Brüssel (eu-int) - Die Europäische Kommission legt am 10.01. ein umfassendes Maßnahmenpaket
für eine neue energiepolitische Strategie für Europa zur Bekämpfung der Klimaänderung und zur
Verbesserung der Energieversorgungssicherheit und Wettbewerbsfähigkeit der EU vor. Das Vorschlagspaket sieht
ehrgeizige Ziele für die Treibhausgasemissionen und erneuerbare Energie vor. Es soll zur Schaffung eines echten
Energiebinnenmarktes und zu einer wirksamen Regulierung des Marktes beitragen. Die Kommission ist der Meinung,
dass ein internationales Übereinkommen für den Zeitraum nach 2012 zu einer Reduzierung der Emissionen
der Industriestaaten um 30 % bis zum Jahr 2020 führen sollte. Um zu zeigen, wie ernst es ihr ist, schlägt
die Kommission ferner vor, dass sich die Europäische Union verpflichtet, den Treibhausgasausstoß bis
2020 vor allem durch energiepolitische Maßnahmen um mindestens 20 % zu senken.
Kommissionspräsident José Manuel Barroso erklärte hierzu: „Der heutige Tag ist ein Meilenstein
in der Energiepolitik der Europäischen Union, die seit Gründung der Gemeinschaft einer ihrer Kernbereiche
war. Wir müssen dafür sorgen, dass sie jetzt wieder eine Hauptrolle spielt. Der Klimawandel, die zunehmende
Importabhängigkeit und steigende Energiepreise betreffen sämtliche Mitgliedstaaten der EU. Wir müssen
gemeinsam handeln, wenn wir eine nachhaltige, sichere und wettbewerbsfähige Energieversorgung gewährleisten
wollen. Die Vorschläge, die die Kommission heute vorgelegt hat, beweisen ihre Entschlossenheit, eine Vorreiterrolle
zu übernehmen. Sie zeichnen eine vorausschauende Vision einer neuen energiepolitischen Strategie für
Europa vor, die dem Klimawandel die Stirn bietet. Wie müssen jetzt handeln, um die Welt von morgen mit zu
gestalten."
Der für Energiepolitik zuständige Kommissar, Andris Piebalgs, erklärte: "Setzen wir heute die
richtigen Akzente, können wir morgen die Welt in eine neue industrielle Revolution führen: mit der Entwicklung
kohlenstoffarmer Technologien. Von den ehrgeizigen Zielen, die wir uns gesetzt haben - ein funktionierender Binnenmarkt,
die Erreichung eines sauberen und effizienten Energiemixes und richtige Weichenstellungen in Forschung und Entwicklung
- hängt es ab, ob wir an der Spitze der neuen Entwicklung stehen oder anderen hinterher laufen."
Stavros Dimas, für Umweltpolitik zuständiger Kommissar, hat dazu folgenden Kommentar: "Der Klimawandel
ist eine der größten Bedrohungen für unseren Planeten. Maßnahmen gegen den Klimawandel sind
unbedingt erforderlich. Wir haben uns heute auf eine Reihe ehrgeiziger, aber realistischer Ziele geeinigt, die
unsere weltweiten Bemühungen, den Klimawandel und seine schlimmsten Auswirkungen zu begrenzen, unterstützen.
Ich fordere den Rest der Industriestaaten nachdrücklich dazu auf, dass sie sich uns anschließen, ihre
Emissionen im gleichen Umfang reduzieren und einem internationalen Übereinkommen über weltweite Emissionsminderungen
zum Erfolg verhelfen".
Europa steht vor wirklichen Herausforderungen. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Temperaturen in diesem Jahrhundert
weltweit um mehr als 5°C steigen, beträgt über 50 %. Die aktuellen Prognosen für den Energie-
und Verkehrsbereich deuten darauf hin, dass die EU-Emissionen nicht etwa fallen dürften, sondern bis 2030
um rund 5 % steigen werden. Bleiben der derzeitigen Trends und Strategien unverändert, wird die energiepolitische
Importabhängigkeit der EU im Jahr 2030 von heute 50 % auf 65 % des gesamten Energieverbrauchs der EU steigen.
Hinzu kommt, dass der Energiebinnenmarkt noch immer nicht vollständig verwirklicht ist und die EU-Bürger
und die Wirtschaft somit noch nicht in den Genuss aller Vorteile der Liberalisierung des Energiemarktes kommen.
Das von der Kommission heute vorgeschlagene Maßnahmenpaket soll Lösungen in drei Kernbereichen bringen:
1. Ein wirklicher Energiebinnenmarkt
Die Energieverbraucher - Bürger und Unternehmen - in der EU sollen sich ihre Anbieter frei aussuchen können.
Außerdem sollen die umfangreichen Investitionen frei gemacht werden, die im Energiebereich notwendig sind.
Der Binnenmarkt wirkt sich nicht nur auf die Wettbewerbsfähigkeit, sondern auch auf die Zukunftsfähigkeit
und die Sicherheit positiv aus.
Die Untersuchung des Wettbewerbssektors und die Binnenmarkt-Mitteilung verdeutlichen, dass weitere Maßnahmen
erforderlich sind, um diese Ziele durch eine klare Trennung von Energiegewinnung und Energieverteilung zu erreichen.
Notwendig sind neben einer stärkeren unabhängigen Regulierungsbehörde für den europäischen
Markt auch Maßnahmen der einzelnen Mitgliedstaaten, um durch die Ermittlung der wichtigsten Engpässe
und die Ernennung von Koordinatoren den angestrebten Verbundgrad zwischen den Mitgliedstaaten von 10 % erzielen
zu können.
2. Beschleunigte Umstellung auf Energieträger mit niedrigem CO2-Ausstoß
Nach Vorstellung der Kommission soll die EU im Bereich der erneuerbaren Energie ihre weltweite Führungsposition
behalten. Sie schlägt vor, für 2020 als Ziel einen Anteil der erneuerbaren Energieträger an der
Gesamtenergieerzeugung von 20 % verbindlich vorzugeben. Dazu müssen alle drei Komponenten des erneuerbarer
Energiesektors massiv ausgebaut werden: Strom, Biokraftstoffe sowie Heizung und Kühlung. Diese Ziele für
die erneuerbaren Energieträger sollen durch einen Mindestanteil der Biokraftstoffe von 10 % ergänzt werden.
Darüber hinaus wird ein für 2007 geplantes Vorschriftenpaket für erneuerbare Energie Maßnahmen
speziell zur Förderung der Marktdurchdringung von Biokraftstoffen und erneuerbaren Energieträgern in
den Heiz- und Kühltechnologien vorsehen.
Zur Minderung der Kosten sauberer Energie und zur Sicherung der Vorreiterposition der EU-Industrie im sich schnell
entwickelnden Sektor kohlenstoffarmer Technologie ist auch die Forschung sehr wichtig. Die Kommission wird in diesem
Zusammenhang einen strategischen Plan für europäische Energietechnologien vorschlagen. Die Union wird
ferner ihre jährlichen Forschungsausgaben im Energiebereich in den nächsten sieben Jahren um mindestens
50 % aufstocken.
Zur Zeit macht der Anteil der Kernenergie am Energieverbrauch der EU 14 %, am Stromverbrauch 30 % aus. Die Kommission
vertritt in ihren Vorschlägen den Standpunkt, dass die Entscheidung über die Nutzung der Atomkraft jedem
Mitgliedstaat überlassen werden sollte. Sie empfiehlt, eine Reduzierung des Anteils der Atomenergie in der
EU durch die Einführung anderer kohlenstoffarmer Energieträger auszugleichen, um zu vermeiden, dass die
Verminderung der Treibhausgasemissionen noch schwieriger wird.
3. Effiziente Energienutzung
Die Kommission hält an ihrem Ziel fest, den Gesamtverbrauch an Primärenergie bis 2020 um 20 % zu senken.
Gelingt dies, würde die EU im Jahr 2020 rund 13 % weniger Energie verbrauchen als heute und dadurch Kosten
in Höhe von 100 Mrd. EUR einsparen und 780 Tonnen weniger CO2 jährlich ausstoßen.
Die Kommission schlägt vor, schnell kraftstoffsparende Fahrzeuge einzuführen, die Vorschriften zu verschärfen
und Geräte besser zu kennzeichnen, die Energieeffizienz der vorhandenen Gebäude in der EU zu verbessern
und die Wärme- und Stromerzeugung, -übertragung und -verteilung effizienter zu machen. Auch schlägt
sie ein internationales Energieeffizienz-Abkommen vor.
Die Vorschläge in diesen drei Bereichen werden durch eine kohärente und glaubwürdige Außenpolitik
abgestützt werden müssen.
Eine von Geschlossenheit der Mitgliedstaaten geprägte internationale Energiepolitik der EU
Die Europäische Union kann ihre energiepolitischen Ziele und Klimaschutzziele nicht im Alleingang erreichen.
Sie muss einerseits mit den Industrie- und den Entwicklungsländern und andererseits mit den Energieverbrauchern
und den Energieerzeugern zusammenarbeiten. Um Energiekrisen bewältigen und aktiv eine gemeinsame Energieaußenpolitik
entwickeln zu können, in der die Mitgliedstaaten zunehmend mit einer Stimme mit Drittländern sprechen,
wird sie wirksame Solidaritätsstrategien entwickeln. Sie wird echte Energiepartnerschaften mit Anbietern anstreben,
die von Transparenz, Berechenbarkeit und Gegenseitigkeit geprägt sind.
Dank der Konsultation zu ihrem Grünbuch von 2006 konnte die Kommission bereits konkrete Fortschritte zu einer
kohärenten Energieaußenpolitik erzielen, was durch die Schaffung eines Netzes von Energiesicherheits-Korrespondenten
zum Ausdruck kommt. Die Kommission schlägt eine Reihe konkreter Maßnahmen zur Stärkung internationaler
Abkommen, darunter des Vertrags über die Energiecharta, eine Folgeregelung für den Klimaschutz nach Kyoto
und die Einbeziehung von Partnern in aller Welt in den Emissionshandel sowie die Ergänzung bilateraler Abkommen
mit Drittländern vor, sodass die Energie zu einem integralen Bestandteil der Außenbeziehungen der EU
und insbesondere der Europäischen Nachbarschaftspolitik wird. Als wichtige neuen Initiativen schlägt
die Kommission die Ausgestaltung einer umfassenden Partnerschaft zwischen Afrika und Europa sowie ein internationales
Abkommen über die Energieeffizienz vor.
Konkrete Maßnahmen sind dringend erforderlich. Die sektorspezifische Untersuchung macht in Verbindung mit
der Überprüfung der EU-Energiestrategie und dem Aktionsplan den Kern der vorgeschlagenen neuen Energiepolitik
Europas aus. Dieser Prozess soll dazu beitragen, dass aus Grundsätzen konkrete Vorschläge für Rechtsvorschriften
gemacht werden. Die Kommission wird ihre Vorschläge für den Bereich Energie und Klima auf der Frühjahrstagung
des Rates vorlegen und wird dann unter Berücksichtigung der Debatten im Rat entsprechende Vorschläge
für Rechtsvorschriften ausarbeiten. |