Neujahrsansprache des Bundespräsidenten  

erstellt am
08. 01. 07

vor dem Diplomatischen Corps im Zeremoniensaal der Wiener Hofburg

Hochwürdigster Herr Apostolischer Nuntius,
Exzellenzen,
Frau Bundesministerin,
meine Damen und Herren!

Ich danke Ihnen, hochwürdigster Herr Apostolischer Nuntius, sehr herzlich für Ihre anerkennenden Worte und für die guten Wünsche, die Sie im eigenen Namen und im Namen des Diplomatischen Corps an das österreichische Volk, an seine staatlichen Institutionen und deren Repräsentanten gerichtet haben. Ich wünsche in gleicher Weise auch Ihnen allen und den hier vertretenen Ländern ein gutes und friedliches Jahr 2007.

Gerne erinnere ich mich, hochwürdigster Herr Apostolischer Nuntius, an meinen Besuch bei Seiner Heiligkeit, Papst Benedikt XVI., im Oktober vergangenen Jahres und an das gute Gespräch über den so wichtigen Dialog der Kulturen und Zivilisationen bzw. über die damals gerade bevorstehende Reise des Papstes in die Türkei.

Mit Freude erwarten wir in wenigen Monaten Seine Heiligkeit in Österreich, und ich darf Sie namens der Republik Österreich bitten, beste Wünsche für Gesundheit und persönliches Wohlergehen zu übermitteln.


Exzellenzen!

Im ersten Halbjahr 2006 hatte Österreich die EU-Präsidentschaft inne. Wir haben uns bemüht, die damit verbundenen Aufgaben nach besten Kräften zu erfüllen.

Nach den Rückschlägen im Zuge der Bemühungen um einen europäischen Verfassungsvertrag war es eines der Ziele des österreichischen und auch des finnischen Vorsitzes im zweiten Halbjahr, das Vertrauen der Bürger in die EU wieder zu stärken, und ich denke, dass dabei Fortschritte erzielt werden konnten. Dass wir heute mit vorsichtigem Optimismus auf die weitere Zukunft der Europäischen Union blicken können, ist aber auch darauf zurückzuführen, dass aus der europäischen Wirtschaft wieder positive und erfolgversprechende Signale kommen und wir zum Beispiel mit einem langsamen Sinken der Arbeitslosigkeit rechnen dürfen.

In wenigen Wochen, nämlich im März 2007, können wir jedenfalls beim 50-Jahr Jubiläum der Römischen Verträge mit Stolz auf ein halbes Jahrhundert europäischer Integrationspolitik und damit auf die Schaffung einer dauerhaften europäischen Friedensordnung zurückblicken.

Aber wir dürfen ob des Erreichten die Hände nicht in den Schoß legen, denn die globalen Herausforderungen bleiben für Europa aktuell.

Um diesen Herausforderungen gewachsen zu sein, muss sich die Europäische Union weiterhin um Konsolidierung und um die Stärkung ihrer Substanz bemühen.

Hier geht es z.B. um das Schicksal des Europäischen Verfassungsvertrages. Ich bin zuversichtlich, dass die EU unter dem Vorsitz Deutschlands, einem der traditionellen Motoren des europäischen Einigungsprozesses, reale Fortschritte bei einer Lösung dieser Frage erzielen wird und Konturen einer Lösung sowie Vorschläge für das Verfahren – wie das auch Außenminister Steinmeier formuliert hat – erreichbar sein sollten.


Exzellenzen!
Frau Bundesministerin!

Mit Freude heiße ich Bulgarien und Rumänien als neue Mitglieder in der Europäischen Union willkommen. Beide Länder habe ich vergangenes Jahr besucht, wobei wir unsere vielfältigen Beziehungen weiter vertiefen konnten.

Nach dem EU-Beitritt Rumäniens und Bulgariens ist der westliche Teil der Balkanregion noch näher an die EU herangerückt. Vor dem Hintergrund der europäischen Geschichte der letzten hundert Jahre und der fortschreitenden Integration Europas in den letzten 50 Jahren, ist die von der EU den westlichen Balkanländern jeweils gebotene Perspektive ein Friedensprojekt mit sehr positiven Auswirkungen auf die Stabilität der Region. Es ist dies somit eine Frage von historischer Bedeutung, auf diesem Weg voran zu schreiten.

Was die Beziehungen zu Russland betrifft, mit dem die Europäische Union aus vielen Gründen eine strategische Partnerschaft im umfassenden Sinn anstrebt, so freue ich mich, den russischen Präsidenten Wladimir Putin noch vor dem Sommer in Wien zu vertrauensvollen Gesprächen begrüßen zu können.

Aus der Fülle der weiteren geplanten bilateralen Begegnungen möchte ich nur den Staatsbesuch des schwedischen Königs Carl Gustav in Österreich und meinen Staatsbesuch in Norwegen erwähnen, wodurch die hervorragende Zusammenarbeit mit dem skandinavischen Raum unterstrichen wird.


Exzellenzen!

Die Situation im Nahen Osten muss man ehrlicherweise nach wie vor als deprimierend bezeichnen. Immer wieder gibt es neue Friedensbemühungen, aber es will und will nicht gelingen, einen dauerhaften und erfolgreichen Verhandlungsprozess in Gang zu setzen, der in ein friedliches Nebeneinander Israels mit einem lebensfähigen palästinensischen Staat auf der Basis der Grenzen des Jahres 1967 mündet.

Die Angst vor Terror auf der einen Seite und die Verzweiflung über die aussichtslos erscheinende Situation und die wirtschaftliche und die soziale Not auf der anderen Seite geben Radikalisierungstendenzen immer neuen Auftrieb.

Die vom Nahost-Quartett präsentierte und in der Zwischenzeit so oft totgesagte „Roadmap“ scheint mir nach wie vor die vernünftigste und chancenreichste Grundlage, um doch noch einen Durchbruch in Richtung erfolgreicher Verhandlungen zu erzielen.

Europa wird seine Anstrengungen in dieser Richtung noch intensivieren müssen. Und die USA, sowie alle anderen internationalen Akteure wissen sicher, dass eine gerechte Lösung der Probleme zwischen Israel und den Palästinensern, die auch eine Einbeziehung der Nachbarstaaten erfordert, in ganz entscheidender Weise positive Auswirkungen auf die gesamt Region bis hin zum Irak hätte.


Meine Damen und Herren!

Eine wichtige außenpolitische Frage für Österreich in den kommenden Jahren ist unsere Kandidatur für einen nicht-ständigen Sitz im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen für die Periode 2009/2010. Österreich kann auf eine lange und aktive Mitarbeit in den Vereinten Nationen zurückblicken, die schon seit unserem UNO Beitritt 1955 einen Schwerpunkt der österreichischen Außenpolitik bilden. Österreich engagierte sich dabei vor allem in den Bereichen der Erhaltung von Frieden und Sicherheit, des Völkerrechts, der Menschenrechte, der friedlichen Nutzung des Weltraums und der Abrüstung.

Wir sind bereit, im Sicherheitsrat für zwei Jahre Mitverantwortung zu übernehmen. Sollte Österreich gewählt werden – was wir hoffen -, wird es sein Möglichstes tun, um dazu beizutragen, dass der Rat umfassend aktiv und rechtmäßig seine Aufgaben zur Erhaltung des Weltfriedens und der Sicherheit wahrnimmt.

Wir würden Ihre wertvolle Unterstützung jedenfalls in höchstem Maße schätzen.

Ich möchte bei dieser Gelegenheit Generalsekretär Kofi Annan für seine kluge und mutige Amtsführung und seinen außerordentlichen Einsatz an der Spitze der Weltorganisation im Dienste der internationalen Staatengemeinschaft herzlich danken und seinem Nachfolger, Generalsekretär Ban Ki Moon, meine besten Wünsche übermitteln wie ich das auch schon in meiner Neujahrsansprache im österreichischen Fernsehen getan habe.

Es ist hier nicht der richtige Ort und nicht genügend Zeit, auf die Wichtigkeit der Vereinten Nationen näher einzugehen, aber ich bin fest überzeugt davon, dass es unser Ziel in den nächsten Jahren und Jahrzehnten sein muss, rechtsstaatliche Prinzipien verstärkt von der nationalen Ebene auch auf die internationale Ebene zu übertragen und den Vereinten Nationen kommt dabei in meinen Augen eine außerordentlich wichtige Rolle zu.


Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Heute ist der 8. Jänner und während wir uns hier in der Wiener Hofburg zum traditionsreichen Neujahrsempfang für das Diplomatische Corps versammelt haben, finden wenige hundert Meter von hier im Parlament die abschließenden Verhandlungen zur Bildung einer neuen österreichischen Bundesregierung statt. Das Ziel besteht darin, Konsens über die Bildung einer Bundesregierung zu erzielen, die sich im Parlament auf die beiden stärksten Parlamentsfraktionen, also auf SPÖ und ÖVP, stützen kann. Ich kann und will das Ergebnis dieser Verhandlungen und der abschließenden Beratungen in den politischen Gremien von SPÖ und ÖVP nicht vorwegnehmen. Aber ich bin sehr zuversichtlich und glaube, in diesem Kreis auf jeden Fall eines sagen zu können: Die österreichische Außenpolitik wird von Prinzipien geleitet, die über weite Strecken auf einem breiten Konsens beruhen, sodass Sie, Exzellenzen, weiterhin mit einem hohen Maß an Kontinuität und Berechenbarkeit in der österreichischen Außenpolitik rechnen können. Das gilt sowohl für multilaterale Themen als auch für die bilateralen Beziehungen zu allen Staaten, die heute hier vertreten sind.

Dies noch vor der Angelobung einer neuen Bundesregierung auszusprechen, scheint mir kein Risiko zu sein.

Abschließend wünsche ich Ihnen, meine sehr geehrten Damen und Herren, Ihren Familien, Ihren Staaten und Ihren Staatsoberhäuptern nochmals alles Gute, viel Glück und Erfolg für ein friedliches Jahr 2007.

Quelle: Präsidentschaftskanzlei / Hofburg
 
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