sich zwar gebessert, doch seien trotz Wirtschaftswachstum über 300.000 Menschen
– einschließlich der Personen in Schulung und der Bezieher von Pensionsvorschüssen oder Übergangsgeldern
– ohne Arbeit, stellte Abgeordnete CSÖRGITS (S) fest. Viele junge Menschen seien arbeitslos, viele Familien
seien der Armut preisgegeben. Sie sprach sich für eine gezielte bedarfsorientierte Grundsicherung und eine
aktive Arbeitsmarktpolitik aus. Es gäbe viele gute Ansätze, meinte Csörgits, und betonte, ihre Fraktion
wolle "die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit mit allen Mitteln".
Abgeordneter AMON (V) fand es bedauerlich, dass man sich angesichts der guten Wirtschaftsdaten nicht gemeinsam
freue. Österreich sei ein guter Wirtschaftsstandort, und dazu trage auch das Bildungssystem bei. Amon warnte
davor, die mit dem dualen Ausbildungssystem erreichten Erfolge zu gefährden, indem man das duale System über
Bord werfe.
Abgeordneter Mag. ROSSMANN (G) forderte einen Kurswechsel in der Budget- und Wirtschaftspolitik. Seiner Meinung
nach könne man nicht von einem nachhaltig sanierten Budget sprechen, und auch von Vollbeschäftigung könne
keine Rede sein. Die Zahl der Vollzeitarbeitsplätze sei nämlich gesunken und jene der prekären Arbeitsverhältnisse
stark angestiegen. Seit dem Jahr 2001 habe die Arbeitslosigkeit enorm zugenommen und heute seien mehr als 1 Million
Österreicherinnen und Österreicher armutsgefährdet. Eine Erfolgsstory sehe anders aus, sagte Rossmann,
vielmehr müsse man vor diesem Hintergrund von einer Schande sprechen.
Selbstverständlich sei das Wirtschaftswachstum ein entscheidender Hebel für die Senkung der Arbeitslosigkeit,
dafür brauche man aber 3 % Wachstum, prognostiziert seien jedoch nur rund 2 %. Dass Österreich und Europa
das weltwirtschaftliche Wachstum nicht nützen können, liegt laut Rossmann am Konzept, das einseitig auf
Liberalisierung und Wettbewerb setze. Es fehle an einer griffigen Wettbewerbspolitik, hielt er fest, und die Innovationsstrategie
sei nicht mit Weiterbildung verknüpft worden. Man habe die gesamtwirtschaftlichen Zusammenhänge, z.B.
die Binnenmarktnachfrage, ausgeblendet, sagte Rossmann und unterzog auch die Politik der Europäischen Zentralbank
einer Kritik.
Abgeordneter THEMESSL (F) bezeichnete es als beschämend, dass man den PensionistInnen bei der letzten Erhöhung
nur ein, wie er es ausdrückte, Almosen gegeben habe. Er warf der ÖVP vor, Lobhudelei zu betreiben, denn
die Bundesregierung habe höchstens ein gutes Mittelmaß in der Wirtschaftspolitik erreicht. Die Politik
selbst schaffe keine Jobs, meinte er, das mache nur die Wirtschaft. Themessl bemängelte die Neuregelung der
KOEST insofern, als dabei die Humanressourcen nicht berücksichtigt worden seien. Auch habe man die Klein-
und Mittelbetriebe völlig vergessen. Die Abgabenquote sowie die Lohn-Nebenkosten lägen noch immer über
dem EU-Durchschnitt und die Arbeitslosenzahlen seien höher als je zuvor. Die Wirtschaftspolitik der Bundesregierung
sei daher keinesfalls erfolgreich, so sein Resümee.
Abgeordneter SCHALLE (B) konterte, die Wirtschaft der letzten Jahre habe Positives für die Gesamtbevölkerung
bewirkt, und zitierte zur Untermauerung dessen Medienberichte aus dem In- und Ausland. In vielen Fällen habe
Österreich eine Vorreiterrolle eingenommen. So sei beispielsweise die Budgetpolitik vorbildhaft für ganz
Europa geworden. Das Ziel dieser Politik, ein ausgeglichenes Budget über den Konjunkturzyklus, die Senkung
der Abgabenquote auf 40 % und ein nachhaltiges Wachstum müsse auch von der künftigen Regierung weiter
verfolgt werden, forderte Schalle. Die Konjunkturpakete hätten bewirkt, dass das BIP seit 2000 um 13,2 % gestiegen
sei. Die Arbeitslosenraten seien im Sinken begriffen, so Schalle weiter, und im EU-Ranking nehme Österreich
bei der Innovation bereits Platz 5 ein. Schalle sprach sich auch dezidiert für die Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten
aus. |