Wien startet neues Projekt zur Brustkrebsvorsorge  

erstellt am
13. 02. 07

"Ich schau auf mich" - Stadt Wien ist mit Mammographie- Screening Vorreiterin im Kampf gegen Brustkrebs
Wien (rk) - Systematische, qualitätsgesicherte Mammographie- Screenings für Frauen über 50 gelten Richtlinien von WHO und EU zufolge als wesentliche Maßnahme im Kampf gegen Brustkrebs. Unter dem Motto "Ich schau auf mich" implementieren die Stadt Wien und die Wiener Gebietskrankenkasse im 15., 16. und 17. Bezirk nun ein Pilotprojekt zu einer organisierten Brustkrebsfrüherkennung.

Wehsely: Mehr Frauen zur Früherkennung motivieren
"Einmal mehr leistet Wien Pionierarbeit für die Frauengesundheit. Ein wichtiges Ziel unserer neuen Mammographie- Initiative ist es, möglichst viele Frauen zu erreichen, die aus sozialer Benachteiligung oder fehlender Information die bestehenden Angebote zur Brustkrebs- Früherkennung bisher nicht ausreichend in Anspruch genommen haben", steckt die Wiener Gesundheitsstadträtin Mag.a Sonja Wehsely wesentliche Elemente des Projekts ab.

Das Pilotprojekt widmet sich einem wichtigen gesundheitspolitischen Thema: In Österreich ist das Brustkarzinom die häufigste Krebstodesursache bei Frauen - pro Jahr erkranken 5.000 Frauen an Brustkrebs, jede Dritte davon stirbt an der Erkrankung. Bei jeder neunten Frau wird im Laufe ihres Lebens ein bösartiger Brusttumor diagnostiziert, allein in Wien sind jährlich rund 900 Frauen betroffen.

Zielgruppe des neuen Wiener Projekts sind alle Frauen zwischen 50 und 69 Jahren aus den drei ausgewählten Bezirken, das sind knapp 24.000 Personen. Stadträtin Wehsely: "65 Prozent von ihnen haben in den vergangenen zwei Jahren keine Mammographie machen lassen. Diesen Anteil wollen wir deutlich senken."

Bittner: Soziale Benachteiligung beseitigen
Dem Obmann der Wiener Gebietskrankenkasse Franz Bittner ist auch die soziale Dimension des Projekts ein besonderes Anliegen. "Bei vielen Erkrankungen, gerade aber beim Brustkrebs ist die Intensität, mit der Vorsorgemöglichkeiten wahrgenommen werden, in hohem Maß von der Bildung und dem sozialen Status abhängig. Es gehört daher zu den großen Herausforderungen des neuen Wiener Pilotprojekts Mammographiescreening, besonders die Teilnahme sozial benachteiligter Frauen an der Untersuchung zu fördern."

Daher wird der Schwerpunkt zunächst bewusst im 15., 16. und 17. Bezirk gesetzt - also in Bezirken mit hoher Risikoquote und niedriger Untersuchungsfrequenz. Das unter anderem deshalb, weil diese Bezirke durch einen niedrigen Einkommensindex und einen hohen Anteil von nicht-österreichischen Frauen in der angestrebten Altersgruppe charakterisiert sind.

"Die Teilnahme am Programm ist für alle Frauen in den ausgewählten Bezirken gewährleistet - unabhängig davon, ob oder bei welchem Sozialversicherungsträger sie versichert sind", so WGKK-Obmann Bittner: "Ich bin davon überzeugt, dass mit diesem Vorstoß Lebensjahre und Lebensqualität gewonnen werden können und Frauen viel Leid erspart bleibt. Jede Frau, die wir zusätzlich erreichen können, ist ein Gewinn - und rechtfertigt das Projekt."

Kdolsky: Bundesweite Umsetzung geplant
Eine Verbesserung für Frauen, die auch Gesundheitsministerin Dr.in Andrea Kdolsky anstrebt: "Wir wissen, dass gerade beim Brustkrebs die Heilungschancen umso besser sind, je früher die Erkrankung entdeckt wird. Mein erklärtes Ziel ist es, möglichst vielen Frauen das Leid, das durch ein zu spät erkanntes Brustkarzinom verursacht wird, zu ersparen." Deshalb gelte es, die Früherkennungsrate weiter zu erhöhen.

Ministerin Kdolsky: "Unser Ziel muss die Implementierung eines flächendeckenden und qualitätsgesicherten Mammographie- Screening-Programms in Österreich sein, das sich durch Standards wie ein spezielles Einladungssystem, eine Doppelbefundung durch zwei SpezialistInnen oder die Abklärung in interdisziplinären Teams auszeichnet."

Mit dem Ziel der bundesweiten Einführung der Brustkrebs- Reihenuntersuchung liegt Österreich ganz im europäischen Trend: "Die Europäische Kommission und das Europäische Parlament haben alle Mitgliedsstaaten zur Implementierung der EU-Screening- Leitlinien bis zum Jahr 2008 aufgerufen. Die Bundesgesundheitskommission hat für den Zeitraum 2005 bis 2008 insgesamt 4,1 Millionen Euro für neue Initiativen der Brustkrebs- Früherkennung zur Verfügung gestellt. Umgesetzt werden damit einerseits Verbesserungen im Bereich des genetisch bedingten Brustkrebses. Andererseits werden mit diesen Mitteln Screening- Pilotprojekte in einigen Bundesländern unterstützt, wobei die Modellprojekte den EU-Leitlinien entsprechen müssen. Ich freue mich, dass das Wiener Pilotprojekt diesem Anspruch in besonders hohem Maße gerecht wird", so Gesundheitsministerin Kdolsky.

Dorner: Hohe diagnostische Qualität ist ein Gewinn für die Wienerinnen
Auch die Wiener Ärztekammer unterstützt das Mammographie- Screening als "eine ganz wichtige Initiative zur Förderung der Früherkennung", wie der Wiener Ärztekammer-Präsident Dr. Walter Dorner betont. "Die regelmäßige Mammographie und der regelmäßige Besuch beim Frauenarzt sind die effektivsten Methoden zur Erkennung von Brustkrebs in einem frühen Tumorstadium mit guten Heilungschancen. Daher ist es erstrebenswert, dass noch viel mehr Frauen als bisher das Angebot der Früherkennung nutzen. Alle dahin gehenden Aktionen sind aus meiner Sicht höchst begrüßenswert."

Zudem habe man ein Einvernehmen mit der Ärztekammer als Vertragspartner erzielen können und die Auswahl der RadiologInnen sei nach gemeinsamen Qualitätskriterien erfolgt. Ebenso wie die medizinische Versorgung für alle Wienerinnen und Wiener auf höchstem Niveau ein zentrales Anliegen sei, so gelte das auch für die Vorsorge und Früherkennung.

Wichtig sei auch, dass "datenschutzrechtliche Aspekte der PatientInnendaten gerade bei dieser heiklen Untersuchung entsprechend geschützt werden". Präsident Dorner: "Diesen höchsten Qualitätsansprüchen wird dieses Projekt gerecht. Es ist ein großer Erfolg für alle beteiligten ProjektbetreiberInnen - aber insbesondere ein großer Erfolg für die Wienerinnen."

Helbich: Systematische Screenings retten Leben
Eine Einschätzung, die auch Radiologie-ExpertInnen teilen. "Die Mammographie ist die derzeit beste Methode zur Früherkennung von Brustkrebs. Sie erlaubt mit hoher Treffsicherheit den Nachweis von Veränderungen in der Brust, lange bevor sie als Knoten tastbar sind", sagt Univ.-Prof. Dr. Thomas Helbich von der Universitätsklinik für Radiodiagnostik und wissenschaftlicher Leiter des Projekts. "Dass sich Todesfälle und belastende Behandlungen durch Mammographie-Untersuchungen vermeiden lassen, gilt insbesondere für organisierte, qualitätsgesicherte Screening- Programme. Das Mammographie-Screening ist die einzige evidenzbasierte Früherkennungsmethode, die nachweislich zu einer deutlichen Reduktion der Mortalität bei Brustkrebs beiträgt."

Im Gegensatz zum Screening - der systematischen, flächendeckenden Durchuntersuchung aller Frauen zwischen 50 und 69 Jahren - gibt es in Österreich derzeit die so genannte opportunistische Mammographie: Eine Frau geht dann zum Früherkennungsröntgen, wenn sie selbst es möchte oder wenn es von Arzt oder Ärztin angeraten wird.

Internationale Beispiele belegen die Effizienz des Screening- Ansatzes: In europäischen Studien konnte nachgewiesen werden, dass ein Mammographie-Screeningprogramm nach EU-Leitlinien die Sterblichkeit an Brustkrebs in der Altersgruppe der 50- bis 69- jährigen Frauen um bis zu 25 Prozent senken kann. "Auf Österreich umgelegt bedeutet das, dass 200 bis 300 Frauen nicht sterben müssten", rechnet Prof. Helbich vor.

Damit sie diesen Nutzen tatsächlich erbringt, muss die Röntgen-Reihenuntersuchung unter Einhaltung besonderer Qualitätsstandards durchgeführt werden, wie sie auch das Wiener Pilotprojekt umsetzt. Dazu gehört nicht nur die Qualifikation aller am Screening-Prozess Beteiligten und die Qualität der technischen Geräte, sondern auch eine hohe Sicherheit durch die zwingende Vorgabe des "double reading" jedes Befundes und die Standardisierung einer interdisziplinären Zusammenarbeit.

Wimmer-Puchinger: Intensive psychologische Betreuung
Eine Besonderheit des Wiener Pilotprojkets ist die engmaschige psychologische Betreuung, die bereits auf der Stufe der Abklärungsdiagnostik angeboten wird.

"Die Diagnose Brustkrebs ist für jede betroffene Frau ein schwerer Schlag, eine massive Krisensituation. In dieser Lage lassen wir die Frauen nicht allein und bieten ihnen Beratung und Unterstützung an", betont die Wiener Frauengesundheitsbeauftragte Prof.in Dr.in Beate Wimmer-Puchinger. "Dies gilt nicht nur für die von der Krankheit betroffenen Frauen, sondern auch für jene Frauen, bei denen sich in der weiteren Folge der Diagnosekette der Erstverdacht als zum Glück nicht richtig herausstellt."

Daher werden alle am Screening beteiligten MitarbeiterInnen, die Kontakt mit Frauen bzw. Patientinnen haben, spezielle Trainings absolvieren. Um wirklich die gesamte Zielgruppe zu erreichen, wird diese Unterstützung in mehreren Sprachen angeboten.

Prof.in Wimmer-Puchinger: "Dieses spezielle Angebot macht das neue Pilotprojekt zu etwas so besonderem: Zu einem maßgeschneiderten Programm, das auf die Bedürfnisse der Frauen zielgerichtet eingeht." (Schluss) lac

Das Wiener Pilotprojekt Mammographie-Screening im Überblick

* ab März: Schreiben an alle Frauen in der Zielgruppe 50-69 Jahre
in den drei Bezirken, zeitlich gestaffelt, pro Woche etwa 240
* Inhalt dieses Schreibens: persönliche mehrsprachige Einladung,
mehrsprachige Informationsbroschüre (deutsch, englisch,
türkisch, bosnisch/kroatisch/serbisch), konkreter
Terminvorschlag für eine der drei teilnehmenden
Untersuchungseinheiten (Radiologie des Hanusch-Krankenhauses;
Radiologie Hernalser Spitz: Ordination, Prof. Tscholakoff;
Ordination Dr. Wiesmayr)
* mehrsprachige Hotline (gesponsert von T-Mobile): Management
etwaiger Terminverschiebungen, Betreuung von Rückfragen
* Befundung: "double reading" durch zwei BefunderInnen; bei
Diskrepanz Drittbefundung und konsensuelle Entscheidung über
weitere Abklärung; die ersten 3.000 Bilder werden von einem
international anerkannten Referenzzentrum supervidiert
* bei Bedarf weitere nichtinvasive Abklärung: klinische
Befunderhebung, Zusatzaufnahmen, Sonographie
* bei suspektem Befund: invasive weitere Verdachtsabklärung (zum
Beispiel Biopsie) in Hanuschkrankenhaus und Wilhelminenspital
* bei bestätigtem positiven Befund: Therapie und Nachsorge im
multidisziplinären Mammazentrum von Hanuschkrankenhaus und
Wilhelminenspital - unter Einbeziehung des ursprünglich
      untersuchenden Arztes
 
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