Aktuelle Aussprache über Lage an Medizinuniversitäten
Wien (pk) - Die Lage an den heimischen Medizinuniversitäten stand am Nachmittag des 01.02. im
Mittelpunkt einer aktuellen Aussprache des Wissenschaftsausschusses des Nationalrates. Zuvor wurde in der Sitzung
auch das Hochschülerschaftsgesetz mittels eines Initiativantrages von S und V repariert (97/A). Anlass dafür
war das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes, wonach das Gesetz in einem Punkt, der die Wahlmodi betrifft, zu
wenig determiniert gewesen sei und diese Determinierung nicht auf dem Verordnungswege vorgenommen werden könne.
Die Regierungsparteien brachten daraufhin einen Initiativantrag ein, mittels dessen der Text der ursprünglichen
Verordnung nun in das Gesetz inkorporiert wird.
In der diesbezüglichen Debatte erklärte Abgeordneter Josef Broukal (S), der Antrag saniere einen formalen
Mangel des Gesetzes, seine Fraktion stimme ihm daher zu. Darüber hinaus sei die SPÖ für weitere
Reformschritte, etwa hinsichtlich des passiven Wahlrechts für ausländische Studierende, über welche
in naher Zukunft gleichfalls zu reden sein werde. Abgeordneter Kurt Grünewald (G) verwies darauf, dass die
Grünen nach wie vor gegen die Schwächung der Bundesvertretung einträten. Die gegenständliche
Vorlage berühre diesen Punkt ebenso wenig wie die Frage des passiven Wahlrechts für ausländische
Studierende, deshalb könnten die Grünen ihr nicht beitreten.
Abgeordneter Martin Graf (F) erinnerte daran, dass seine Fraktion seinerzeit eine eigene Enquete zu diesem Thema
angeregt habe, die aber in der Folge nicht zustande gekommen sei. Das Gesetz weise Schwachstellen, vor allem hinsichtlich
der basisdemokratischen Möglichkeiten der Studenten, auf. Auch die Elimination des direkten Wahlrechts erachteten
die Freiheitlichen als problematisch. Über diese Fragen sollte ausführlich diskutiert werden. Da die
FPÖ das Gesetz insgesamt nicht befürworte, könne sie auch die Novellierung nicht mittragen, schloss
Graf. Abgeordneter Erwin Niederwieser (S) plädierte hingegen für die Annahme des Antrages und hielt fest,
über die weiteren Fragen gebe es noch keinen Konsens, also müsse man über diese weitere Gespräche
führen. Abgeordneter Gernot Darmann (B) signalisierte gleichfalls Zustimmung, um den betroffenen Studenten
das Wahlrecht zu ermöglichen.
Der Initiativantrag wurde mit der erforderlichen Mehrheit im Ausschuss angenommen.
Wie viele Ärzte und Ärztinnen sollen ausgebildet werden?
Für die folgende aktuelle Aussprache lud der Ausschuss zwei Experten, einerseits Vizerektor Rudolf Mallinger
von der Medizinuniversität Wien und andererseits Kurt Rützler von der ÖH, den Vorsitzenden der Wiener
Fakultätsvertretung.
Mallinger erläuterte eingangs die Ausgangssituation und erinnerte daran, dass die Curriculumsreform vermehrt
Kleingruppen vorgesehen habe, weshalb die Platzzahl ab dem 2. Studienjahr an den Universitäten Wien, Graz
und Innsbruck habe beschränkt werden müssen. Im Gefolge des Urteils des EuGH habe es unterschiedliche
Reaktionen der Standorte gegeben, Graz habe sich für eine Eingangsphase entschieden, Wien und Innsbruck hätten
auf ein "first come, first serve" orientiert. Schließlich habe man sich zu einem Eignungstest auf
Basis einer Quote entschlossen, der nun gegenwärtig im Zentrum der Diskussionen stehe. Mallinger verwies dabei
auf Zahlen, wonach der Anteil der Studierenden aus Deutschland – vor allem aus Bayern und Baden-Württemberg
- ohne Quote substantiell höher wäre, erklärte aber auch, dass eben diese Bundesländer gleichfalls
die Einführung von Eignungstests überlegten.
Rützler anerkannte zwar prinzipiell die Notwendigkeit von Zugangsbeschränkungen, trat aber für eine
machbare Lösung im Interesse österreichischer Studierender ein. Besonders wies er darauf hin, dass ausländische
Studierende zumeist wieder in ihre Heimat zurückkehrten, dem heimischen Gesundheitswesen so also nicht gedient
sei. Es brauche also eine nachhaltige, dauerhafte Lösung, die auch vor den Gerichten halte. Auch der soziale
Gedanke müsse berücksichtigt werden, zudem dürfe es nicht noch längere Wartezeiten geben. Rützler
mahnte schließlich auch ein verantwortungsvolles Agieren nach dem Studium ein, so müssten allen Absolventen
ein Arbeitsplatz zur Verfügung stehen. Daher sollte eruiert werden, wie viele Mediziner in absehbarer Zeit
benötigt werden.
Hahn: Sicherstellung der Qualität und des heimischen Bedarfs
In der daran anschließenden Diskussion wurde insbesondere auf die besondere Situation des Medizinstudiums
in Bezug auf den freien Hochschulzugang hingewiesen. So betonte Bundesminister Johannes Hahn, er sei grundsätzlich
für den freien Hochschulzugang, aber man brauche auf keinen Fall 5.000 neue Ärztinnen und Ärzte
jährlich. Er bezifferte den Bedarf mit ca. 1.000, wenn dies auch die unterste Grenze sei. An den Universitäten
seien auch nur limitiert Studienplätze vorhanden, und man könne gar nicht so viel Geld in die Hand nehmen,
wie Interesse seitens der Studierenden da sei. Um ein Qualitätsstudium anbieten zu können, müsse
die Frage geklärt werden, sagte Hahn, wie man das vorhandene Interesse mit dem tatsächlichen Bedarf an
HumanmedizinerInnen regeln könne. Denn gerade im Medizinbereich wollten die Absolventinnen und Absolventen
im hohen Ausmaß in ihrem erlernten Beruf tätig sein, was bei anderen Studien nicht der Fall sei.
In seinem Ministerium arbeite man daher zwei Varianten aus. Einerseits werde die bestehende Regelung dahingehend
überprüft, inwieweit man damit bei der EU unter Heranziehung neuer Argumente reüssieren könne,
und andererseits werde ein neues Modell erarbeitet, das auf die bisherigen Erfahrungen aufbaue und mit den Vorgaben
der EU kompatibel ist. Es würden auch andere Varianten, wie der von Abgeordnetem Gernot Darmann (B) angeschnittene
Uni-Scheck, geprüft. Der Minister bekräftigte, eine nachhaltige, haltbare und berechenbare Lösung
vorlegen zu wollen, da es um die Sicherstellung es österreichischen Bedarfs gehe. Einen freien Markt könne
man sich nicht leisten, daher müsse man die Studienplätze im Medizinbereich limitieren.
Hahn hielt es für geboten, die grundsätzliche Frage des freien Hochschulzugangs getrennt vom Medizinstudium
zu diskutieren. Er wolle vom Prinzip des freien Hochschulzugangs nicht abgehen, bekräftigte er, halte es aber
für notwendig, die Informationspolitik an den Höheren Schulen zu verbessern. Zugangsregelungen könne
es nur vor oder am Beginn eines Studiums geben, ein Hinausprüfen nach zwei bis drei Semestern sei seiner Auffassung
nach unfair.
Wie weit soll der Zugang geregelt werden und wie viele ÄrztInnen braucht man?
Im Gegensatz dazu plädierte der Ausschussvorsitzende Martin Graf (F) dafür, dies als grundsätzliche
Systemfrage zu diskutieren, da es um Chancen gehe. Er trat für den völlig freien Hochschulzugang ein,
ohne Zugangsbeschränkungen auch im Medizinbereich. Eine Jobgarantie gebe es auch in anderen Studienrichtungen
nicht und man müsse die Jobchance klar von der Studienchance trennen, stellte er fest. Was die Finanzierung
betreffe, so müsse man laut Graf eben Prioritäten setzen, und diese lägen beim Erststudium.
Abgeordneter Josef Broukal (S) griff die Frage des Ärztebedarfs auf und meinte, dass es in absehbarer Zeit
einen Ärztemangel geben werde. In 10 Jahren, so habe er erfahren, könnte es pro Jahr 1.400 bis 1.600
Pensionierungen, aber jeweils nur rund 800 neue Ärzte geben, was zu massiven Engpässen führen würde,
hätte man dann doch weit weniger Ärzte als man haben wolle. Hier müsse man schon jetzt Alternativen
andenken. Seine Klubkollegin Sabine Oberhauser zeigte sich im Hinblick auf Reglementierung und Limitierung eher
skeptisch, da dies nur zu einem Honorarniveau führen würde, das man nicht wolle. Grundsätzlich kritisierte
sie, dass das Krankenanstaltenarbeitszeitgesetz in weiten Bereichen nicht eingehalten wird.
Abgeordneter Kurt Grünewald (G) hielt kritisch fest, es sei in der Frage der Medizinuniversitäten viel
zu spät reagiert worden. Tatsache sei auch, dass alle Bundesärzte über 100 % in der Versorgung der
PatientInnen tätig seien, aber kaum mehr Zeit für Forschung und Lehre hätten.
Abgeordneter Wolfgang Zinggl (ebenfalls G) sprach sich dezidiert dagegen aus, nationale Staatsbürgerschaften
als Grundbedingung für einen Studienplatz vorzusehen, wandte sich aber ebenso dezidiert gegen Studienbehinderungen,
wie den Numerus Clausus in Deutschland. Er sah wenig Chancen für die Argumentation Österreichs bei der
EU und hielt es für unumgänglich, dass die EU Gerechtigkeit schaffe, etwa durch einen Finanzausgleich.
Diesen Vorschlag eines Lastenausgleichs bewertete Bundesminister Hahn für äußerst schwierig und
eher unrealistisch. Der europäische Hochschulraum funktioniere im Großen und Ganzen, sagte er, viele
ÖsterreicherInnen gingen auch hinaus und somit passe die Bilanz. In Deutschland würden nur so viele MedizinerInnen
ausgebildet, wie es dem geschätzten Bedarf entspreche. Daher gebe es auch seitens unseres Nachbarlandes keine
Bereitschaft zu einem Lastenausgleich. Was man brauche, sei daher eine Lösung für Österreich, meinte
Hahn, die Versäumnisse für die heutigen Schwierigkeiten ortete er bei den Beitrittsverhandlungen.
Für das Testverfahren sprach sich Abgeordnete Gertrude Brinek (V) aus, zumal sich dieses als aussagekräftig
erwiesen habe. Ebenso sah Abgeordneter Heribert Donnerbauer (V) keine Möglichkeit, von einer Zugangsregelung
an den Medizinuniversitäten abzugehen. Ein völlig freier Zugang in diesem Bereich würde eine Vervielfachung
der Studierenden bedeuten, warnte er. Um eine gute Ausbildung sicherstellen zu können, brauche man entsprechende
Kapazitäten, und daher sei es auch legitim gewesen, eine Regelung einzuführen, um österreichischen
Studierenden Gelegenheit zu geben, ein Medizinstudium zu beginnen. Dem schloss sich Abgeordneter Gernot Darmann
(B) an. Er hielt es auch für unzumutbar, dass die Mittel für die Studien zu 90 % von österreichischen
SteuerzahlerInnen aufgebracht werden, knapp die Hälfte der Studienplätze aber ausländische Studierende
inne haben.
Vizerektor Rudolf Mallinger betonte aus seiner Sicht abermals, wie wichtig es sei, ein qualitätsvolles Studium
anzubieten, und gab zu bedenken, dass vor der Einführung der Zugangsregelung die Dropout-Quote bei 50 % gelegen
ist. Heute sei diese drastisch gesunken. Seiner Ansicht nach seien daher die Zugangsregelungen am Beginn des Medizinstudiums
in einem fairen, objektiven und transparenten Verfahren sinnvoll und legitim. Das derzeitige Testverfahren bewertete
er für gut und aussagekräftig. Die prognostizierte Zahl von notwendigen 1.200 bis 1.300 AbsolventInnen
bezeichnete er als vernünftig. Er warnte auch davor, die Studentenzahlen an der Wiener Medizinuniversität
zu erhöhen, da dies zu einem enormen Qualitätsverlust führen würde. Ähnlich argumentierte
Kurt Rützler, der dezidiert feststellte, jedem müsse klar sein, dass eine schlechte Ausbildung auch schlechte
Ärzte nach sich ziehe. Man könne zwar über die Erhöhung der Studierendenzahl reden, aber 5.000
StudienanfängerInnen zuzulassen, gehe keinesfalls. Der derzeit angewendete Test sei seiner Meinung nach das
geringere Übel und auf alle Fälle besser als ein Numerus Clausus. Wenn er auch über den Test nicht
glücklich sei, kenne er nichts besseres, meinte Rützler. Die Studierenden aus Deutschland kämen
nicht, weil die österreichischen Universitäten so gut sind, sondern weil sie in Deutschland nicht studieren
können. |