Eine leichtgewichtige Formel löst schweres Problem
Wien (fwf) - Gefährliches Untergewicht bei SpitzensportlerInnen kann durch den neu entwickelten
Mass Index nun noch exakter festgestellt werden. Denn diese methodische Innovation berücksichtigt im Gegensatz
zum bisher üblichen Body Mass Index auch die individuelle Beinlänge. Entwickelt wurde der neue Index
im Rahmen eines Projekts des Österreichischen Wissenschaftsfonds FWF, welches zuvor bereits die Basis zur
Lösung des Untergewichtsproblems im Skispringen geliefert hat. Ausgangspunkt des Projekts bilden umfangreiche
Feldstudien während der Olympischen Spiele.
Weniger ist mehr - zumindest wenn es um Körpergewicht und Sprungweite beim Skispringen geht. Denn wer leichter
ist, der fliegt weiter. Doch wann ist "wenig" tatsächlich "zu wenig"? Wann wird geringes
Gewicht zu wettbewerbsverzerrendem und krankhaftem Untergewicht und wie kann man diesen gesundheitlichen Fehlentwicklungen
im Sport begegnen?
Genau diesen Fragen ging ein Team rund um Prof. Wolfram Müller, Forschungszentrum Human Performance Research
Graz der Karl-Franzens- und Medizinischen Universität Graz, im Rahmen des Projekts "Untergewichtsproblematik
bei Leistungssportlern" nach. Eines der Ergebnisse ist eine wesentlich verbesserte Möglichkeit zur Beurteilung
von Unter- und Übergewicht: Das neue Maß für relatives Körpergewicht heißt Mass Index
(MI) und wird den Body Mass Index (BMI), der die Körperproportionen und insbesondere die individuelle Beinlänge
nicht berücksichtigt, in Zukunft ergänzen oder auch ersetzen.
Lange Beine machen dünn?
Mit seiner neuen Methode bietet Prof. Müller eine genauere Berechnung des relativen Körpergewichtes
an, wie er erklärt: "Wer lange Beine hat, wird bei den bisherigen Berechnungen als zu dünn bewertet
und umgekehrt werden Personen mit extrem kurzen Beinen auch schnell als übergewichtig abgestempelt. Beides
ist aber inkorrekt. Denn die bisherige Berechnungsmethode geht vereinfachend nur von der Größe des Menschen
aus. Der von uns berechnete Mass Index berücksichtigt hingegen die Proportion zwischen den Beinen und dem
Oberkörper."
Die Ergebnisse, die im Rahmen dieses Projekts erzielt wurden, haben bereits dazu geführt, die Untergewichtsproblematik
bei Skispringern einzudämmen. Denn die Untersuchungen der Körperstatur der Athleten in Verbindung mit
aerodynamischen Messungen und Berechnungen haben den internationalen Skiverband davon überzeugt, das Skisprung-Reglement
ab der Saison 2004/05 zu ändern: Extrem leichte Athleten sind nun gezwungen, mit kürzeren Skiern zu springen.
Seit der Umsetzung dieser neuen Wettkampfregeln gibt es praktisch keine untergewichtigen Springer mehr, die sich
durch Hungern in diesen Zustand bringen. Damit soll in Zukunft die Leistung der Athleten zählen und nicht
Vorteile durch Untergewicht.
Olympische Feldstudie
Die vielfältigen Projektresultate waren nur durch umfassende Untersuchungen möglich, die neben
dem Internationalen Skiverband auch vom Olympischen Komitee unterstützt wurden. Prof. Karl Sudi, der gemeinsam
mit Prof. Müller das Projekt entwickelt hat, dazu: "Wir hatten die große Chance, direkt während
der Olympischen Spiele 2002 in Salt Lake City eine Feldstudie bezüglich der individuellen Flugstile der Athleten
durchzuführen und parallel dazu die Körperproportionen sowie die Körperzusammensetzung der Skispringer
zu untersuchen. Durch die Teilnahme fast aller Skispringer, die bei den Spielen starteten, konnte die Basis für
die Reglementänderung im Skispringen gelegt werden."
Besonders erfreulich ist in diesem Zusammenhang, dass letztlich auch die Athleten von dem FWF-Projekt profitierten:
Im Zuge von Messungen in Windkanälen wurden völlig neue Trainingsformen entwickelt, die zur Leistungsoptimierung
der Skispringer sowie der Nordischen Kombinierer wesentlich beitragen. Acht Athleten, die an diesen Trainingsformen
teilgenommen hatten, gewannen Gold bei den Olympischen Spielen in Turin. |