Raus präsentierte die Publikation zur fünfteiligen
Tagungsreihe im Mozart-Jahr
Salzburg (lk) - Die Vorbereitungen auf das Mozart-Jahr 2006 Salzburg waren Ausgangspunkt und Impuls
zugleich für die fünfteilige Tagungsreihe "Sustainable Mozart – Kultur und Nachhaltigkeit"
sowie der nun vorliegenden Publikation. "Das Projekt hat in der Durchführung wesentliche Anzeichen dafür
geliefert, dass Kunst und Kultur einen entscheidenden, bisher oft nicht genügend beachteten Beitrag zu nachhaltiger
Entwicklung leisten könne. Diesen Zusammenhang gerade in Salzburg zum Thema zu machen, ist in vieler Hinsicht
wertvoll und gelungen", betonte Kulturreferent Landeshauptmann-Stellvertreter Dr. Othmar Raus am 12.01. bei
der Präsentation der Publikation "Sustainable Mozart – Kunst, Kultur und Nachhaltigkeit". "Als
Verantwortlicher für die Bereiche Umwelt/Nachhaltigkeit und Kultur freue ich mich im doppelten Sinn, dass
eine hochkarätig besetzte und gut besuchte Veranstaltungsreihe, initiiert von 'Mozart 2006 Salzburg', dem
Zusammenhang von Kunst, Kultur und Nachhaltigkeit nachgespürt hat. Mit der finanziellen Sicherstellung des
Projektes durch das Land und die Stadt Salzburg, das Lebensministerium und den Dachsponsor Salzburger Wirtschaftskammer
wurde für die Durchführung die Robert-Jungk-Bibliothek beauftragt", so Raus.
Salzburg habe im Jubiläumsjahr 2006 nicht nur im Bereich von Kunst und Kultur, sondern auch im Bereich Nachhaltigkeit
wichtige, ausbaufähige Akzente gesetzt. Viele der Projekte waren auf Nachhaltigkeit ausgerichtet, sei dies
im Kinder- und Jugendbereich unter anderem mit ganzjährigen Workshops, aber auch bei Veranstaltungen, die
zu einem erweiterten Netzwerk wie die "Europäischen Mozartwege" oder einer vermehrten Zusammenarbeit
der einzelnen Institutionen untereinander führten. Mit Auftragswerken an zeitgenössische Komponist/innen
und Künstler/innen oder dem Internationalen Musikpreis, der im Jahr 2006 erstmals durch das Land Salzburg
verliehen wurde, konnten mehrfach Spuren in die Zukunft gelegt werden.
Im Zusammenwirken von Ökologie, Wirtschaft, sozialer Sicherung und Kunst bzw. Kultur sollte das "Prinzip
Nachhaltigkeit" vorangetrieben werden. Aufgabe der Kunst sei es vor allem, Toleranz und Offenheit in einer
zunehmend globalisierten Weltgesellschaft zu fördern und Fragen nach den Möglichkeiten für ein gelingendes
Leben zu stellen. Nicht zuletzt gelte es auch, die Nachhaltigkeit der im Mozart-Jahr gesetzten Initiativen im Kulturbereich
in den Blick zu nehmen, betonte Raus.
"Für die Wirtschaftskammer Salzburg ist das Thema Kultur und Nachhaltigkeit ein wichtiges Anliegen. Als
Teil eines ganzheitlichen, auch für die Kultur in allen ihren Ausprägungen umfassenden Nachhaltigkeitsbegriffes
bedeutet künstlerisches Schaffen die volle Entfaltung der schöpferischen Kräfte und das Hervorbringen
dauerhafter ideeller Werte, die letztlich Ausdruck einer Weiterentwicklung der Gesellschaft jenseits der materiellen
Güterproduktion sind.
Neben vielen anderen gesellschaftlichen Lebensbereichen stellt die Kultur in ihren vielfältigen Ausprägungen
für die Menschen einer Region ein wichtiges Element der Identifikation und des Selbstverständnisses dar.
Darüber hinaus ist sie gerade für Salzburg auch zu einem entscheidenden Standortfaktor geworden",
begründete Dkfm. Bernd Gaubinger das finanzielle Engagement der Wirtschaftskammer bei der Tagungsreihe.
Die Robert-Jungk-Bibliothek (Dr. Walter Spielmann und Mag. Hans Holzinger), federführend bei Konzeption und
Durchführung, wurde unterstützt durch den Beirat, bestehend aus Dr. Hans Berginz, Mag. Inge Brodil-Kuhn,
Dr. Werner Riemer, Dr. Gunter Sperka und Mag. Rita Trattnigg.
"Salzburger Thesen" zu Kunst, Kultur und Nachhaltigkeit
Das Mozart-Jahr 2006 ist Geschichte, die ersten Bilanzen sind gezogen. Kulturmanager, Touristiker, Politik und
Medien – sie alle zeigen sich (überwiegend) zufrieden und stimmen in einem überein: Mozart bewegt und
wirkt (auch jenseits des Jubiläumsjahres) nachhaltig – zumindest ökonomisch und kulturell. Tragen Kunst
und Kultur aber auch zum Mega-Projekt einer insgesamt nachhaltigen Entwicklung bei? Dieser Frage spürte die
Veranstaltungsreihe "Sustainable Mozart" nach, die nunmehr auch in Buchform vorliegt. An insgesamt fünf
Abenden von Februar bis Juni 2006 gingen 15 prominente Diskutanten – Kunstschaffende, Politiker, Wissenschaftler
und Kulturmanager – aus unterschiedlichster Perspektive der Frage nach, ob und inwieweit eine zukunftsfähige
Entwicklung sowohl durch als auch in der Kunst gefördert werden könne – ohne diese damit zu vereinnahmen.
Die Moderation der Reihe mit insgesamt rund 500 Besuchern im Marionettentheater Salzburg hatte Dr. Peter Huemer
inne.
"Sind verwöhnte Kulturen zur Nachhaltigkeit zu bewegen?" so lautete die Fragestellung der ersten
Veranstaltung, bei der "Club of Rome"-Mitglied Wolfgang Sachs für die Einübung der "Kunst
der Einfachheit" warb. Klugheit, Fairness und Lebenskunst können, so Wolfgang Sachs, dabei eine zentrale
Rolle spielen. Dass Kunst ein bislang außer Acht gelassener, vielleicht aber der zentrale Schlüssel
zu nachhaltiger Entwicklung sein könnte, stellte Franz Fischler in seinem Plädoyer "Wider das Wegschauen"
fest, in der er mit Verweis auch auf den Global Marshall Plan nachhaltige Entwicklung als planetare Herausforderung
benannte.
"Die Kunst in die Zukunft zu handeln – Nachhaltigkeit als ästhetisches Prinzip" war Motto des zweiten
Abends. Aus Sicht des Kulturwissenschaftlers vertrat dabei Olaf Schwencke die These, dass postmoderne, fragmentierte
Gesellschaften ohne Kunst keine Urteilsfähigkeit über ihre Geschicke erlangen können; Kunst sei
unabdingbar, um "gemeinsam in die Zukunft zu handeln". "Kunst ", so der Theologe Friedhelm
Mennekes, "lebt aus der Energie, sich gegen den Zweifel gestaltend zu behaupten." Dass dabei freilich
primär nicht Antworten gegeben, sondern vor allem immer wieder (uralte) Fragen gestellt würden, "auf
die wir selbst antworten müssen mit unserem Denken und Handeln", darauf machte Peter Ruzicka in seinem
Beitrag "Was wäre gewesen, wenn Mozart länger gelebt hätte?" aufmerksam.
"Event oder Tiefgang? – Auf der Suche nach einer neuen Diskurskultur" war Thema einer weiteren Veranstaltung.
Die Schriftstellerin und Orientkennerin Barbara Frischmuth plädiert in ihrem Beitrag für einen "multikulturellen
Diskurs auf gleicher Augenhöhe" jenseits "eventkultureller Superlativitis". Die exzessive Vermarktung
W. A. Mozarts sowie dessen Stilisierung zum Genie rückt hingegen der Autor und Filmemacher Kurt Palm ins Zentrum
seiner sarkastisch pointierten Ausführungen, während Antonin J. Liehm, Begründer der "Lettre
International", auf einen Paradigmenwechsel im (Selbst-)Verständnis von Kulturschaffenden aufmerksam
macht: Heute dominiere in der Kunstproduktion die Figur des Schauspielers, "der sich vorführt und produziert",
während ehemals die Einstellung des Architekten oder Baumeisters dominiert habe, die auf Dauer als "Überleben
des Augenblicks" abzielte.
Die Rolle der "Kultur als Wirtschaftsfaktor" erörterten Heinrich Spängler und Günter Rhomberg
beispielhaft in ihren Ausführungen zur ökonomischen und sozialen Nachhaltigkeit der Festspiele in Salzburg
und Bregenz, während Andrew Blackwell anhand internationaler Beispiele auf konkrete Möglichkeiten zur
Durchführung Ressourcen schonender Kultur- und Sportveranstaltungen verwies.
"Kultur und Kunst als Impulsgeberinnen für Zukunftsfähigkeit" war Thema der abschließenden
Veranstaltung. Dieter Kramer, über viele Jahre Kustos des Museums der Weltkulturen in Frankfurt/M., warb dabei
für eine "Ästhetik der Subsistenz" als Beitrag zu materieller Selbstbeschränkung und verwies
dabei auf den kulturellen Reichtum traditioneller Gesellschaften. Während Adolf Muschg in Anbetracht der "Dominanz
des Marktes" erhebliche Zweifel anmeldete, "dass mit der Langzeitwirkung großer Kunst gegen den
rasanten Abbau der materiellen und ideellen Lebensgrundlagen auf unserem Planeten etwas auszurichten sei, schloss
Jürgen Maaß, Heraus-geber der Zeitschrift "KulturAustausch", den Reigen der Beiträge
mit "Fünf Dimensionen von Zukunftsfähigkeit" – Nachhaltigkeit, Globalisierung, Friedfertigkeit
sowie Innovations- und Kommunikationsfähigkeit – ab.
Neben den Referaten, Podiumsdiskussionen und ausgewählten Publikumsbeiträgen enthält die Publikation
eine Chronologie zur Frage nach dem Zusammenhang von Kultur, Kunst und Nachhaltigkeit sowie zehn "Salzburger
Thesen". Diese fassen die zentralen Aussagen der Reihe zusammen und führen sie weiter: Derart kann Kunst
die Gesellschaft mit alternativen Möglichkeiten konfrontieren, individuelles wie kollektives Denken und Handeln
(ver)ändern und so zu einem wichtigen Faktor nachhaltiger Entwicklung werden." Als Chiffre macht "Sustainable
Mozart" neugierig und lädt dazu ein, Nachhaltigkeit als ein offenes Projekt zu sehen. |