Die Filmavantgarde des Prager Frühlings – 26. Februar bis 14. März 2006, Metro Kino
Wien (filmarchiv) - 1963 kam es in der Tschechoslowakei zu einer Klimaveränderung, damals endete
die legendäre Kafka-Konferenz auf Schloss Liblice mit der Rehabilitierung des Dichters, der nicht ins Schema
der stalinistischen Kulturdoktrin gepasst hatte. Der Startschuss zum kulturellen Tauwetter in Prag fiel just in
dem Moment, als eine Reihe junger Filmemacher-innen und Filmemacher, unter ihnen Vera Chytilová, Jaromil
Jires, Jirí Menzel, Jan Nemec, Ivan Passer, Jan Schmidt und Evald Schorm auf der Prager Filmhochschule FAMU
abschlossen. Dieser Generation eröffneten sich unmittelbar danach bis dato ungeahnte Möglichkeiten, ihre
innovativen Konzepte in der Filmproduktion zu erproben und umzusetzen. Die Filmkünstlerinnen und Filmkünstler
experimentierten nach französischen Vorbild mit einer Vielfalt ästhetischer Erneuerungsoptionen. Gemeinsames
Ziel war es im Kino den direktesten Weg zur Realität zu suchen.
Mit der bisher umfassendsten Präsentation von Schlüsselwerken des tschechischen Kinos der 1960er-Jahre,
die das Rückgrat der Erneuerungsbewegung bildeten, rundet das Filmarchiv Austria seinen im Kooperation mit
dem Tschechischen Zentrum Wien und dem Tschechischen Filmarchiv in Prag veranstalteten Programmschwerpunkt ab.
Als Vorprogramme werden erstmals in Österreich auch die stilprägenden Kurzfilme, die vor allem auf der
Prager Filmhochschule FAMU entstanden, zu sehen sein.
Das ausgewählte Programm zeigt wie sehr diese Filmemacherinnen und Filmemacher damals das generelle Bild vom
Leben in ihrer Heimat im Ausland mitgeprägt haben und lassen erahnen, wie sehr diese von Kafka und Hrabal
literarisch inspirierte Filmkunst als geistiger Motor im kulturellen Umfeld des Prager Frühlings fungierte.
Filme wie DER LEICHENVERBRENNER von Juraj Herz offenbaren präzise den Grad an künstlerischer Originalität
und ästhetischem Wagemut, die diese Arbeiten 1968 am Höhepunkt der Tauwetterära erreicht hatten.
Im Falle der Nova Vlna kann man demnach von einer veritablen Bewegung sprechen, die in der Geschichte der Filmkunst
eine ähnlich nachhaltige Wirkung zeitigte wie Frankreichs Nouvelle Vague oder Italiens Neoverismo.
Zur Eröffnung der Filmreihe zeigt das Filmarchiv Austria am 26. Februar als österreichische Erstaufführung
Vera Chytilovás OVOCE STROMU RAJSKÝCH JÍME / DIE FRÜCHTE DES PARADIESBAUMS: Die Regisseurin
wird hierzu im Metro Kino persönlich anwesend sein. |