739. Sitzung des Bundesrats
Wien (pk) – Sechs Punkte nur umfasste die 739. Sitzung des Bundesrats – ein Reflex der infolge der
Nationalratswahl vom 1. Oktober und der fortdauernden Bemühungen um die Bildung einer neuen Bundesregierung
reduzierten Gesetzgebung der 1. Kammer des Parlaments. Die Länderkammer nutzte die Sitzung für eine ausführliche
Debatte über den Bericht der Volksanwaltsanwaltschaft und den Außenpolitischen Bericht. Zu Beginn der
Sitzung nahm der Vorsitz führende Präsident des Bundesrats Gottfried Kneifel die Angelobung der neuen
BundesrätInnen Franz Breiner (G), Mag. Barbara Eibinger (V), Monika Mühlwerth (oF) und Martin Preineder
(V) vor. Den vier Grünen BundesrätInnen wurde einhellig Fraktionsstatus zuerkannt.
Kein Einspruch gegen die Besoldungs-Novelle 2007
Einhellig unbeeinsprucht blieb der Beschluss des Nationalrats über die Besoldungs-Novelle 2007, mit der die
Gehälter der Beamten mit 1. Jänner kommenden Jahres um 2,35 % erhöht werden. Bundesrat GIEFING (S)
wertete den Abschluss als angemessen und fair und begrüßte die Bereitschaft von Ländern und Gemeinden,
den Abschluss für ihre Bediensteten zu übernehmen. Der Redner forderte darüber hinaus die Einbeziehung
von Gemeinden mit weniger als 20.000 Einwohnern in den Geltungsbereich des Bezüge-Begrenzungsgesetzes.
Bundesrat MAYER (V) wertete den Gehaltsabschluss im öffentlichen Dienst ebenfalls als fair und gerecht. Der
öffentliche Dienst nehme immer deutlicher den Charakter eines Dienstleistungsbetriebs an. Mayer trat in diesem
Zusammenhang für die Verstärkung der Tendenz in Richtung eines modernen Gehaltssystems im öffentlichen
Dienst ein, mit einer Umverteilung der Lebensverdienstsumme in die früheren Jahre, und verwies dabei auf Regelungen
in seinem Bundesland Vorarlberg. Eine Absage erteilte der Redner der im Zuge der Koalitionsverhandlungen ventilierten
Solidarabgabe auf hohe Pensionen. Mayer bezeichnete sie als für Beamte in höchstem Maß ungerechte
"Pensions-Strafsteuer". Die Beamten hätten in den letzten Jahren ihren Beitrag geleistet, betonte
Mayer, und sollten nicht erneut "zur Kassa gebeten werden".
Es sei dem Gehaltsabschluss der Beamten zu danken, dass der Bundesrat überhaupt zusammengekommen sei, eröffnete
Bundesrat SCHENNACH (G) seine Wortmeldung. Zum Thema Solidarbeitrag meinte Schennach, in den letzten Jahren seien
die ASVG-Pensionisten gnadenlos zur Kassa gebeten worden, während man jetzt bei einem Solidarbeitrag für
höchste Pensionen "Krokodilstränen" weine.Er vermisste beim Gehaltsabschluss "politische
Akzente", etwa im Sinn einer Anhebung bei kleinen und einer Abflachung bei den hohen Bezügen, und vermerkte,
der Gehaltsabschluss im öffentlichen Dienst sei seit dem Jahr 2000 nur zwei Mal – 2003 und 2006 – über
der Inflationsrate gelegen.
Finanz-Staatssekretär FINZ nannte den Gehaltsabschluss gut und ausgewogen; gegen die soziale Staffelung bei
der Erhöhung der Bezüge hätten vor allem die Länder Bedenken geäußert, weil sie
dadurch stärker belastet worden wären. Bezüglich einer Neuverteilung des Lebenseinkommens von Beamten
bestünde in den Koalitionsverhandlungen Übereinstimmung; die Umsetzung wäre Aufgabe der neuen Regierung.
Der Bundesrat erhob gegen die Novelle einhellig keinen Einspruch.
Bericht der Volksanwaltschaft 2005 einstimmig zur Kenntnis genommen
Vor Eintritt in die Debatte über den Bericht der Volksanwaltschaft begrüßte Präsident Kneifel
eine Delegation der Ombudsman-Einrichtung von Usbekistan, die den Beratungen der Länderkammer mit großem
Interesse beiwohnte.
"Brauchen wir überhaupt eine Volksanwaltschaft?" Mit dieser Frage eröffnete Bundesrat PREINER
(S) seine Rede, um dann sowohl den Bericht wie die Tätigkeit der Volksanwaltschaft zu rühmen. Sie sei
eine Einrichtung, die bei der Bevölkerung bekannt und beliebt sei. Er zitierte Daten und Zahlen aus dem Bericht,
erinnerte an die rund 430.000 Seher der Volksanwalt-Sendung im Fernsehen, begrüßte den erstmals im Bericht
enthaltenen Grundrechts-Teil und ging dann auf einzelne Beispiele ein, darunter auf die Erledigung eines Asylantrags,
der 23 Jahre gedauert habe.
Auch Bundesrat MAYER (V) lobte den Bericht wie die Tätigkeit der Volksanwaltschaft. Es sei zu hoffen, dass
die Volksanwalt-Sendung einen besseren Sendeplatz bekommen werde. Auch Mayer ging auf einzelne in dem Bericht dargestellte
Fälle ein und forderte die Einrichtung eines unabhängigen Asyl-Gerichtshofs.
Die Frage, ob wir in Österreich eine Volksanwaltschaft brauchten, stelle heute niemand mehr, meinte Bundesrat
SCHENNACH (G) eingangs seiner Rede. Der Grundrechtsteil des Berichts der Volksanwaltschaft ermögliche proaktives
Handeln, unterstrich der Mandatar, und unterscheide sich darin von den Einzelfällen, die nur reatives Handeln
zuließen. Auch Schennach ging auf einzelne Themen ein, darunter die Verweigerung von Einsichtnahme in Prüfungsunterlagen,
die "Selbstherrlichkeit" von Amtsärzten und die extrem lange Dauer von Asylverfahren. Die Hilfe
für Verbrechensopfer sei "schändlich" und müsse "auf einen vertretbaren Sockel"
gestellt werden.
Bundesrätin MÜHLWERTH (oF) begrüßte es, dass die Volksanwaltschaft auch dort prüfen könne,
wo der Rechnungshof keine Kompetenzen hat. Die Gesetze seien für den einzelnen oft unüberschaubar und
unverständlich, sagte Mühlwerth und beklagte den Behördendschungel. In Bezug auf die im Bericht
aufgelisteten Fälle bedauerte sie es außerordentlich, dass taube und schwer hörgeschädigte
Menschen, das seien über 20.000 Personen, im Programm des ORF nicht berücksichtigt werden. Dies entspreche
nicht dem Art. 7 unseres Bundes-Verfassungsgesetztes, sagte sie. Auch sollten ihrer Auffassung nach Schwerkranke,
die die Invaliditäts- oder Berufsunfähigkeitsperson beziehen, nicht als BittstellerInnen behandelt werden.
Abschließend äußerte Mühlwerth die Bitte, die Anregungen der Volksanwaltschaft zu berücksichtigen
und auch umzusetzen.
Bundesrat SCHIMBÖCK (S) unterstrich die sozialpolitische Komponente im Aufgabenbereich der Volksanwaltschaft.
Er kritisierte die für ihn noch immer unzureichende Regelung des Verbrechensopferschutzes sowie die Ausgliederung
staatlicher Institutionen, insbesondere jene, die die Bevölkerung mit Infrastruktur versorgen. Damit schaffe
man einen schutzfreien Raum, bemerkte er und forderte, den Aktionsradius der Volksanwaltschaft auf diese ausgegliederten
Bereiche auszudehnen. Schimböck thematisierte am Ende seines Debattenbeitrags auch die Struktur der Volksanwaltschaft,
da die Bundesvolksanwaltschaft nur sieben Bundesländer umfasst und Tirol und Vorarlberg eigene Volksanwaltschaften
eingerichtet haben. Der Redner sah darin ein Manko für die Rechtssicherheit der BürgerInnen in allen
Bundesländern.
Bundesrätin KERSCHBAUM (G) konzentrierte sich auf umwelt- und verkehrspolitische Fragen. Vor allem seien im
Umweltbereich die Auswirkungen von Rechtsverletzungen erst spät bemerkbar, merkte sie an. Sie bemängelte
die unzureichenden Regelungen für Trinkwasserschutzgebiete II und kritisierte, dass landwirtschaftliche Betriebe
in vielen Bereichen anders behandelt werden als Gewerbebetriebe, obwohl die Landwirtschaft die Umwelt oft in viel
stärkerem Ausmaß beeinträchtige. Kerschbaum stellte auch ein viel zu gering ausgeprägtes Umweltbewusstsein
fest, da Umweltgesetze oft als Schikane gesehen würden. Unter Hinweis auf konkrete Fälle, die an die
Volksanwaltschaft herangetragen worden waren, prangerte sie Behördenwillkür bei befristeten Führerscheinen
an und forderte eine Neuregelung der Kinderbeförderung in Omnibussen. Derzeit stehe dabei die wirtschaftliche
Seite vor dem Schutzbedürfnis der Kinder. Die Vignette hält Kerschbaum insgesamt für unfair, weil
sie eine Gebühr unabhängig von den gefahrenen Kilometern darstellt. Kerschbaum bedauerte es auch, dass
es keinen Rechtsanspruch auf Lärmschutz gibt.
Bundesrat WEISS (V) knüpfte an die abschließenden Bemerkungen von Bundesrat Schimböck an, der die
Ländervolksanwaltschaften in Frage gestellt hatte. Es sei kurios, so Weiss, dass dies ausgerechnet in der
Länderkammer des Parlaments hinterfragt wird. Weiss verteidigte die Ländervolksanwaltschaften und ging
näher auf die Situation in Vorarlberg ein. Dort bestehe keineswegs ein Kontrollnotstand, hielt er fest, vielmehr
verfüge der Volksanwalt über eine vergleichbare Unabhängigkeit wie im Bund. Der Zugang der BürgerInnen
zum Recht werde durch den Landesvolksanwalt leichter gemacht, weil es einfacher sei, sich an ihn zu wenden als
den Kontakt nach Wien zu suchen. Die Berichte würden im Landtag ausführlich diskutiert und seien ein
scharfes Kontrollinstrument. Es würde dadurch eine wesentlich stärkere Wirkung und Kontrolle erzielt,
bekräftigte Weiss, der jedoch auch die gute Zusammenarbeit mit der Volksanwaltschaft des Bundes unterstrich.
Volksanwältin BAUER bestätigte die gute Zusammenarbeit mit den Ländervolksanwaltschaften. Sie ging
dann auf einige statistische Daten näher ein. Von den rund 16.000 Eingaben seien im Jahr 2005 circa 11.000
in die Zuständigkeit der Volksanwaltschaft gefallen. Bauer begrüßte die steigende Anzahl der NutzerInnen
der Homepage, die 2005 189.000 erreichte. 12.000 Zugriffe habe es hinsichtlich der Sprechtage gegeben, woraus das
große Bedürfnis nach einer persönlichen Aussprache zu ersehen sei. Die 260 Sprechtage der VolksanwältInnen
bewertete sie als eine gewaltige Anstrengung, die sich jedoch lohne. An die 8.000 Personen hätten auch auf
die Tätigkeitsberichte im Internet zugegriffen, berichtete Bauer und zeigte sich dankbar für die Sendung
im ORF, wo hautnah über Probleme gesprochen werde. Bauer griff auch das Thema Ausgliederungen auf und übte
Kritik daran, dass dadurch nach derzeitiger Gesetzeslage das Recht der BürgerInnen begrenzt werde, Beschwerden
einzubringen. Sie hoffe daher auf die Verhandlungen über eine Verfassungsreform, die dem Wunsch der Volksanwaltschaft
über Weiterentwicklung ihrer Rechte Rechnung tragen.
Volksanwalt Dr. KOSTELKA teilte diese Einschätzung in Bezug auf die Landesvolksanwaltschaften, mit denen man
in intensiver Kooperation stehe. Während er die Regelung in Vorarlberg, wo es einen eigenen Volksanwaltschaftsausschuss
gibt, ausdrücklich begrüßte, übte er Kritik an der Konstruktion in Tirol. Dort habe der Volksanwalt
nicht das Recht der Missstandsfeststellung, er könne keine Empfehlungen geben und verfüge auch nicht
über ein Verordnungsanfechtungsrecht, sagte Kostelka. In weiterer Folge sprach Kostelka die Versicherungspflicht
und die Haftung der Ärzteschaft an und äußerte Kritik an der Ärztekammer, die der nunmehrigen
gesetzlichen Regelung nicht zugestimmt hatte. Er forderte auch eine Novellierung des Verbrechensopfergesetzes ein,
vor allem was die Frage des Schmerzengeldes betrifft. Zu den Ausgliederungen stellte er klar, dass die Volksanwaltschaft
nicht Unternehmen prüfen wolle, die privat tätig seien, sondern nur jene, die mit öffentlichem Geld
öffentliche Aufgaben wahrnehmen, wie öffentliche Krankenanstalten oder Verkehrsverbünde. Kostelka
schloss sich auch der Kritik an der Regelung für Schülertransporte mit Omnibussen an, die er "unerträglich"
nannte.
Volksanwalt Mag. KABAS ging zunächst auf den Lärmschutz ein, der zeige, wo die Volksanwaltschaft ihre
Grenzen habe. Sie könne weder die ASFINAG prüfen noch selbst Messungen vornehmen. Gleichzeitig müsse
sie aber auch Misstrauen gegenüber Auskünften von Behörden haben und diese immer wieder hinterfragen.
Als eine wichtige Frage des Rechtsstaates bezeichnete Kabas die Verfahrensdauer, denn überlange Verfahren
stellten eine Art der Rechtsverweigerung dar. Im Hinblick auf die Forderung, einen eigenen Asylgerichtshof einzurichten,
machte er darauf aufmerksam, dass damit allein die lange Verfahrensdauer nicht gelöst werden könne. Dazu
bedürfe es einer entscheidenden Personalaufstockung auch beim Bundesasylsenat, sagte Kabas, und es sei auch
nicht klar, ob es dadurch zu einer Entlastung des Verwaltungsgerichtshofs kommen wird. Jedenfalls sei die Diskussion
ein positiver Schritt, denn bekomme man die überlange Verfahrendauer in den Griff, wären damit auch Kosteneinsparungen
verbunden.
Bundesrat WIESENEGG (S) meldete sich zu Wort, um die Regelung in Tirol zu verteidigen. Hier sei man sehr bürgernah,
da bei den Sprechtagen neben dem Volksanwalt auch der Bürgermeister anwesend ist.
Bei der Abstimmung wurde der Bericht der Volksanwaltschaft einstimmig zur Kenntnis genommen.
Kein Einspruch gegen das 2. Sozialrechts-Änderungsgesetz
Bundesrat Mag. Klug (S) unterstützte mit Nachdruck den Beschluss der Pensionserhöhungen als größten
sozialpolitischen Durchbruch seit der Einführung des Pflegegeldes und meinte, damit ende eine seit 2000 anhaltende
Trockenperiode für die Pensionisten. Ein besonderes Augenmerk sei dabei auf die niedrigen Pensionen gelegt
worden. So würden 80 % der Pensionisten eine Erhöhung um 1,9 % bekommen, bei Pensionen unter 1 000 €
betrage die Erhöhung sogar über 2 %. Klug erwartete sich von der Pensionserhöhung 2007 aber auch
eine Stärkung der Inlandsnachfrage.
Bundesrätin Diesner-Wais (V) sprach von einem guten Paket, das eine gerechte Balance zwischen den Generationen
herstellt. Rückblickend betonte sie, die Pensionssicherungsreform sei ein richtiger Schritt zur richtigen
Zeit gewesen, habe sie doch die Voraussetzung geschaffen, dass auch unsere Kinder einmal eine Pension bekommen
können, sagte die Rednerin.
Bundesrätin Konrad (G) widersprach ihrer Vorrednerin und warf ein, gerade die Jüngeren seien heute überzeugt,
dass sie einmal keine Pension mehr im gegenwärtigen Ausmaß erhalten werden Die Zustimmung der Grünen
begründete Konrad mit dem Argument, ihre Fraktion wolle verhindern, dass die Pensionisten durch einen Einspruch
des Bundesrates um ihre Erhöhungen "umfallen". Sie blieb aber bei ihrer Kritik, wonach die Erhöhung
unzureichend sei und die tatsächlichen Preissteigerungen sowie die Einbussen der letzten Jahre nicht abdecken
könne.
Bundesrat Saller (V) erkannte in der sozialen Staffelung der Erhöhung besondere sozialpolitische Aspekte.
Mit Nachdruck wandte er sich gegen Bestrebungen, höhere Pensionen mit einem Solidarbeitrag zu belasten, wobei
er vor einem Eingriff in das Vertrauen der älteren Generation warnte und ein Ende der Umverteilungsdebatte
forderte. Sallers Meinung nach sollten bei jeder Diskussion über die Pensionen die Seniorenverbände eingebunden
werden.
Bundesrat Wolfinger (V) begrüßte den Beschluss als sozial ausgewogen und unterstrich vor allem die Erhöhung
der kleineren Pensionen und die Anhebung der Ausgleichszulagen. Forderungen nach einem Solidarbeitrag für
die Bezieher höherer Pensionen wies auch Wolfinger dezidiert zurück. Anliegen des VP-Bundesrates für
die Zukunft waren unter anderem die Valorisierung des Pflegegeldes gemeinsam mit den Pensionserhöhungen sowie
die Anrechung der Pflegezeiten.
Bundesrätin Kerschbaum (G) untermauerte den Einwand ihrer Fraktion, wonach die Erhöhung der Pensionen
zu gering ausgefallen sei.
Staatssekretär Dolinschek bekannte sich zum System des Umlageverfahrens, bedauerte aber, dass die Länder
bei der Pensionsharmonisierung nicht mitgewirkt haben. Zur Pensionserhöhung stellte er fest, durch die Staffelung
komme man bei den niedrigen Pensionen auf die 1,9 % des Pensionistenpreisindex. Wichtig sei es, dass das System
nachhaltig gesichert werde, damit die heute 30jährigen auch auf eine staatliche Vorsorge vertrauen können.
Gegen den Beschluss wurde mehrheitlich kein Einspruch erhoben. |
Pflege-Übergangsgesetz: Kein Einspruch
Bundesrätin Konrad (G) kritisierte, bei der vorliegenden Übergangsregelung würden pauschal zu viele,
insbesondere arbeitnehmerschutzrechtliche Bestimmungen ohne Notwendigkeit außer Kraft gesetzt. Eine Amnestie
für Beschäftigungsverhältnisse vor dem 1.November mache zwar Sinn, die Probleme werden sich aber
nur durch langfristige Lösungen, etwa den Ausbau der ambulanten Pflege, beseitigen lassen, glaubte Konrad.
Bundesrat Sodl (S) sprach von einer Notlösung, zumal Gefahr im Verzug vorliege. Diese Übergangsregelung
könne und dürfe aber in keiner Form eine Dauerlösung sein. Er appellierte an die Parteien; möglichst
rasch eine Gesamtlösung zu finden. Diese habe auf die Bedürfnisse der Pflegebedürftigen Rücksicht
zu nehmen, aber auch Vorsorge gegen Lohndumping zu treffen, betonte Sodl.
Bundesrätin ROTH-HALVAX (V) betonte, das vorliegende Gesetz sei eine Übergangslösung bis zur Schaffung
eines neuen Pflegesystems und in diesem Sinn auch zeitlich limitiert. Es diene der Entkriminalisierung von illegalen
Pflegekräften im privaten Bereich.
Generell unterstrich Roth-Halvax, Seniorinnen und Senioren müsse ein Altern in Würde ermöglicht
werden. Ihr zufolge beziehen derzeit 400.000 Personen Pflegegeld, wobei 80 % der Betreuungsleistung von Familienangehörigen,
vor allem von Frauen, geleistet werde. Für Roth-Halvax ist es daher wichtig, dass nicht nur Pflegebedürftige
Unterstützung und Hilfe erhalten, sondern auch deren Angehörige. Pflege sei physisch und psychisch sehr
belastend, bekräftigte sie und wies darauf hin, dass bereits zahlreiche Maßnahmen zugunsten von Angehörigen,
etwa die Einführung der Familienhospizkarenz, gesetzt worden seien.
Bundesrat MITTERER (oF) wandte sich gegen die vorliegenden gesetzlichen Bestimmungen. Ein weit reichendes Pflegeübergangsgesetz
wäre zwar eine "logische Abrundung" der von der Bundesregierung in den letzten Jahren im Pflegebereich
gesetzten Schritte gewesen, meinte er, das vorliegende Gesetz greife aber zu kurz. Es ist seiner Ansicht nach nicht
geeignet, Probleme zu lösen, sondern schaffe vielmehr neue Probleme. Illegale zu legalisieren sei der falsche
Ansatz. Mitterer forderte u.a. die Einrichtung eines Fonds, aus dem Betroffene finanzielle Unterstützung erhalten,
sowie eine Valorisierung des Pflegegeldes.
Bundesrätin BLATNIK (S) unterstrich, das vorliegende Gesetz sei ein Übergangsgesetz, "eine Notlösung",
die Pflegebedürftigen und deren Angehörigen zu Gute komme. Eine seriöse Pflegepolitik stelle sich
die SPÖ anders vor, sagte sie und äußerte die Hoffnung, dass die Zeit bis zum 1. Juli 2007 genützt
wird, um zu einer Gesamtlösung zu kommen.
Die SPÖ tritt Blatnik zufolge u.a. für einen flächendeckenden Ausbau mobiler Dienste, einen Ausbau
von Tageszentren und von Wochenendpflege, für einen Ausbau betreuter Wohnformen, für eine bessere Unterstützung
und Absicherung pflegender Angehöriger, für eine Aufwertung der Beschäftigung im Pflegebereich,
für die Schaffung von Anreizen für ehrenamtliche Betreuungsdienste und für eine regelmäßige
Valorisierung des Pflegegeldes ein. Pflegebedürftige müssten Zugang zu Pflegediensten haben, deren Qualität
laufend kontrolliert werde, erklärte sie.
Bundesrätin KERSCHBAUM (G) gab zu bedenken, dass durch die vorgesehene Übergangsregelung aufgrund der
verpflichtenden sozialversicherungsrechtlichen Anmeldung Mehrkosten für die Betroffenen um 30 % entstünden.
Zudem zeigte sie kein Verständnis dafür, dass während der Übergangsphase keinerlei Vorschriften
betreffend die Unterbringung der Pflegekräfte gelten würden. Kerschbaum hofft, wie sie sagte, auf eine
intensive Pflegedebatte, bezweifelte aber, dass die bestehenden Probleme bis zum Juli 2007 tatsächlich umfassend
gelöst werden könnten.
Bundesrätin MÜHLWERTH (oF) hielt fest, man hätte bereits vor 15 Jahren ein umfassendes Pflegegesetz
erarbeiten müssen. Die SPÖ sei hier ebenso säumig gewesen wie die derzeitige Regierung. Erst im
Wahlkampf sei das Thema "entdeckt" worden.
Mühlwerth zufolge ist man sich darin einig, dass die zu pflegenden Personen möglichst lange zu Hause
betreut werden und nicht ins Pflegeheim "abgeschoben" werden sollen. Das Pflegegeld müsse so gestaltet
sein, dass legale Pflege leistbar sei, betonte sie. In der Vergangenheit sei das nicht der Fall gewesen, deshalb
hätten viele auf illegale Pflegekräfte zurückgegriffen.
In einer zweiten Wortmeldung stellte Bundesrätin BLATNIK (S) in Richtung ihrer Vorrednerin klar, dass eine
slowenische Zusammenfassung ihrer Reden von der Präsidiale des Bundesrats genehmigt sei.
Bundesrat SCHENNACH (G) kritisierte, die Regierung habe sechs Jahre nicht erkannt, dass es in Österreich einen
"Pflegenotstand" gebe. Er könne alle Forderungen von Bundesrätin Blatnik unterschreiben, konstatierte
er, man müsse sich aber klar darüber sein, dass die Umsetzung etwas koste und dass man dafür Menschen
brauche. Pflegekräfte leisten, so Schennach, physische und psychische Schwerarbeit, eine Durchlässigkeit
zu anderen Berufen sei deshalb unumgänglich.
Bundesrätin ROTH-HALVAX (V) widersprach in einer zweiten Wortmeldung der Aussage Schennachs, beim vorliegenden
Gesetz handle es sich um "ein Gesetz mit Augenzwinkern", und bekräftigte erneut, es sei nur eine
Notlösung. Sie zeigte sich überzeugt, dass miteinander eine gute Lösung gefunden werden könne.
Sozialstaatssekretär DOLINSCHEK hielt fest, die Regierung sei in den letzten Jahren nicht untätig gewesen.
Das Sozialministerium habe zahlreiche Enqueten zum Pflegebereich veranstaltet, skizzierte er, das mediale Interesse
sei aber erst nach dem Anstoß der Pflegedebatte im Sommer gestiegen.
Zum vorliegenden Gesetz merkte Dolinschek an, es sei sicher nicht "das Gelbe vom Ei", aber eine notwendige
Übergangslösung. Bis zum Juli nächsten Jahres werde eine bundeseinheitliche Lösung angestrebt.
Dolinschek sprach sich dafür aus, Personen mit erlerntem Pflegeberuf zu ermöglichen, mobile Hausbetreuung
selbständig anzubieten.
Der Bundesrat erhob mit S-V-Mehrheit keinen Einspruch gegen das vorliegende Gesetz.
Außenpolitischer Bericht 2005 einhellig zur Kenntnis genommen
Bundesrat KONECNY (S) führte aus, der Außenpolitische Bericht sei eine gute Gelegenheit, um über
die österreichische Außenpolitik und aktuelle internationale Fragen zu diskutieren. Den Bericht selbst
lobte er grundsätzlich, kritisierte allerdings, dass die Visa-Affäre nicht einmal erwähnt werde.
Das, was geschehen sei, sei für das Ansehen der Republik und die österreichischen diplomatischen Vertretungen
"problematisch genug", sagte er.
Konecny sprach sich für eine "vernünftige", nicht zu strikte Visa-Politik Österreichs
in Bezug auf die Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawien aus, um ein Abkapseln dieser Länder zu verhindern
und dem Nationalismus entgegenzutreten. In den Ländern gebe es eine junge Generation, die sich durch mangelnde
Reisefreiheit in ihren Lebensmöglichkeiten eingeschränkt fühle, warnte er.
Zur Zukunft der EU sagte Konecny, der Integrationsprozess müsse wieder in Gang gesetzt werden. Er habe zwar
Zweifel, dass der Verfassungsvertrag nochmals zum Leben erweckt werden könne, meinte er, die inhaltlichen
Fragen müssten aber weiter debattiert werden. In diesem Zusammenhang erinnerte Konecny daran, dass die Staats-
und Regierungschefs aller 25 EU-Länder den Verfassungsvertrag unterschrieben hätten.
Ausführlich ging Konecny auf die Situation im "erweiterten Nahen Osten" ein. Bruno Kreisky habe
immer vor einem Zusammenwachsen verschiedener Konfliktherde in diesem Raum gewarnt, unterstrich er. Genau in dieser
Situation sei man aber heute.
Die Irak-Politik der USA sieht Konecny als "völlig gescheitert". Das politische Engagement ist ihm
zufolge heute kaum weniger riskant als zu Zeiten des "blutigen Diktators" Saddam Hussein, das zivile
Leben aber um einiges gefährlicher. Zum israelisch-palästinensischen Konflikt merkte Konecny an, beide
Völker hätten das Anrecht auf einen Staat, in dem sie in Frieden und Sicherheit leben können. Der
Palästinenser-Staat dürfe nicht zerstückelt und von Mauern eingegrenzt werden.
Bundesrat AGER (V) verwies auf die erfolgreiche Plattform "Europa hört zu", mit der es gelungen
sei, Europa dem Bürger verständlicher zu machen. Hinsichtlich der Europapolitik sei es unabdingbar, dass
alle Parteien konstruktiv zusammenarbeiteten, und der hervorragend gemachte Bericht sei ein wichtiger Leitfaden
für alle auf diesem Gebiet Tätigen.
Sodann sprach Ager konkrete Fragen der Außenpolitik an, so die Beitrittsambitionen Kroatiens und der Türkei.
Zudem setzte sich Ager mit dem Thema Südtirol auseinander. Schließlich kam Ager auf die EU-Ratspräsidentschaft
Österreichs zu sprechen, die sich als großer Erfolg erwiesen und Österreich viel Achtung gebracht
habe.
Bundesrat SCHENNACH (G) würdigte gleichfalls den "Außenpolitischen Bericht", der mittlerweile
zu einem Fixum für alle in der Außenpolitik Tätigen geworden sei. Konkret ging der Redner sodann
auf die Entwicklungszusammenarbeit ein und wies in diesem Zusammenhang auf die besondere Problemlage von Frauen
und Kindern in Entwicklungsländern hin.
Kritik übte der Redner an der österreichischen Haltung gegenüber der Türkei. Die "Politik
der kalten Schulter" sei falsch, die Türkei sei für Europa von besonderem Interesse, und keinesfalls
dürfe man verkennen, welche enorme strategische und politische Bedeutung die Türkei habe. Europa dürfe
diesen Staat daher nicht "verhöhnen", meinte Schennach, der in diesem Zusammenhang von einer historischen
Chance sprach, die sich Europa nicht verbauen dürfe.
Der Mandatar kam sodann noch auf den so genannten Visa-Skandal zu sprechen und setzte sich mit den diesbezüglichen
Entwicklungen auseinander. Es gelte, Missbrauch bestmöglich hintanzuhalten, ohne neue Barrieren zu errichten,
meinte der Redner. Zudem bräuchten die Bürger in den betroffenen Staaten eine konkrete Perspektive, monierte
der Bundesrat, der auch konstruktive Lösungen für die gegenständlichen Balkanstaaten einmahnte.
Südosteuropa müsse in das gemeinsame Haus Europa heimgeholt werden, meinte er.
Bundesrat EINWALLNER (S) ging zunächst auf das Seebeben in Südostasien ein und bedankte sich bei den
Österreicherinnen und Österreichern für ihre Hilfsbereitschaft. Dadurch seien viele Hilfsprojekte
möglich geworden, doch werde diese Region auch weiterhin Unterstützung und Hilfe brauchen, unterstrich
der Redner, der sich zudem mit der Problematik einer europäischen Verfassung, die seines Erachtens unabdingbar
sei, auseinandersetzte. Solange es keine Verfassung gebe, mache es auch wenig Sinn, eine Erweiterung der EU voranzutreiben,
erklärte Einwallner, der sich sodann auch zur Entwicklungszusammenarbeit äußerte. Die diesbezügliche
Politik müsse jenen Stellenwert haben, der ihr zustehe, so der Redner.
Bundesrat KRITZINGER (V) sprach zum Thema Südtirol. Diese Region brauche Österreich, und er, Kritzinger,
sei froh, dass sich die heimische Außenpolitik dieses Themas so engagiert annehme.
Bundesrätin MOSBACHER (S) thematisierte den so genannten Visa-Skandal und ging auf diesbezügliche Details
ein, ehe sie sich auch mit Aspekten der Entwicklungszusammenarbeit auseinandersetzte.
Bundesrat Dr. KÜHNEL (V) ging auf die Entwicklung auf dem Balkan unter besonderer Berücksichtigung militärischer
Aspekte ein. Auch die Frage der europäischen Verfassung und die Zukunft der Beitrittsverhandlungen mit der
Türkei waren Gegenstand seiner Ausführungen, wobei er darauf verwies, dass die Türkei eben nicht
jene Verpflichtungen erfüllt habe, die sie vertraglich zugesichert habe, weshalb die Haltung der EU nur konsequent
und folgerichtig sei. Schließlich setzte sich der Redner mit Aspekten des Völkerrechts auseinander.
Staatssekretär Dr. WINKLER skizzierte die Hauptlinien der österreichischen Außenpolitik und bedankte
sich für das dem Bericht entgegengebrachte Lob. Sodann ging er auf die in der Debatte aufgeworfenen Fragen
ein.
Der Bericht wurde vom Bundesrat einhellig zur Kenntnis genommen.
Wahl in Funktionen im ersten Halbjahr 2007
Bundesrat Jürgen Weiss (V) und Bundesrätin Anna Elisabeth Haselbach (S) wurden zu Vizepräsidenten
des Bundesrates für das 1. Halbjahr 2007 gewählt. Im selben Zeitraum sollen die Bundesräte Neuwirth,
Winter (beide S), Roth-Halvax und Saller (beide V) als Schriftführer und die Bundesräte Boden (S), Dr.
Kühnel (V) und Konrad (G) als Ordner fungieren. |