CEE-Länder als klare Gewinner im internationalen Exportgeschäft - zunehmende Fokussierung
auf Mittel-/Hochtechnologieprodukte
Wien (ba-ca) - Die Länder Zentral- und Osteuropas (CEE) zählen in punkto Exportleistung
eindeutig zu den Gewinnern der letzten Dekade. Mit inzwischen 4 Prozent Marktanteil an der weltweiten Importnachfrage
konnten sie ihre Exportleistung in den vergangenen zehn Jahren ungefähr verdoppeln. Nicht weniger beeindruckend
ist die Steigerung des CEE-Marktanteils auf insgesamt 8 Prozent der Gesamtimporte der EU-15. Damit hat sich die
Region eindeutig als wichtiger Produktionsarm für das "Alte Europa" etabliert.
Diese wirtschaftlichen Erfolge verdanken die Länder ihrem erfolgreichen und tief greifenden Strukturwandel.
Zu diesem Ergebnis gelangt die aktuelle Branchenanalyse der Märkte in Zentral- und Osteuropa der "New
Europe Research Network" der
BA-CA und der UniCredit Group. In den letzten Jahren hat in den CEE-Ländern eine grundlegende Verlagerung
in der internationalen Spezialisierung und Produktionsstruktur von traditionellen Sektoren in Richtung neuer Mittel-
und Hochtechnologiebranchen stattgefunden. So konnte sich der CEE-Markt im Zeitraum 1995-2005 zusätzliche
Wettbewerbsvorteile in technologie- und wissensintensiven Produktionsbereichen wie Transportausrüstung (z.B.
Fahrzeugkomponenten und Ersatzteile, Schiffe, Lokomotiven, etc.), elektrische Anlagen und optische Produkte (Elektromotoren,
Radio-/TV-Anlagen, optische und medizinische Instrumente, Computer, etc) sichern.
Der Anteil dieser Branchen an der Wirtschaftsleistung der Region stieg ebenfalls deutlich an; ihr Beitrag zur Gesamtproduktion
erhöhte sich von 13 Prozent im Jahr 1995 auf 23 Prozent im Jahr 2005. Besonders ausgeprägt sind diese
Entwicklungen in Zentraleuropa. Andererseits verlieren traditionellere Branchen wie die Lebensmittel-, Textil-
oder Lederindustrie in dem Maß an Bedeutung, in dem der Wettbewerb durch kostengünstigere aufstrebende
Märkte zunimmt.
Eine wichtige Rolle bei diesem Strukturwandel spielten und spielen Auslandsinvestitionen, da sie die Wettbewerbsvorteile
der Region zum Tragen bringen. "Die Branchen mit den höchsten ausländischen Direktinvestitionen
(FDI) sind auch die mit den höchsten Marktanteilssteigerungen auf internationalen Märkten, da gibt es
einen klaren Zusammenhang. Mit dem anhaltend starken Zufluss von FDI hat auch die Innovationstätigkeit im
Produktionssektor zusätzliche Dynamik gewonnen", sagt Johann Strobl, Chief Financial Officer der Bank
Austria Creditanstalt.
CEE-Länder als Produktionsarm der "alten EU"
Die CEE-Länder haben sich eine starke Wettbewerbsposition als Produktionsstandorte geschaffen. Dies
zeigt sich deutlich an ihrer zunehmend bedeutenden Rolle im internationalen Handel und den hohen Zuflüssen
an ausländischen Direktinvestitionen in diese Region.
Inzwischen bildet auch der beeindruckende Aufstieg chinesischer Produzenten, die ihren Welthandelsanteil in kurzer
Zeit mehr als verdreifacht haben, keine Gefahr mehr für das künftige Wachstum der CEE-Länder. China
und die CEE-Länder unterscheiden sich aus wettbewerbsmäßiger Sicht eindeutig in der Schwerpunktverteilung:
Während China bei den Exporten stark auf arbeitskraftintensive Branchen wie Textilien und Leder fokussiert
ist und sich in einigen kapitalintensiven Bereichen wie Elektronik (insbesondere als Hersteller von Computerkomponenten)
eine starke Wettbewerbsposition geschaffen hat, decken die CEE-Länder mit ihren Exporten ein völlig anderes
Produktspektrum mit Schwerpunkt in Mittel- und Hochtechnologiebranchen ab. Seit dem Jahr 2000 konnten die zentral-
und osteuropäischen Länder ihre Exportquoten in den Bereichen Maschinen, Anlagen und Ausrüstungen
(+ 4 Prozent), Gummi und Kunststoffe (+ 5,4 Prozent), sonstige nichtmetallische Werkstoffe (3,2 Prozent), Transportausrüstung
(2,7 Prozent), Elektrogeräte (+ 3,5 Prozent), sowie Holz und Holzprodukte (+ 4,4 Prozent) erheblich ausweiten.
"Diese Entwicklung zeigt in welch deutlichem Ausmaß die Länder der Region durch Flexibilität,
Stärke und Expertise an Wettbewerbsfähigkeit gewinnen. Die CEE-Länder legen traditionell hohen Wert
auf gute Ausbildung und eine gute Qualität des betrieblichen Umfelds. Das macht sie zunehmend attraktiv für
Unternehmen mit kapital- oder wissensintensiven Produkten. Gleichzeitig treten Unternehmen, die möglichst
kostengünstige Produktionsstandorte suchen, stärker in den Hintergrund - und wandern zunehmend in den
Fernen Osten ab. Dadurch verändert sich in den CEE-Ländern die Produktionsstruktur", sagt Debora
Revoltella, Osteuropa-Chefökonomin der BA-CA und der UniCredit Group. Dank ihrer geographischen Nähe
eignet sich die CEE-Region optimal für den Ausbau von Produktionszentren für den gesamten europäischen
Markt, wie etwa das Beispiel der Automobilindustrie bereits zeigt.
Die Gründe für die Ansiedlung ausländischer Unternehmen in der CEE-Region sind vielfältig -
sie lassen sich nicht über einen Kamm scheren, man muss sich die Situation Land für Land anschauen. So
ist beispielsweise in Tschechien und der Slowakei das betriebliche Umfeld ein besonderer Wettbewerbsvorteil. Die
Türkei und Polen werden auf Grund des großen Absatzmarktes geschätzt. Bulgarien und Rumänien
hingegen locken die Investoren mit nach wie vor relativ geringen Arbeitskosten in einem gesunden und dynamischen
Umfeld basierend auf einer langen Industrietradition und einer gut ausgebildeten Arbeiterschaft.
Die wichtigste Chance und Voraussetzung für hohes zukünftiges Wachstum ist ein Spezialisierungsmodell,
das sich auf niedrige Arbeitskosten stützt und die Wettbewerbsfähigkeit im Allgemeinen stärkt. "Die
Größe der lokalen Märkte, die Chance zum Aufbau pan-europäischer Produktionszentren, ein dynamischer
Arbeitsmarkt mit gut ausgebildeten Arbeitskräften und ein unternehmensfreundliches betriebliches Umfeld -
dies sind die wichtigsten Faktoren und die wesentlichsten künftigen Wachstumstreiber für die CEE-Region.
Die eigentliche Herausforderung für die Zukunft ist, diese Schwungkraft zu erhalten", sagt CFO Johann
Strobl.
Branchen-Ausblick
"Wir erwarten in den kommenden Jahren überdurchschnittliche Wachstumsraten in kapitalintensiven
Branchen mit höheren Wachstumsbeiträgen aus technologiegetriebenen Branchen wie elektrischen Anlagen
und optischen Produkten sowie der Transportindustrie", sagt Chefökonomin Debora Revoltella. "Zum
Beispiel wird das Produktionsvolumen im Bereich Transportausrüstung (vorwiegend in der Autoindustrie) in Zentraleuropa
wie auch in der Türkei und den neuen EU-Mitgliedsländern Bulgarien und Rumänien im zweistelligen
Bereich wachsen. In der Autoindustrie hat sich die CEE-Region bereits als Produktionszentrum für den gesamten
europäischen Markt etabliert - Fiat hat Produktionsniederlassungen in Polen und der Türkei, VW in Polen
und der Slowakei, Audi in Ungarn, Skoda, Toyota PSA und Hyundai in der Tschechischen Republik, und Kia und PSA
Peugeot Citroën in der Slowakei. Darüber hinaus hat Renault bereits Produktionsstandorte in Rumänien
und etabliert sich gerade in der Türkei."
Besonders gute Aussichten hat die Bauwirtschaft. Eine Vielzahl an Infrastrukturprojekten wird die positive Entwicklung
weiter vorantreiben. Die CEE-Ökonomen der UniCredit Group gehen von 9 Prozent Wachstum für die Region
insgesamt aus.
Von der hohen Wirtschaftsleistung der genannten Sektoren werden auch andere Bereiche wie die Gummi- und Plastikindustrie
sowie nichtmetallische Produkte (die Zementindustrie, Glas, Keramik, Ziegel und Fliesen) profitieren. Die Aussichten
im Bereich Metalle und Metallprodukte, ein wesentlicher Sektor in den meisten Ländern der Region, zeigen sich
auf Grund des großen Modernisierungs- und Restrukturierungsbedarfs und der hohen Abhängigkeit von den
Metallpreisen als begrenzt bis stabil. Angesichts der hohen Investitionsnachfrage in der gesamten Region sind hingegen
die Aussichten im Bereich Maschinen und maschinelle Ausrüstung durchaus viel versprechend.
Die Sektoren Landwirtschaft, Lebensmittel, Getränke und Tabak dürften sich auf gleich bleibendem Niveau
einpendeln. Die Aussichten für arbeitskraftintensive Branchen wie die Textil- und Lederindustrie sehen dagegen
weniger positiv aus. Hier prognostizieren die Ökonomen der UniCredit Group bis 2008 mit Ausnahme von Bulgarien,
Tschechien und der Slowakei Rückgänge.
"Trotz der schwächeren Entwicklung in den arbeitskraftintensiven Branchen sehen wir in den kommenden
zwei Jahren insgesamt einen klar positiven Trend für die Produktionssektoren in den Ländern Zentral-
und Osteuropas. Gegenüber dem vergangenen Jahrzehnt wird das technologische Know-how dieser Länder aber
eine noch größere Rolle spielen. Dies gilt auch für den Dienstleistungssektor, wo vor allem wissensintensive
Hochtechnologiesegmente von den hohen Wachstumschancen profitieren werden. Eine der Herausforderungen für
die CEE-Länder wird es sein, dieses Wissen in den kommenden Jahren weiter auszubauen und die gesammelten Erfahrungen
zu nützen, um weitere Know-how intensive Produktionsbereiche auszubauen", resümiert CEE-Chefökonomin
Debora Revoltella. |