Jahresberichte 2004 und 05 der BH-Beschwerdekommission im Parlament
Wien (pk) - Wie wichtig es für die SoldatInnen des Bundesheeres ist, sich bei Missständen
im Dienstalltag oder im Fall von Fehlverhalten ihrer militärischen Vorgesetzten an eine kompetente und unabhängige
Stelle wenden zu können, von der sie Rat und Hilfe bekommen können, zeigen einmal mehr die kürzlich
publizierten Jahresberichte der Parlamentarischen Bundesheer- Beschwerdestelle über die Jahre 2004 und 2005
samt Stellungnahme des Verteidigungsministers ( III-16 d.B.).
Denn bedauerlicherweise kommt es immer noch vor, dass Grundwehrdiener von Ausbildern beleidigend beschimpft ("Wappler"),
bedroht ("Ich nehme deine Mandeln raus und hack' dich um") oder gar tätlich angegriffen werden.
So liest man etwa im Jahresbericht 2004 von einem Ausbilder, der einen Rekruten am Hals packte, "um einen
Kaugummi zu entfernen". Auch schikanöse Ausbildungsmethoden gehören noch nicht ganz der Vergangenheit
an. Teilnehmern einer "Feldwoche" in der kalten Jahreszeit wurde etwa beim Morgensport befohlen, in einen
Schotterteich zu springen - die Lufttemperatur lag an diesem Tag knapp über dem Gefrierpunkt, die Wassertemperatur
betrug 5 Grad Celsius.
Die Reaktionen des Bundesheeres auf Fehlverhalten bei der Ausbildung junger Menschen reicht je nach Schweregrad
von Belehrungen über Disziplinarmaßnahmen bis hin zu Strafanzeigen gegen die Verantwortlichen. Angesichts
der stets wachsenden Anforderungen an das Ausbildungspersonal setzt das Bundesheer verstärkt auf professionelle
Schulung und Weiterbildung. Menschenführung, Kommunikations- und Motivationstraining stehen auf dem Programm
aller Akademien und Schulen des Heeres, liest man in der Stellungnahme des Ressorts. Beschwerdekommission und Ministerium
unterstreichen ihre enge Zusammenarbeit beim Abstellen von Missständen. Die Vorsitzenden der parlamentarischen
Bundesheerbeschwerdekommission - Abgeordneter Anton Gaal (amtsführender Vorsitzender seit 1.1.2005), Chefredakteur
Walter Seledec und Abgeordneter a.D. Paul Kiss - betonen, dass Probleme häufig bereits im Stadium des Erhebungsverfahrens
zufriedenstellend gelöst werden können.
Die parlamentarische Bundesheer-Beschwerdekommission nimmt nicht nur Beschwerden entgegen, sie wird auch immer
wieder von sich aus aktiv und führt amtswegige Überprüfungen durch. Im Jahr 2004 zählten dazu
jene schweren Ausbildungs-Missstände bei "Geiselnahme/-haft"-Übungen in drei Kasernen, die
in der Öffentlichkeit intensiv diskutiert wurden. Auf einem Video waren Rekruten zu sehen, die bei einer Geiselnahme-Übung
mit Säcken über den Köpfen auf Asphalt knien mussten und dabei beschimpft sowie mit Wasser abgespritzt
wurden. Den Rekruten wurde akustisch die Anwendung körperlicher Gewalt nicht nur vorgetäuscht, es kam
auch zu Übergriffen. In einem andern Fall mussten Rekruten gefesselt und mit Sporthauben über dem Gesicht
stundenlang in einer unbeheizten Reithalle verbringen. Teilnehmer eines Kaderfortbildungskurses waren - ebenfalls
im Rahmen einer Geiselnahmeübung - gefährdet, weil sie mit Säcken über dem Kopf in einem Kraftfahrzeug
ungesichert transportiert wurden. Bei "Crowd and Riot Control"-Übungen mit der Annahme einer Auseinandersetzung
zwischen Soldaten im Friedenseinsatz und gewaltbereiten Demonstranten verabsäumten es die verantwortlichen
Ausbilder, die als Demonstranten-Darsteller eingesetzten Grundwehrdiener mit entsprechender Schutzkleidung zu versehen
- Verletzungen waren die Folge.
Die Bundesheerbeschwerdekommission sah die erhobenen Vorwürfe im Zuge der Ermittlungen großteils als
bestätigt an, beurteilte den Ablauf der Geiselnahme/haft-Übungen "als Verstoß gegen die Menschenwürde",
stellte mangelhafte oder fehlende Dienstaufsicht fest, vermisste Vorschriften für die Ausbildung von Grundwehrdienern
beim Ausbildungsziel "Geiselnahme/-haft" und sprach daher eine besondere Empfehlung aus. Die Umsetzung
ihres Vorschlages per Erlass vom 9.12.2004, Grundwehrdiener zum "Verhalten bei Geiselnahme und Gefangennahme"
nicht praktisch auszubilden, sondern nur allgemein zu informieren, begrüßt die Beschwerdekommission
ausdrücklich.
In der Stellungnahme des Bundesministeriums zu den "Foltervorwürfen" und "Handlungen gegen
die Menschenwürde" bei der der Ausbildung in verschiedenen Verbände des Bundesheeres wird vorausgeschickt,
dass es sich bei den kritisierten Ausbildungsinhalten um die Darstellung der psychischen Belastung in Gefangenschaft
und um Übungen zum Verhalten in Gefangenschaft gehandelt habe. Die zur Untersuchung der Vorwürfe zuständige
Abteilung Disziplinar&Beschwerdewesen habe die Ergebnisse ihrer Erhebungen unverzüglich an die zuständigen
Staatsanwaltschaften übermittelt, was insgesamt 14 kriminalpolizeiliche Strafanzeigen zur Folge hatte. Mangels
ausreichender Gründe für eine strafrechtliche Verfolgung wurden die Anzeigen von den Staatsanwaltschaften
aber zurückgelegt. Der Vorwurf der Verletzung der Menschenrechte habe keine Bestätigung gefunden. In
keinem Fall sei es zu Misshandlungen, menschenunwürdiger Behandlung oder Folter gekommen, liest man in der
Stellungnahme des Ressorts. Festgestellt wurden jedoch Verfehlungen gegen Dienstvorschriften, die disziplinär
geahndet wurden.
Aus der Beschwerde-Statistik 2004 und 2005
Im Jahr 2004 nahm die Zahl der Beschwerden gegenüber dem Vorjahr insgesamt von 584 auf 474 ab. 53 % der beschwerderelvanten
Sachverhalte waren Personalangelegenheiten, 35 % betrafen Ausbildung und Dienstbetrieb. In 14 Fällen wurden
amtswegige Überprüfungen eingeleitet. 318 Verfahren konnten 2004 abgeschlossen werden, außerdem
wurden 2004 263 unerledigte Verfahren aus dem Jahr 2003 erledigt. Das Büro der Parlamentarischen Bundesheer-Beschwerdekommission
nahm im Jahr 2004 4420 telefonische oder schriftliche Anfragen entgegen.
2005 wurden 632 Beschwerden eingebracht und 22 amtswegige Überprüfungen eingeleitet. Das Beschwerdeaufkommen
stieg damit gegenüber dem Jahr 2004 auf insgesamt 654. Die Beschwerden betrafen zu 42 % Personalangelegenheiten
und zu 40 % Ausbildung und Dienstbetrieb. Von den 654 Verfahren konnten 534 bereits im Berichtszeitraum abgeschlossen
werden. Erledigt wurden auch 156 im Jahr 2004 unerledigt gebliebene Verfahren. 2005 wurden 3933 telefonische oder
schriftliche Anfragen an die Beschwerdekommission herangetragen. |