Die Organisation for Economic Cooperation and Development (OECD) widmet sich in einem aktuellen
Bericht dem Thema Jugend und Verkehrssicherheit
Wien (kfv) - Verkehrsunfälle sind mit Abstand die häufigste Todesursache unter den 15-
bis 24-jährigen Bürgern der OECD-Staaten. Der aktuelle Bericht „Young Drivers. The Road to Safety“, an
dem auch das Kuratorium für Verkehrssicherheit mitgearbeitet hat, zeigt, dass zwischen 18 und 30 Prozent aller
in OECD-Ländern getöteten Lenker aus dieser Altersgruppe kommen, obwohl ihr Bevölkerungsanteil in
den jeweiligen Heimatstaaten nur zwischen neun und 13 Prozent ausmacht. Alleine im Jahr 2004 starben in den Ländern
der OECD etwa 8.500 jugendliche Fahrzeuglenker. Dazu kommt noch eine große Zahl an getöteten oder schwer
verletzten Beifahrern, die ebenfalls in diese Unfälle involviert waren. Betroffen sind vor allem männliche
Jugendliche: Die Sterberate junger Männer ist bis zu drei Mal höher als jene gleichaltriger Frauen –
selbst wenn man in Betracht zieht, dass Männer mehr Kilometer fahren.
Erfahrung spielt die wesentliche Rolle
Internationale Studien haben gezeigt, dass das Unfallrisiko vor allem in den ersten zweieinhalb Jahren
nach dem Führerscheinerwerb rapide abnimmt, sodass man davon ausgehen kann, dass die wachsende Fahrerfahrung
die wesentliche Rolle bei der Unfallvermeidung spielt. Natürlich ist aber auch das Alter eines Lenkers von
immenser Bedeutung, denn bei Jugendlichen kommen zur fehlenden Erfahrung auch noch „Flausen“ wie Imponiergehabe
und hohe Risikobereitschaft dazu. OECD-weit zeigt sich daher ein typisches Bild bei den Unfallumständen, denen
Jugendliche zum Opfer fallen. Alleinunfälle durch Kontrollverlust über das Fahrzeug führen die Liste
an. Eng damit verbunden sind auch Unfälle wegen zu hoher Geschwindigkeit: Eine Studie aus Victoria, Australien,
kam zu dem Ergebnis, dass Fahranfänger bei Unfällen auf kurvenreichen Straßen mit Geschwindigkeitsbegrenzungen
zwischen 70 und 90 km/h überrepräsentiert sind. Auch die relative Häufung von Unfällen jugendlicher
Lenker in den Nachtstunden ist ein OECD-weites Charakteristikum, wobei die sog. „Discounfälle“, die an Wochenenden
passieren, besonders hervorstechen. Dazu kommt, dass laut der europaweiten Studie SARTRE nur die Hälfte der
befragten männlichen Jugendlichen im Stadtverkehr regelmäßig den Gurt anlegt. Selbst auf Autobahnen
tragen nach eigenen Angaben nur 72 Prozent der jungen männlichen Europäer immer einen Gurt.
Die Gründe, warum Alter, Geschlecht und Erfahrung bei jugendlichen Fahrern oft auf fatale Weise zusammenspielen
und warum manche Jugendliche risikobereiter als andere sind, sind vielfältig. Dahinter stecken Faktoren der
physiologischen und emotionalen Entwicklung, die Persönlichkeit, soziale Normen, die eigenen Lebensumstände
und nicht zuletzt die Überforderung mit dem Fahren selbst. Verschiedene Untersuchungen sind außerdem
zu dem Schluss gekommen, dass das Unfallrisiko signifikant steigt, wenn gleichaltrige Mitfahrer an Bord sind. Junge
Fahrer werden dabei zu leichten Opfern des Sozialisationsprozesses, in dem sich Rebellion gegen die Eltern einerseits
und der Druck der „Peer Group“ andererseits gegenüber stehen. So wurde bei Beobachtungen festgestellt, dass
junge männliche und weibliche Fahrer schneller und mit weniger Abstand zum Vordermann fuhren, wenn sie von
jüngeren Mitfahrern begleitet wurden. Am stärksten ausgeprägt war unsoziales und riskantes Verhalten
zu bemerken, wenn sowohl Fahrer als auch Mitfahrer männlich waren.
Schwierige Gegenmaßnahmen
Die Probleme des Erwachsenwerdens stellen auch die verantwortliche Politik vor große Herausforderungen.
Während jugendliche Fahrzeuglenker Erfahrungen sammeln müssen, um sichere Verkehrsteilnehmer zu werden,
sind sie selbst, ihre Mitfahrer und potenziellen „Unfallgegner“ in diesem Prozess den größten Risiken
ausgesetzt. Der OECD-Bericht kommt zu der Erkenntnis, dass Einzelmaßnahmen ohne nachhaltige Wirkung bleiben
und befürwortet daher einen koordinierten Ansatz, der Erziehung, Training, Fahrschulausbildung, Überwachung,
Öffentlichkeitsarbeit und neue Technologien umfasst. Unterstrichen wird auch, dass in der Ausbildung weniger
das formale Fahrtraining das Unfallrisiko minimiert, sondern vielmehr die Auseinandersetzung mit dem eigenen Fahrverhalten
und das Verständnis für jene Faktoren, die das Risiko in die Höhe treiben. Im Rahmen der Ausbildung
spricht sich der OECD-Bericht auch für eine umfassendere, begleitete Fahrpraxis in den unterschiedlichsten
Verkehrssituationen vor dem Führerscheinerwerb aus. Beobachtungen in Schweden haben gezeigt, dass die Unfälle
jugendlicher Lenker um 40 Prozent zurückgegangen sind, nachdem die Zahl der Praxisstunden von 50 auf 120 erhöht
wurde. Um das Risiko auch nach der bestandenen Führerscheinprüfung niedrig zu halten, befürwortet
die OECD Stufensysteme, die striktere Regeln beim Alkoholisierungsgrad und sogar teilweise „Nachtfahrverbote“ für
Jugendliche beinhalten könnten.
Dass sich die intensivere Auseinandersetzung mit dem eigenen Fahrverhalten in einem Unfallminus niederschlägt,
zeigen auch die österreichische Mehrphasenausbildung und L17. Seit der Einführung dieser Systeme sind
die Unfälle mit 18- bis 24-jährigen Pkw-Lenkern konstant zurückgegangen. Von Jänner bis Oktober
2006 gab es in dieser Gruppe von Verkehrsteilnehmern 7.938 Unfälle mit Personenschaden. Im selben Zeitraum
2002 waren es noch 10.011. |