Salzburg (universität) - Seit Erzbischof Wolf Dietrich wird Salzburg als das „Rom des Nordens“ bezeichnet.
Wissenschafter der Universität Salzburg erforschen die Bau-, Ausstattungs- und Kulturgeschichte der Salzburger
Residenz. Das Projekt wird vom Fonds zur Förderung der Wissenschaftlichen Forschung mit 246.000 Euro finanziert.
Das Gebäude war Jahrhunderte lang eine Stätte fürstlicher Prachtentfaltung und zählt heute
zu den historisch wertvollsten Bauwerken der Salzburger Altstadt. Die Residenz befindet sich zum größten
Teil im Besitz des Landes Salzburg und der Universität. Unter anderem beherbergt sie die Altertumswissenschaften,
die Rechtswissenschaftliche Fakultät und die Residenzgalerie, deren Direktorin Roswitha Juffinger an den Forschungen
beteiligt ist.
Interdisziplinäres Forschungsprojekt der Bau-, Ausstattungs- und Kulturgeschichte der Salzburger Residenz
Das interdisziplinäre Projekt wird von der Salzburger Kunsthistorikerin Ingonda Hannesschläger
und dem Historiker Gerhard Ammerer geleitet. Gemeinsam mit weiteren sieben Mitarbeitern bereiten sie eine umfangreiche
Dokumentation vor. Die derzeitigen Kenntnisse über die Residenz seien nur fragmentarisch, sagt Hannesschläger.
Möglichst viele Antworten auf ein ganzes Bündel von Fragen sollen geklärt werden, etwa: „Wie sah
das Leben am Hof aus, wie viele Leute waren dort beschäftigt, wo kamen die Lebensmittel her und wie wurden
sie verwahrt?“ Der Alltag in der Residenz war maßgeblich durch ein strenges Zeremoniell bestimmt, sowohl,
was das geistliche wie das weltliche, das private und das öffentliche Leben betrifft. Nicht nur das gesellschaftliche
Leben soll Gegenstand der Betrachtung sein, auch auf Architektur und Ausstattung wird ein besonderes Augenmerk
gelegt. „Wie der Bau selbst, so kann auch die Ausstattung als ein über Jahrhunderte gewachsenes Konglomerat
bezeichnet werden“, so Ammerer. Erst die Auswertung der Archivalien und die Analyse der neuen Erkenntnisse über
die Bausubstanz, die in den Händen des ehemaligen Landeskonservators Walter Schlegel liegt, lassen wesentliche
neue Ergebnisse erwarten.
Salzburg - das Rom des Nordens
Die Ursprünge der Salzburger Residenz datieren auf das Jahr 1124, Erzbischof Konrad I. ließ
die Residenz in mittelalterlicher Bauweise mit umfangreichen Stallungen errichten. Herzstück der Forschungsarbeit
wird jedoch die Zeit ab Erzbischof Wolf Dietrich von Raitenau (15871612) sein. Unter ihm wurde die Residenz grundlegend
neu gestaltet und erhielt weitgehend ihr heutiges Aussehen. Wolf Dietrich vollzog den Übergang von einer mittelalterlich
beengten zu einer geplanten modernen Stadt. Von den Baumaßnahmen waren sowohl die Residenz, als auch Teile
der heutigen Salzburger Altstadt und das rechts der Salzach gelegene Viertel um die Linzergasse betroffen. Salzburg
avancierte zum „Rom des Nordens“, als welches es auch heute noch gerne bezeichnet wird. Ob die Bautätigkeit
in Salzburg tatsächlich nur unter italienischem Einfluss stand oder ob nicht auch Einflüsse des Nordens
ihren Niederschlag fanden, ist eine weitere Frage, die die Wissenschafter enträtseln wollen. Zweifelsohne
war Wolf Dietrich von Rom und insgesamt von Italien stark beeinflusst und mit den urbanistischen Maßnahmen
der römischen Päpste bestens vertraut. Dennoch seien viele Aspekte der bisherigen Forschungen zu hinterfragen.
Das Werk umfasst die Zeit von 1124 bis 1803
Die Wissenschafter schließen ihre Forschungsarbeiten an der Salzburger Residenz zunächst einmal
1803 ab, dem Jahr der Säkularisation, wodurch die weltliche Herrschaft der Salzburger Erzbischöfe ihr
Ende fand. Innerhalb der nächsten drei Jahre, bis zum Sommer 2009, soll ein illustriertes Werk mit einem Umfang
von rund 650 Seiten erarbeitet werden, das die verschiedenen Facetten der Geschichte der Residenz von Beginn an
bis zur Säkularisation im Jahre 1803 beinhaltet. Die wissenschaftliche Arbeit erweist sich als mühsam,
da so gut wie alle Quellen und Kunstschätze nach der Säkularisation verbracht wurden. Ein Teil fiel dem
napoleonischen Kunstraub zum Opfer, ein Teil kam durch den Anschluss Salzburgs an Bayern nach München. Als
Salzburg im Jahre 1816 als neues Kronland dem habsburgischen Österreich zufiel, ging der Rest der Kunstschätze
nach Wien und befindet sich nun dort in verschiedenen Sammlungen. Die Rekonstruktion der erzbischöflichen
Gemäldesammlung erfordert eine mühsame Detailarbeit in in- und ausländischen Archiven. Die Spuren
führen vor allem nach München, Bozen, Florenz, Rom und Tetschen.
Neben dem Hauptwerk sind eine Reihe von Einzelpublikationen geplant. Darüber hinaus ist für 2008 an einen
großen internationalen Kongress zur europaweiten Residenzenforschung gedacht. „Außerdem“, so Ammerer,
„möchten wir auch noch die Zeit von 1803 bis heute erfassen, was allerdings erst in einem Folgeprojekt möglich
sein wird.“ |