Lebensmittelbericht: Rund die Hälfte der Bevölkerung stellt ihre Ernährungsgewohnheiten
um
Wien (bmlfuw) - Nach 1997 und 2003 legen wir den dritten Lebensmittelbericht vor. Dieser bestätigt,
dass der Lebensmittelsektor sich nach wie vor sehr dynamisch entwickelt. Wir haben die Chancen, die sich in den
letzten Jahren eröffnet haben, gut genutzt. Erfolgreich waren wir am heimischen Markt wie auch in den Exportmärkten.
Gleichzeitig ist es uns gelungen, gentechnisch veränderte Organismen (GVO) von der österreichischen Landwirtschaft
fernzuhalten. Gentechnik ist auch weiterhin keine Option.
Die Exportinitiative in die mittel- und osteuropäischen Länder hat sich zu einer „Erfolgsstory Export“
entwickelt. In Österreich setzen wir mit der Initiative „Genuss Region Österreich“ auf regionale Verarbeitung
und Vermarktung, um der großen Nachfrage nach regionalen Produkten zu entsprechen, zog Landwirtschaftsminister
Josef Pröll am 14.12. anlässlich der Präsentation des Lebensmittelberichts 2006 eine erfolgreiche
Bilanz.
Lebensmittelverarbeitung: Positive Wirkung der Qualitätsprogramme
Lebensmittelqualität, Lebensmittelsicherheit, Rückverfolgbarkeit und Qualitätssicherung sind die
wesentlichen strategischen Ausrichtungen der Lebensmittelverarbeitung. In den letzten Jahren ist es zu einer zunehmenden
Sensibilisierung der Konsumentinnen und Konsumenten insbesondere bei Fleisch und Fleischverarbeitungsprodukten
gekommen. Die Fleischbranche behauptet ihre Position durch gesteigerte Qualität und Produktvielfalt, wobei
Rückverfolgbarkeit und Markenprogramme zur Herkunftssicherung zu den unternehmerischen Strategien zählen.
Dennoch unterliegt die Fleischbranche einem starken Strukturwandel. Es findet ein starker Konzentrationsprozess
der Unternehmen statt, gleichzeitig nimmt der Fleischkonsum um ca. 1 bis 3 Prozent pro Jahr ab. Die zunehmende
Marktmacht der Handelsketten als Hauptabnehmer von Fleischerzeugnissen geht Hand in Hand mit einem kontinuierlichen
Rückgang der Fleischfachgeschäfte. Bereits 60 Prozent der Waren wird über Lebensmittelhandelsketten
abgesetzt. Geänderte Ernährungsgewohnheiten (z.B. Außerhausverzehr, zunehmende Zahl kleiner Haushalte)
haben das Segment der Imbisse, Convenienceprodukte und Fertiggerichte auf 14,5 Prozent des gesamten Fleischproduktumsatzes
ansteigen lassen.
Die Milchwirtschaft hat aufgrund hoher Qualitätsstandards, hochwertiger Produktionstechnik und erfolgreicher
Produktinnovationen ein hervorragendes Ansehen bei den Konsumenten. Zum guten Image der Milchwirtschaft tragen
der hohe Bio-Anteil, die Frische der Produkte und die nachgewiesene regionale Herkunft bei. Zunehmend werden Produkte
mit differenzierten Eigenschaften wie Bio-Milchprodukte, Produkte mit gesundheitsfördernden Inhaltsstoffen
(functional drinks) oder Produkte ohne Einsatz von gentechnisch veränderten Organismen (GVO) in der Herstellung
verlangt. Produzenten und Verarbeiter nutzen diese neuen Konsumtrends als Chance und forcieren die Investitionen
in die technische Ausstattung. Dabei investieren die Unternehmen verstärkt in Innovationen bei Produkten,
Verfahren und Verpackungen. Auch hier sind die naturnahe, der Region verbundene Produktion und Verarbeitung, die
auf modernsten Managementsystemen in der Qualitätssicherung und auf Rückverfolgbarkeit aufbaut, Erfolg
versprechend.
Hohe Steigerungen beim Export in die neuen EU-Mitgliedsländer wurden im Jahr 2005 im Bereich Käse (plus
19,9 Prozent gegenüber dem Jahr 2004) erzielt. Es gibt aber auch Steigerungen bei Milch und Milchprodukten
(plus 111,5 Prozent gegenüber dem Jahr 2004). Deutschland und Italien bleiben aber mit über 70 Prozent
Exportanteil die dominierenden Absatzmärkte für österreichische Milchprodukte.
Die Getreideanbaufläche betrug im Jahr 2005 rund 601.900 Hektar und lag damit leicht höher als im Jahr
2004. Chancen entwickeln sich für die Braugerste und Malzproduktion. Wettbewerbsvorteile auf den EU-Märkten
ergeben sich aus dem kontrollierten Getreideanbau (ÖPUL) mit reduziertem Einsatz von Pflanzenschutzmitteln.
Gerade für kleine und mittlere Mühlen ist die Verarbeitung des in der Region angebauten Getreides eine
wichtige Einnahmequelle. 2004 konnte eine starke Steigerung der abgesetzten Produktion gegenüber 2003 bei
Grob– und Feingrieß beobachtet werden (plus 21 %). Bei allen anderen Erzeugnissen mit Ausnahme der Lebensmittelzubereitungen
(minus 17,6 %) wurden leichte Umsatzsteigerungen verzeichnet.
Bei Gemüse gab es insgesamt seit 1990 (78,8 kg/Kopf) eine Steigerung des Pro-Kopf-Konsums um 34,5 Prozent.
Dies zeigt den klaren Trend zu einer gesünderen Ernährung. Im Frischgemüsesegment liegen die Stärken
in der hohen Produktqualität und der starken Marktposition der heimischen Ware. Convenienceprodukte und Functional
Food haben im Verarbeitungsbereich ein gutes Marktpotenzial. Der steigende Gemüsekonsum lässt eine positive
Marktentwicklung erwarten.
Der Verbrauch von Frischobst steigt seit dem Jahr 1997 und hat eine Zunahme des jährlichen Pro-Kopf-Verbrauches
von 71,6 kg im Jahr 1997 auf 79,2 kg im Jahr 2004 erfahren. Frischobst zeichnet sich durch seine hohe Qualität
und starke Position am heimischen Markt aus. Gute Exporterfolge haben z.B. Äpfel aber auch verarbeitetes Obst
(Marmelade).
Die Anzahl der Weinbaubetriebe hat sich seit 1992 von 40.000 auf 32.000 verringert. Die Anbaufläche ist seit
1990 um 23,4 % stark zurückgegangen. Es ist aber zu einer enormen Qualitätssteigerung gekommen. Zu den
Erfolgen des österreichischen Weinbaus zählen die dank engagierter Weinbauern stark gestiegene Weinqualität
und eine zunehmende Anzahl von Produzenten mit gut ausgestatteter Weintechnologie. Der österreichische Wein
hat ein positives Image. Österreichischer Qualitätswein hat hervorragende Chancen auf den internationalen
Märkten, das muss durch gezieltes Marketing, wie etwa die stärkere Bewerbung Österreichs als Weinland,
unterstützt werden.
Einen erfolgreichen Weg der Weinvermarktung geht Österreich mit dem DAC-System. Es wurde 2003 für Weine
aus dem Weinviertel erstmal erfolgreich umgesetzt und hat sich bestens bewährt. Seit September 2006 ist das
Mittelburgenland, seit November 2006 das Traisental im DAC-System. DAC-Weine setzen auf Herkunftsbezeichnung mit
klarem Geschmacksprofil. Sie erleichtern den Konsumentinnen und Konsumenten dadurch die Kaufentscheidung und haben
sich international als erfolgreich erwiesen. Gefestigtes Selbstbewusstsein in den Weinbaugebieten, verstärkte
Zusammenarbeit zwischen Produktion und Handel sowie Bekenntnis zu gebietstypischen Weinen mit klarem Geschmacksprofil
sind Grundvoraussetzungen für national und international erfolgreiches Weinmarketing.
Im Bio-Bereich ist Österreich weiterhin Europameister, bei den Konsumenten liegt Bio weiterhin im Trend. 2004
gab es in Österreich 19.826 Biobetriebe, diese bewirtschafteten 344.916 Hektar landwirtschaftliche Fläche.
Die Erzeugung von biologischen Produkten nimmt in Österreich weiter zu. Dies ist auf die Zunahme der Bioflächen
auf 361.000 ha im Jahr 2005 zurückzuführen. Das ist ein Plus von 4,5 Prozent gegenüber 2004 und
insgesamt ein neuer Rekordwert von 15,1 Prozent Anteil an der landwirtschaftlich genutzten Fläche. Im Jahr
2005 gab es gegenüber 2004 wieder deutliche Steigerungen bei der Zahl der Biobetriebe (von 19.800 auf 20.310),
deren Anteil beträgt jetzt 12,9 Prozent.
Der Gesamtumsatz von Bioprodukten wird von Bio Austria auf 500 Millionen Euro geschätzt, davon werden 64 Prozent
mit dem Lebensmitteleinzelhandel abgewickelt. Hier muss das Vertrauen der Konsumentinnen und Konsumenten in Bioprodukte
weiter gefestigt und der Biosektor noch weiter ausbaut werden.
Lebensmittelherstellung: Hohe Qualität der Rohstoffe aus umweltgerechter Produktion
Die Erfolgsbasis der österreichischen Lebensmittelwirtschaft sind die hohe Qualität der Rohstoffe aus
umweltgerechter Produktion, gut ausgebildete Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und professionell geführte Marken.
Die Unternehmen der österreichischen Lebensmittelwirtschaft hatten seit dem Beitritt Österreichs zur
Europäischen Union die Umstellung auf die Marktbedingungen des gemeinsamen europäischen Marktes zu meistern.
Dies ist uns in einem sensationellen Ausmaß gelungen: Österreich hat in den letzten Jahren seine Position
in der Lebensmittelproduktion und im Lebensmittelhandel erfolgreich gefestigt. Österreich ist es gelungen,
die Außenhandelslücke zu schließen. Im Jahr 1995 betrug das Außenhandelsbilanzdefizit noch
1,35 Milliarden Euro. Im Jahr 2006 werden wir erstmals einen Überschuss in der Agrarhandelsbilanz erzielen.
Während die österreichischen Exporte aller Waren und Dienstleistungen von 1998 bis 2005 weltweit um 60
% gesteigert werden konnten, legten die weltweiten Exporte der Agrar- und Lebensmittelwirtschaft (Zollkapitel 1-24)
in diesem Zeitraum um 123,5 % zu. Die Steigerung der Exportquote höher verarbeiteter Produkte von 12 Prozent
im Jahr 1995 auf über 38 Prozent im Jahr 2005 unterstreicht eindrucksvoll die Erfolge bei der Belieferung
von Auslandsmärkten mit österreichischen Lebensmitteln und Getränken (Zollkapitel 16-24).
Agrarerzeugnisse, höher verarbeitete Lebensmittel und Getränke (Zollkapitel 1-24) wurden 2005 weltweit
um 6 Milliarden Euro exportiert. Das sind um 11,3 Prozent mehr als im Vorjahr. Die diesbezüglichen Importe
machen 6,2 Milliarden Euro aus. Der Großteil dieser Exporte - insgesamt 55,4 Prozent - wurde mit den Handelspartnern
Deutschland (31,7 Prozent), Italien (17 Prozent) und den USA (6,7 Prozent) abgewickelt. Die Exporte in die neuen
EU-Mitgliedsländer wurden mit einem Plus von 9,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahr bedeutend gesteigert und
betragen nun insgesamt 10,9 Prozent. Damit liegen die Exporte in die neuen EU-Mitgliedsländer bereits vor
den Exporten in die Vereinigten Staaten von Amerika.
Im ersten Halbjahr 2006 ist die Agrarhandelsbilanz (Zollkapitel 1-24) weltweit mit plus 182 Millionen Euro positiv,
für das gesamte Jahr 2006 wird eine positive Agrarhandelsbilanz von plus 50 Millionen Euro erwartet. Mit den
höher verarbeiteten Produkten (Zollkapitel 16-24) wurde von Jänner bis Juni 2006 ein noch deutlicheres
Handelsbilanzplus von 561 Millionen Euro erzielt, hier wird für das gesamte Jahr 2006 eine positive Handelbilanz
von 928 Millionen Euro erwartet. Die österreichischen Unternehmen werden damit bereits 2006 eine positive
Agrarhandelsbilanz erwirtschaften.
Lebensmittelhandel: Großhandel ist zusätzlich zum Einzelhandel bedeutender Markt für Direktvermarkter
Der Lebensmitteleinzelhandel erzielte 2005 einen Umsatz von 14,9 Milliarden Euro (2004: 14,66 Milliarden Euro)
inklusive den geschätzten Umsätzen der Diskonter Hofer und Lidl mit fast 2,9 Milliarden Euro. Das entspricht
einem nominellen Zuwachs von 1,6 Prozent. Der Lebensmitteleinzelhandel ist wertmäßig für über
85 Prozent des Lebensmittelvertriebes verantwortlich. Gestiegen sind die Verkäufe der Zustelldienste (plus
12,5 Prozent) der Vertrieb über Bioläden (plus 2 Prozent). Ein bedeutender Rückgang am Vertriebsanteil
ist bei gewerblichen Betrieben wie Obst- und Gemüseläden (minus 24,1 Prozent), Fleischhauereien (minus
23,9 Prozent) zu verzeichnen. Stark rückläufig sind auch die Verkaufszahlen von Ab-Hof-Verkauf (minus
24,1 Prozent) und Bauernmärkten (minus 25,6 Prozent). Es entwickeln sich hier aber neue Absatzformen: Ein
bedeutender Markt für Direktvermarkter und Lebensmittelproduzenten ist der Lebensmittelgroßhandel. Allein
die Gastronomie-Lieferanten setzen im Jahr 4,4 Milliarden Euro um. Insgesamt setzte der Lebensmittelgroßhandel
(Getränke und Lebensmittel inklusive Tabakwaren) 13,8 Milliarden Euro im Jahr 2003 um.
Regionalität von Lebensmitteln und Genuss sind entscheidende Zukunftsthemen
Mit der Initiative „Genuss Region Österreich“ und dem „Runden Tisch: Landwirtschaft und Tourismus“ werden
die kulinarischen Angebote der Agrar- und Lebensmittelwirtschaft auf die Wünsche der Konsumenten bzw. Touristen
abgestimmt. Mit rund 23 Prozent geben Touristen einen bedeutenden Teil ihres Urlaubsbudgets für Essen und
Getränke aus. Sie sind damit ein wesentlicher Faktor für die österreichischen Lebensmittelhersteller.
Aufgrund ihrer Nachfrage nach österreichischen Spezialitäten in ihren Heimatländern sind sie ein
wichtiger Schlüsselfaktor für erfolgreiches Exportmarketing. So sind Regionalität von Lebensmitteln
und Genuss entscheidende Zukunftsthemen im Bereich Lebensmittelwirtschaft und Tourismus.
Lebensmittelkosnum – Trends im Konsumverhalten
Den größten Anteil an Haushaltsausgaben hat laut Konsumerhebung 2004/05 der Bereich „Wohnen/Energie“
mit 22,3 Prozent, gefolgt von „Verkehr“ mit 16,1 Prozent und „Ernährung/alkoholfreie Getränke“ mit 12,8
Prozent. Gegenüber der Konsumerhebung 1999/2000 (13,2 Prozent) hat sich der Sektor „Ernährung/alkoholfreie
Getränke“ nur unwesentlich (minus 0,4 Prozent) verringert. Zum Vergleich: Für den Freizeitbereich wird
mit 12,6 Prozent der Haushaltsausgaben ähnlich viel ausgegeben.
Verändert haben sich die Konsumgewohnheiten. Laut Motivanalyse der RollAMA (2003) haben in den vergangenen
10 Jahren 54 Prozent der Befragten ihre Ernährungsgewohnheiten umgestellt: mehr Obst und Gemüse, mehr
Bedacht auf gesündere und fettärmere Ernährung, mehr Biolebensmittel, weniger Fleisch und weniger
Süßigkeiten.
Dennoch steigt aufgrund des Absinkens der Haushaltsdurchschnittsgröße, die Zunahme von Single-Haushalten
und veränderter Lebensgewohnheiten der Markt für Convenience-Produkte und Snacks sowie für das schnelle
Essen am Arbeitsplatz. Als Alternative zum Selberkochen steigt der Außer-Haus-Verzehr. Fleisch wird von rund
20 Prozent der jungen Frauen nicht mehr gegessen. Pizza, Pasta und Ethno-Küche ersetzen die traditionelle
österreichische Küche. Individualisierung und Sehnsucht nach Genuss mit gutem Gewissen sind die Herausforderungen,
denen die österreichische Agrar- und Lebensmittelwirtschaft in den nächsten Jahren begegnen muss. |