Wien (öaw) - Von Kindern produzierte Trickfilme bieten einen facettenreichen Einblick in die Wahrnehmungswelt
der jungen Generation. Das zeigt ein aufwändiges Projekt des Wiener "Zoom" Kindermuseums: Kindern
und Jugendlichen wurde während zahlreicher Workshops die Möglichkeit gegeben, selbst Animationsfilme
herzustellen. Die in diesen Filmen enthaltenen Botschaften wurden im Rahmen des vom Österreichischen Wissenschaftsfonds
FWF unterstützten Projekts jetzt interpretiert. Erste Ergebnisse zeigen, dass die neue Generation ein gespaltenes
Verhältnis zu technischem Fortschritt und große Angst vor der Umweltzerstörung hat und dass Geschlechterstereotype
noch lange nicht überwunden sind.
Wenn ein Bild schon mehr als tausend Worte sagt, dann sprechen Filme sicher Bände. Doch nicht immer ist es
einfach, die Botschaft zu verstehen. Das Projekt "2D-Filme als Medien der Gesellschaftsbilder von Kindern"
ergründet die Wahrnehmungswelten von 8-14-jährigen Kindern und Jugendlichen. Von Kindern selbst gestaltete
Animationsfilme wurden analysiert und die Kinder zu ihrer Techniknutzung, ihrer Zukunftserwartung und Geschlechterrollen
befragt.
Es zeigt sich, dass die Kinder der Zukunft mit gemischten Gefühlen entgegensehen: Während technischer
Fortschritt sowohl als Problemverursacher als auch als Problemlöser betrachtet wird, sind bezüglich der
Umweltzerstörung und der Situation am Arbeitsmarkt vor allem Sorgen und Ängste bestimmend.
Versteckte Botschaften
Die Informationen, die die Kinder über ihre Filme transportierten, waren nicht immer auf den ersten
Blick ersichtlich, sondern mussten zum Teil erst "entschlüsselt" werden, wie Projektleiter Dr. Alexander
Pollak erklärt: "Der technologische Fortschritt wird in den Filmen beispielsweise häufig in Form
von Raumschiffen dargestellt und in Beziehung zu den USA gesetzt. Dabei zeigt sich, welch wichtige Rolle der Filmkonsum
für die Wahrnehmungswelten der Kinder spielt. Auf den ersten Blick nicht erkennbar ist auch die Stellung der
Kinder selbst. Diese kommen in den Filmen kaum vor, werden aber oft durch Tiere repräsentiert, die von der
Welt der erwachsenen Menschen eingeengt werden. Aus Mangel an gesellschaftlicher Macht müssen die Tiere untereinander
kooperativ handeln und auf Mut und Schlauheit setzen, um sich gegenseitig aus misslichen Lagen zu helfen. Explizite
Kritik äußern die Kinder hingegen in Bezug auf die Umweltzerstörung, die in mehreren Filmen zentrales
Thema ist."
Komplex sind auch die Rollen, die sich die Geschlechter selbst oder gegenseitig zuschreiben. Der Mann wird dabei
entweder als deprimierter und einsamer Loser oder aber als erfolgreicher Macher dargestellt. Vor allem in Filmen
von Mädchen kommt der Mann oft als Loser vor, eine Rolle, die Frauen nie zugeschrieben wird. "Bemerkenswert
ist", so Dr. Pollak, "wie sehr die Lebenswelt der Kinder von der klischeehaften Wahrnehmung von Geschlechterrollen
geprägt ist. Die Kinder unterscheiden ganz klar zwischen so etwas wie einer männlichen und einer weiblichen
Art, Filme zu machen, und ähnliches gilt auch für die Charaktere, die in den Filmen dargestellt werden."
Keine Moral
Insgesamt wurden im Rahmen des Projekts über 50 Workshops beobachtet und 200 Trickfilme einer tief
gehenden Analyse unterzogen. Zu den TeilnehmerInnen der Workshops zählten vor allem junge GymnasiastInnen,
aber auch HauptschülerInnen, die die Filme in Kleingruppen herstellten. Ihnen stand ein eigens eingerichtetes
Filmlabor und ein speziell entwickeltes Computerprogramm zur Animation von Filmen zur Verfügung.
Im Anschluss an die Filmproduktion, die den Kindern sichtlich Spaß machte, kam den ProjektmitarbeiterInnen
die schwierige Aufgabe der Analyse zu. Dabei wurde auf eine Vielzahl unterschiedlicher Ansätze zurückgegriffen,
die von der Semiotik über kulturwissenschaftliche Forschung bis zur Filmwissenschaft reichen.
Betrachtet man die Filme aus einer erzähltheoretischen Perspektive heraus, ist besonders auffällig, dass
ein Großteil ohne eine moralische Lehre als Schlusspunkt auskommt. Dadurch haben die Kinder den ZuseherInnen
erst recht die Aufgabe gegeben, die Bedeutung der Filme selbst zu entschlüsseln, - eine Aufgabe, die das Wiener
Kindermuseum gerne im Rahmen des FWF-Projekts übernommen hat. Denn durch dieses konnte erfolgreich gezeigt
werden, dass Trickfilme ein Medium sind, über das Kinder schwierige Themen ansprechen können. Nun gilt
es nur noch, die Wahrnehmungen und Botschaften der Kinder ausreichend ernst zu nehmen. |