Keltischer Wein oder römische Rosinen?  

erstellt am
14. 12. 06

Sensationeller Fund im Weinviertel
Wien (boku) - Bei Ausgrabungen der Prähistorischen Abteilung des Naturhistorischen Museums Wien in der Keltenstadt Sandberg bei Roseldorf im westlichen Weinviertel ist Archäobotanikerinnen der Universität für Bodenkultur Wien ein sensationeller Fund gelungen: Ein verkohlter Weinkern, der eindeutig als Kulturwein anzusprechen ist!

Der Weinkern stammt aus dem Umfassungsgraben eines Heiligtums, in dem die tierischen, menschlichen und pflanzlichen Reste von Opfergaben deponiert wurden. "Die Frage ist nun" so Prof. Marianne Kohler-Schneider, Leiterin des Archäobotanik-Teams (am Department für Integrative Biologie) der BOKU Wien, "ob es sich bei dem Weinkern um einen Hinweis auf lokalen Weinbau im 3. Jhd. v. Chr. handelt oder ob im Heiligtum importierte Rosinen aus dem Mittelmeerraum als wertvolle Opfergabe dargebracht wurden". Beides wäre vorstellbar, meint die Forscherin. Wein wird in Ostösterreich möglicherweise seit der späten Bronzezeit kultiviert. Für den Import von Rosinen aus dem Süden gibt es aber auch schriftliche Hinweise: der römische Autor Plinius berichtet von keltischen Wanderhandwerkern, die aus Italien getrocknete Feigen und Weintrauben in ihre mitteleuropäische Heimat gebracht haben. Dies soll der Sage nach die Kelten zu ihren Überfällen auf Rom angeregt haben.

Wie immer der keltische Weinkern-Fund aus dem Weinviertel zu deuten sein mag - er ist ein Beleg für das reichhaltige pflanzliche Nahrungsspektrum unserer Vorfahren. DI Anita Caneppele vom BOKU-Archäobotanik-Team konnte auf dem Sandberg bei Roseldorf auch eine Fülle von Getreidearten, Hülsenfrüchten und Ölpflanzen nachweisen. *Die keltischen Siedler haben Dinkel, Einkorn, Gerste, Hirse und Roggen angebaut; außerdem Erbse, Linse, Leindotter und Mohn“, weiß Anita Caneppele.

Ob am Sandberg auch schon Weinbau betrieben wurde, kann erst gesagt werden, wenn auch in den Wohnhäusern der Siedlung Weinkern-Funde gelingen. Ideal wären weiters Nachweise von Rebmessern oder Weinsteinresten an Gefäßwänden. Einstweilen liegt nur ein Weinkernfund aus dem besonderen Umfeld des Heiligtums vor, der auf eine privilegierte Stellung des Weins oder der Rosinen als Luxusgut hinweist.

"Die Siedlung auf dem Sandberg bei Roseldorf gehört zu den bedeutendsten keltischen Fundplätzen Österreichs," sagt die Ausgrabungsleiterin Dr. Veronika Holzer von der Prähistorische Abteilung des Naturhistorischen Museums Wien. "Das Siedlungsareal ist über 20 ha groß, hat stadtartigen Charakter und ist besonders reich an Funden. Das Heiligtum, das wir hier entdeckt haben und aus dem der Weinkern stammt, ist mit den bekannten, bereits gut untersuchten Beispielen aus Frankreich vergleichbar und stellt den einzigen Nachweis einer derartigen Anlage in Österreich dar".

Der ausgezeichnete Erhaltungszustand der archäologischen und archäobotanischen Objekte auf dem Sandberg lässt für die nächsten Jahre auf weitere sensationelle Funde hoffen, sind sich die Forscherinnen einig.
 
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