Das 7-Punkte-Programm der NR-Präsidentin zur Geschäftsordnungsreform
Wien (pk) - Nationalratspräsidentin Barbara Prammer präsentierte den Vertretern der Medien
im Rahmen einer Pressekonferenz am 19.01. ein sieben Punkte umfassendes Programm für eine transparente und
bürgerInnennahe Parlamentsarbeit. Dieses Programm und die Vorstellungen der Fraktionen sollen in einem Geschäftsordnungskomitee
diskutiert werden und in eine Reform der Geschäftsordnung des Nationalrates münden, von der sich Präsidentin
Prammer wünscht, dass sie bis zum Sommer mit möglichst breiter Mehrheit beschlossen werden kann. Die
Nationalratspräsidentin unterbreitete Vorschläge für eine verbesserte Kontrolle der Bundesregierung,
zur Stärkung der Rechte der BürgerInnen und insbesondere auch der Jugend. Im Zentrum des Programms steht
die Stärkung der Oppositionsrechte, dazu kommen Vorschläge zur Öffnung der Ausschusssitzungen, für
lebendigere Fragestunden und häufigere Berichte der Volksanwälte an den neuen Volksanwaltsausschuss.
Im Einzelnen sprach sich Präsidentin Prammer für Änderungen bei der Beantwortung schriftlicher Anfragen
aus. Prammer erinnerte an Beschwerden über unvollständig beantwortete Anfragen und schlug vor, auch einer
Minderheit der Abgeordneten das Recht zu geben, ergänzende Antworten einzufordern. Zudem will sie als Präsidentin
die Möglichkeit haben, auf Grund eines Gutachtens des Rechts- und Legislativdienstes die Komplettierung unvollständiger
Anfragebeantwortungen zu verlangen.
Zur Stärkung der Rechte der BürgerInnen schlug die Präsidentin vor, Volksbegehren, Petitionen und
Bürgerinitiativen nicht - wie bisher - am Ende einer Gesetzgebungsperiode verfallen zu lassen, sondern in
der nächsten Legislaturperiode weiter zu behandeln. Internationalen Vorbildern folgend soll den Bürgern
und Bürgerinnen auch die Möglichkeit geboten werden, Initiativen auf elektronischem Weg einzubringen.
Im Zusammenhang mit der geplanten Senkung des Wahlalters soll auch die Altersgrenze von 19 Jahren bei der Einbringung
von Bürgerinitiativen gesenkt werden, sagte die Nationalratspräsidentin.
Als wichtigsten Punkt bezeichnete Barbara Prammer die Stärkung der Oppositionsrechte. Die Einsetzung von Untersuchungsausschüssen
soll - wie bereits 1999 zwischen den Fraktionen vereinbart - auch einer Minderheit der Abgeordneten, Prammer nannte
die Zahl von 20 Abgeordneten, zukommen. Zugleich will sie aber aus arbeitsorganisatorischen Gründen dafür
Sorge tragen, dass nicht mehr als zwei Untersuchungsausschüsse parallel stattfinden.
Auf eine Frage zur Praxis von Regierungsfraktionen, ebenfalls Dringliche Anfragen bzw. Anträge einzubringen,
sagte Prammer, es gäbe diesbezüglich klare Spielregeln. Klar sei aber, dass der Opposition dadurch nicht
Rechte vorenthalten werden dürfen, dass anderseits aber auch die Regierungsfraktionen Kontrollrechte haben.
Im Bedarfsfall werde sie aber "in der Präsidiale Klartext reden".
Die Arbeit der Nationalratsausschüsse soll transparenter werden, um den BürgerInnen die intensive Tätigkeit
der Abgeordneten auch außerhalb des Plenums verstärkt näher zu bringen. Die Öffnung der Ausschüsse
für die Öffentlichkeit sollte künftig nicht die Ausnahme, sondern die Regel sein, lautet der Wunsch
der Nationalratspräsidentin. Außerdem sprach sich Prammer für lebendigere Fragestunden mit spontaneren
Antworten der Regierungsmitglieder und der Möglichkeit für Abgeordnete aus, ihre Fragen zu begründen.
Auch die Berichte der Volksanwaltschaft und des Rechnungshofes sollen künftig nicht mehr verfallen, wenn eine
Gesetzgebungsperiode zu Ende geht, sondern vom neuen Nationalrat weiter behandelt werden können. Die Volksanwälte
sollen dem Nationalrat nicht nur einmal jährlich, sondern in kürzeren Abständen Berichte vorlegen,
die im neuen Volksanwaltsausschuss behandelt werden.
Wie die Präsidentin erklärte, soll die Reform der Geschäftsordnung bis Mitte des laufenden Jahres
gelingen. Dies auch deshalb, weil ja ein Zusammenhang mit der und eine Parallelität zur Staatsreform gegeben
sei, für die ein ähnlicher Zeitrahmen gelte.
Die Bauvorhaben des Parlaments werden fortgeführt, versicherte die Nationalratspräsidentin und kündigte
dazu spezielle Informationen an. Im Palais Epstein ist an die Errichtung eines Demokratiezentrums, einer Demokratiewerkstatt
mit dem Ziel gedacht, den Menschen die Politik und die Arbeit an der Gesetzgebung näher zu bringen. In die
Planung werden auch Schulen und die Pädagogische Hochschulen eingebunden.
Auf die derzeit unmittelbar vor der parlamentarischen Beratung stehende neue Vertretungsregelung durch StaatssekretärInnen
angesprochen, formulierte Prammer ihre Erwartung, dass sowohl Bundeskanzler als auch Vizekanzler als jahrzehntelange
Parlamentarier sich "so selten wie möglich" vertreten lassen, sondern sich persönlich dem Nationalrat
bzw. dem Bundesrat stellen werden. Sollte diese ihre Erwartung nicht eintreten, werde sie ihre Stimme erheben.
Im übrigen sei es vorzuziehen, wenn ein in der jeweiligen Materie bewanderter Staatssekretär bzw. Staatssekretärin
mit der Vertretung beauftragt werde, z.B. in Finanzfragen der Finanzstaatssekretär.
Im Zusammenhang mit dem wiederholt kritisierten Verhalten von Abgeordneten bei Live-Übertragungen von Plenarsitzungen
meinte Präsidentin Prammer, dieses Problem sei nicht durch eine Reform der Geschäftsordnung in den Griff
zu kriegen. Jede und jeder Abgeordnete sei für sein Verhalten selbst verantwortlich.
Für den Nationalfeiertag 2007 kündigte Prammer einen "Tag der offenen Tür" an. Sie plane,
in diese Veranstaltung die Abgeordneten intensiv einzubinden. |