München (ifo) - Die wirtschaftliche Entwicklung verläuft in Österreich und Deutschland bereits
seit einigen Jahrzehnten nicht mehr parallel. Das gesamtwirtschaftliche Wachstum sowie die Entwicklung am Arbeitsmarkt
weisen in Österreich eine deutlich stärkere Dynamik auf, als das in Deutschland der Fall ist. In einer
aktuellen Studie kommt das Münchner ifo Institut zu dem Ergebnis, dass diese Unterschiede überwiegend
"hausgemacht", d.h. wirtschaftspolitisch bedingt sind. Während Österreich wichtige Reformschritte
auf den Gebieten der öffentlichen Finanzen, des Arbeitsmarkts und der Standortpolitik bereits vollzogen hat,
wird in Deutschland auf vielen Problemfeldern noch um die Ausgestaltung der Reformen gerungen.
Das Steuersystem in Österreich hat eine höhere Effizienz als das deutsche. Dies zeigt sich an einem System
mit deutlich niedrigeren Ecksätzen bei den Tarifen, das dennoch insgesamt höhere Einnahmen erzielt als
das deutsche System. Während Österreich wichtige steuerpolitische Reformen bereits vollzogen hat, wird
in Deutschland noch über die Art und Weise und insbesondere eine mögliche Absenkung der Gesamtbelastung
der Gewinne diskutiert.
Die österreichische Arbeitslosenquote liegt mit ca. 5 Prozent deutlich niedriger als die deutsche. Auch die
Struktur der Arbeitslosigkeit weist Unterschiede auf. So ist der Anteil der Langzeitarbeitslosen in Österreich
nicht nur geringer als in Deutschland, sondern liegt auch unter dem Durchschnitt der EU-15. Gleiches gilt für
spezifische Arbeitslosigkeit der gering qualifizierten Arbeitskräfte. Gerade hier nimmt Deutschland sogar
im OECD-Vergleich die absolute "Spitzenposition" ein.
Einer der Gründe für die dynamischere Entwicklung in Österreich liegt in den deutlichen Unterschieden
im Lohnniveau und den gesamten Arbeitskosten. Zwar hat sich der relative Lohnabstand zwischen den Ländern
- auch durch die Lohnzurückhaltung in Deutschland - verringert. Nach wie vor liegen aber die Arbeitskosten
im westdeutschen Verarbeitenden Gewerbe um mehr als 25 Prozent über denen in Österreich. Darüber
hinaus fehlt es dem deutschen Arbeitsmarkt an einer den hohen Arbeitskosten entsprechenden Flexibilität im
Bereich institutioneller Rahmenbedingungen. Dazu gehört v.a. auch der Kündigungsschutz. So verfügt
Österreich über weit flexiblere Regelungen für befristete Beschäftigungsverhältnisse und
für Leiharbeit, denen sich Deutschland erst in den letzten Jahren durch gezielte Reformen angenähert
hat. Ebenfalls positiv zu nennen ist das neue österreichische System laufend vorfinanzierter, portabler Abfindungsansprüche,
das die Entscheidungen über die Entlassung oder Weiterbeschäftigung eines Arbeitnehmers kostenneutral
macht, einen freiwilligen Arbeitgeberwechsel auch für den Arbeitnehmer erleichtert und zusätzlich eine
Funktion im Bereich der betrieblichen Altersvorsorge übernimmt. Auch der Arbeitsmarktservice mit einer stark
individualisierten Ausrichtung fördert eine rasche und gezielte Arbeitssuche und verhindert die Verfestigung
einer einmal eingetretenen Arbeitslosigkeit. |