Die endgültigen Zahlen 2006 zeigen: annus horribilis für Private, annus mirabilis
für Unternehmen
Wien (creditreform) - Ein zusammenfassender Rückblick auf das Insolvenzgeschehen des Gesamtjahres
2006 bestätigt die bisherige Einschätzung von Creditreform Österreich. Die aktuelle Insolvenzstatistik
mit den endgültigen Zahlen 2006 (Erfassungszeitraum 1.1.2006 bis 31.12.2006) zeigt folgendes:
- Die Gesamtinsolvenzen (Unternehmen und Private) sind weiter gestiegen.
- Die Privatinsolvenzen haben erstmals die Firmeninsolvenzen überholt.
- Mit lediglich 89 Ausgleichsverfahren ist dieses "Sanierungsinstrument" leider weiterhin "totes
Recht" geblieben.
Gegenüber dem Vorjahr sind die Gesamtinsolvenzen um 6,2% auf 14.437 Insolvenzfälle gestiegen. Die
Zahl der eröffneten Insolvenzverfahren ist um 8,5% auf 9.312 Insolvenzen angewachsen. Mangels Masse wurden
um 2,1% mehr Insolvenzanträge abgewiesen (gesamt 5.125). Ein differenziertes Bild ergibt die detaillierte
Betrachtung von Unternehmens- und Privatinsolvenzen.
Die Zahl der insolventen Unternehmen ist weiter auf hohem Niveau um 3,9% auf 6.854 gesunken. Die eröffneten
Verfahren sind um 6,1% auf 3.040 zurückgegangen. 55,7% oder 3.814 aller beantragten Firmeninsolvenzen wurden
mangels Masse abgewiesen, ein worst case für Gläubiger.
Die Privatinsolvenzen hingegen sind mit einem Plus von 17,4% auf 7.583 gestiegen und übertrafen 2006 erstmals
die Unternehmensinsolvenzen. 6.272 eröffnete Schuldenregulierungs- verfahren (+17,4%) stehen bei den Privaten
dank der qualifizierten Beratung durch die Schuldnerberatungsstellen nur 1.311 mangels kostendeckenden Vermögens
abgewiesenen Anträgen gegenüber (+17,1%).
Bundesländerranking
Wien führte in absoluten Zahlen die Statistik der Unternehmensinsolvenzen mit 2.034 (fast jede dritte
Insolvenz 2006) an. Allerdings ist diese Zahl gegenüber dem Vorjahr um 9,6% gesunken. Die stärksten Rückgänge
waren in den Bundesländern Vorarlberg (-14,1%, gesamt 269 Fälle) und Salzburg (-13,6%, gesamt 452 Fälle)
zu verzeichnen. Zuwächse gab es im Burgenland (+20,3%, gesamt 237), in Oberösterreich (+2,6%, gesamt
924) und in der Steiermark (+1,5%, gesamt 838). Niederösterreich blieb mit plus 1,1% bei 1.062 Insolvenzen
annähernd stabil.
Bei den Privatinsolvenzen zählte die Bundeshauptstadt mit 2.235 Insolvenzen einen Rekordzuwachs von 52,6%.
Danach folgten Kärnten (+26,9%) und Tirol (+12,8%). Hingegen ging die Zahl der Privatinsolvenzen im Burgenland
(-18,8%), in Vorarlberg (- 8,5%) und in Salzburg (-4,7%)zurück.
Branchenranking
Die positivste Entwicklung hat die Land- und Forstwirtschaft mit lediglich 14 Insolvenzen (-48,2%) vorzuweisen.
Ebenso zeichnete sich für den heimischen Handel ein sehr erfreuliches Bild: 1.067 Insolvenzen bedeuteten einen
Rückgang um 32,1%. Ebenso rückläufig war die Entwicklung in der Branche Transport und Verkehr (-17,2%
auf 515 Insolvenzen) und in der Branche Tourismus und Freizeitwirtschaft (-11,3% auf 956 Insolvenzen). Diese besonders
positive Entwicklung im Handel und Tourismus kann auf eine starke Konsumfreudigkeit und ein Verweilen der österreichischen
Tourismuswirtschaft auf hohem Niveau (mit steigendem Kongresstourismus und den Nebenwirkungen von Mozartjahr und
EU-Ratspräsidentschaft) zurückgeführt werden.
Ursachen & Maßnahmen
Hat sich zu Beginn des Jahres noch eine Weiterführung des annus horribilis 2005 gezeigt, so ist die
weitere Entwicklung bei den Unternehmensinsolvenzen umso erfreulicher. Bereits die Analyse der Creditreform Wirtschafts-
und Konjunkturforschung, bei der im Frühjahr 2006 mehr als 1.700 KMU zur aktuellen Wirtschaftslage und ihren
Erwartungen befragt wurden, hat ein deutlich positiveres Bild als im Jahr davor gezeigt. Dieser Trend mit steigenden
Umsatz- und Ertragserwartungen hat sich bei der aktuellen Mittelstandsanalyse von Creditreform im Spätherbst
2006 verstärkt fortgesetzt und bestätigt: Mehr als die Hälfte der Befragten (54,3%) beurteilten
ihre aktuelle Geschäftslage positiv (+ 8,2%). Die Noten mangelhaft und ungenügend vergaben nur noch 6,2%
der Unternehmen. Im Herbst 2005 waren es knapp doppelt so viele (11,9%). Dieses positive Klima zeigt sich auch
bei der auf 56% (+6,1%) gestiegenen Investitionsbereitschaft. Geht es den Unternehmen gut, geht es auch der Volkswirtschaft
im Allgemeinen gut - und vice versa.
Zur weiteren Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit - und damit auch zur Insolvenzprophylaxe - forderte der
heimische Mittelstand lt. repräsentativer Umfrage in der Creditreform Mittelstandsanalyse die Senkung der
Lohnnebenkosten (81,7%), die Verbesserung der steuerlichen Förderung der Eigenkapitalbildung (67%) und die
Wiedereinführung von Investitionsbegünstigungen (59,8%).
Als Ursache für Insolvenzen gaben 52,3% der befragten KMU Managementfehler an, 26,7% Kapitalmangel und
18,6% die allgemeine Wirtschaftlage.
Gefordert ist daher eine bessere Aus- und Weiterbildung der heimischen Führungskräfte mit einer verstärkten
Bewusstseinsbildung für Risikomanagement. Der Credit Manager wird in Zeiten von Basel II und der prekären
Eigenkapitalstruktur vor allem der Klein- und Mittelbetriebe (32,8% haben weniger als 10% Eigenkapital) immer mehr
zur Schlüsselfigur in Unternehmen. Conclusio 2006 Der Rückgang bei den Unternehmensinsolvenzen auf der
einen Seite und der Zuwachs an Unternehmensneugründungen (lt. Junge Wirtschaft über 30.000 p.a.) auf
der anderen Seite zeichneten für 2006 ein volkswirtschaftlich günstiges Bild. Trotz hoher Energiepreise
und steigender Lebenserhaltungskosten konsumierten Frau und Herr Österreicher sehr ordentlich und die österreichischen
Unternehmen investierten wieder nach den Umstrukturierungen der vergangenen Jahre. Die Exporterfolge und die Gewinne
in Mittel- und Osteuropa haben den dort engagierten heimischen Unternehmen ein erfolgreiches Jahr gebracht. Die
Steuerreform (25% KöSt, Gruppenbesteuerung) mit Anfang 2006 hat zu einem zusätzlichen positiven Klima
geführt.
Diese Errungenschaften für den Wirtschaftsstandort sollten bewahrt und ausgebaut werden.
Der rasante Zuwachs an Privatinsolvenzen wird von manchen im Sinne einer Entschuldung und Möglichkeit zum
Neustart der Privatpersonen begrüßt, ist aber in Hinblick auf die Situation der Gläubiger besorgniserregend.
Das juristische "Do ut des"-Prinzip (ich gebe, damit du gibst) ist das Um und Auf einer funktionierenden
Marktwirtschaft. Eine breit angelegte Aufklärungskampagne von Gläubigerschützern, Schuldnerberatungsstellen
und den Sozialpartnern über den Umgang mit Geld und Kredit kann Schuldner und Gläubiger schützen.
Vergleicht man die aktuelle Insolvenzentwicklung mit einer Großwetterlage, so ist Österreich zweigeteilt:
einerseits ein Hochdruckgebiet mit einem fast frühlingshaft aufgeklarten Himmel, andererseits ein Tiefdruckgebiet,
in dem sich der Horizont mit Gewitterwolken eintrübt, insgesamt also ein typisch unbeständiges Wetter.
|