Innsbruck (rms) - Im Rahmen des städtischen Projektes "Jugend.Bildung.Innsbruck" wurde in
Zusammenarbeit mit der Universität, Institut für Psychologie, und dem Bezirksschulrat Innsbruck-Stadt
eine Studie über schulische Beurteilungsformen (Ziffernbenotung, alternative Leistungsbeurteilung) und Lehrmethoden
(gebundener Unterricht, offener Unterricht) in Innsbrucker Volksschulen durchgeführt. Am 22.01. wurden die
Ergebnisse im Rahmen eines Pressegespräches mit Bildungsstadträtin Mag.a Christine Oppitz-Plörer,
A.o. Univ.-Prof. Dipl.-Psych. Dr. Dieter Frank, Renate Wolak (Direktorin VS Arzl), Eva Nora Hosp (Direktorin VS
Innere Stadt), Bezirksschulinspektor Reg.-Rat Ferdinand Treml und Mag. Ferdinand Neu (Amt Erziehung Bildung und
Gesellschaft) vorgestellt.
Die Ergebnisse der Studie belegen, dass offene Lernformen und alternative Leistungsbeurteilung wesentlich mehr
zu einem geglückten Schulstart von Kindern führen als traditionelle Formen des Unterrichts und Ziffernbeurteilung.
Begriffsklärung
Offener Unterricht
Kinder arbeiten selbstständig, gemeinsam mit einem Partner aus der Klasse im eigenen Lerntempo an
einem selbstgewählten Ort in der Klasse. Die Lehrperson beobachtet und gibt Hilfestellungen. Das Pensum an
offenem Unterricht in der Volksschule beträgt zwischen 10 und 15 Stunden in der Woche (insgesamt 20 Wochenstunden).
"Offener Unterricht" wird nicht nur in der Volksschule als Lehrmethode eingesetzt. Auch in der Sekundärstufe
wird offener Unterricht - zwar im eingeschränkten Maß - angeboten. "Die Kinder werden damit dort
abgeholt, wo sie stehen", beschreibt Direktorin Hosp den pädagogischen Zugang.
Alternative Leistungsbeurteilung
Alternative Leistungsbeurteilung läuft in Österreich immer noch als Schulversuch. In Innsbruck
gibt es bereits mehrere Schulen, die diese Form des Leistungsnachweises anbieten. In der VS Arzl und der VS Innere
Stadt läuft die individualisierte Leistungsbeurteilung bereits seit dem Schuljahr 1992/93. Kern ist ein so
genanntes Beobachtungsheft, in dem das Lehrpersonal die erreichten Lernziele registriert. In Beurteilungsgesprächen
im Jänner und Juni, die von LehrerInnen, Eltern und Kindern gemeinsam geführt werden, werden die erreichten
Lernziele zusätzlich besprochen. Am Ende der zweiten Klasse Volksschule bekommen die Kinder ihre Beurteilungshefte
mit nach Hause, da alternative Leistungsbeurteilung nur in den ersten beiden Schulstufen durchgeführt wird.
Die alternative Leistungsbeurteilung ist allerdings nicht gleichbedeutend mit der verbalen Beurteilung.
Zur Studie
Angelegt wurde die Untersuchung als Längschnittstudie. Die Stichprobe umfasst 96 Kinder aus 12 Schulen.
Befragt wurden SchülerInnen wie LehrerInnen. Befragungszeitraum war 2004/2005.
Mit der Frage "Bist du gut in Rechnen" und der Vorlage eines Bildes sollte die Kognitive Kompetenz bzw.
Selbsteinschätzung der Kinder ermittelt werden. Bei Ziffernbeurteilung und traditioneller Lehrmethode wurde
signifikant weniger Kognitive Kompetenz festgestellt. Außerdem war bei schwachen Schülern ein signifikant
höherer Abfall im Verlauf des Untersuchungszeitraums festzustellen.
Ein ähnliches Bild liefert das Item "Schulangst": Bei traditionellen Lehrmethoden und im Falle eines
schwachen Schülers wurde eine hohe Schulangst beobachtet.
Beim Thema "Peerakzeptanz" wurde die Selbsteinschätzung der SchülerInnen im Bereich Freundschaft
abgefragt. Auch hier wurde festgestellt, dass die Freundschaften bei traditioneller Lehrmethode und schwachen Schülern
im Laufe des Untersuchungszeitraumes signifikant abnahmen. "Freundschaften scheinen bereits in diesem Alter
über Leistung definiert zu werden", so Univ.-Prof. Dipl.-Psych. Dr. Dieter Frank.
Im Bereich der Beurteilung durch die Lehrer wurde festgestellt, dass Lehrer schwachen Schülern weniger "Produktives
Denken" zutrauen und es auch hier bei traditionellen Lehrmethoden eine Verstärkung gibt. Bei alternativen
Beurteilungsformen gab es eine Verbesserung. Auch in Sachen sozialer Kompetenz wird dieses Bild fortgeschrieben,
wieder werden schwache Schüler von den Lehrern als sozial inkompetenter angesehen.
Wert der Studie
Für Bezirksschulinspektor Reg.-Rat Ferdinand Treml war es wichtig, Fakten zu schaffen und eine Argumentationsgrundlage
für alternative Leistungsbeurteilung in den ersten beiden Schulstufen zu haben: "Mit dieser Studie haben
wird eine Grundlage, um beim Bildungsministerium vorstellig zu werden, sodass die alternative Leistungsbeurteilung
aus dem Status des Schulversuches gehoben wird und es künftig Sache der Schule und der Schulforen ist, welche
Form der Leistungsbeurteilung zum Einsatz kommt." Darüber hinaus erachtet Bezirkschulinspektor Treml
die Studie auch aus dem Grund als besonders wertvoll, da es immer noch Eltern gibt, die von der alternativen Leistungsbeurteilung
nicht begeistert sind.
Zudem ist Treml davon überzeugt, dass mit alternativer Beurteilungsmethode und offenem Lernen Kindern der
"glückliche Schulstart" wesentlich erleichtert werden kann. |