2007 ist "Europäisches Jahr der Chancengleichheit für alle"  

erstellt am
20. 02. 07

Burgstaller: Bemühungen zur Umsetzung des Gleichbehandlungsgesetzes bündeln / Auftakt-Symposium im Salzburg Congress
Salzburg (lk) - Das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union haben das Jahr 2007 zum "Europäischen Jahr der Chancengleichheit für alle" als Beitrag zu einer gerechten Gesellschaft ausgerufen. Das Symposium in Salzburg ist der Auftakt zu einer Fülle von Aktivitäten. Zu Beginn steht eine fachliche Auseinandersetzung, die den Blick ganz bewusst auf die internationalen Erfahrungen richtet und mit den nationalen Erfordernissen zusammenführt. Zum Auftakt findet am 21.02. von 16.00 bis 21.00 Uhr im Salzburg Congress (Mozartsaal, Haupteingang Kurgarten) ein Symposium statt. Der Eintritt ist frei.

"Dieses 'Jahr der Chancengleichheit für alle' kommt für uns in Salzburg wie gerufen. Vor allem deshalb, weil wir damit unsere engagierten Bemühungen, das neue Salzburger Gleichbehandlungsgesetz, das seit 1. Mai des Vorjahres in Kraft ist, umzusetzen, bündeln und mit zusätzlicher Kraft und Motivation vorantreiben können", erklärte Frauen- und Gleichbehandlungsreferentin Landeshauptfrau Mag. Gabi Burgstaller, die das Symposium eröffnen wird. Sie sei auch überzeugt, dass es aufgrund der intensiven Vorbereitung in Salzburg gelingen wird, nachhaltige Spuren zu legen. "Ein solches 'Themenjahr' darf sich nicht in Luftballons und 'Runden Tischen' erschöpfen; gemeinsam müssen wir uns bemühen, unter intensiver Beteiligung aller betroffenen Zielgruppen direkt auf den 'Baustellen der Chancengleichheit' zu arbeiten. Ob es um die Integration von Kindern mit nicht-deutscher Muttersprache in Kindergarten oder Schule geht oder um die Beseitigung von Barrieren für Menschen mit Behinderungen im öffentlichen Verkehr, die Gleichstellung von gleichgeschlechtlichen Partnerinnen und Partnern, die Wertschätzung unseren älteren Mitbürgerinnen und Mitbürgern gegenüber – in all diesen Bereichen sind alle gefordert: die Politik, die Medien als 'Meinungsbildungsagenturen', die Wirtschaft und vor allem auch die Zivilgesellschaft", so Burgstaller.

"Die politische Arbeit gerade im Bereich der Kommune ist sehr an den alltäglichen Problemen und dem unmittelbaren Lebensumfeld orientiert. Das Symposium bietet die Möglichkeit, über den eigenen Tellerrand zu blicken und das eigene Handeln in Beziehung zu den Erfahrungen anderer zu setzen. Das ist wichtig für die Weiterentwicklung des politischen Handelns", betonte Bürgermeister Dr. Heinz Schaden.

Eine aktuelle EU-weite Umfrage vom Jänner 2007 zeigt, dass 51 Prozent der Europäer/innen glauben, in ihrem Land geschehe zu wenig zur Bekämpfung von Diskriminierung. Auch die Kenntnis über Gleichbehandlungsgesetze ist nur sehr gering. "Eine Informationsoffensive über die Rechte und konkreten Aktivitäten zur Herstellung von Chancengleichheit sollen helfen, die Meinung der Europäer/innen positiv zu verändern", äußerte Schaden seine Erwartungen.

Impulsgeberin EU
Die Vorgaben der EU zur Umsetzung von Chancengleichheit haben in den vergangenen Jahren die Verwirklichung von nationalen Gesetzen und Initiativen beschleunigt. Auch das Salzburger Gleichbehandlungsgesetz ist aufgrund der EU-Richtlinien zustande gekommen. Uta Klein, Professorin für Soziologie, Politik und Geschlechterverhältnisse an der Fachhochschule Kiel/Deutschland, gibt beim Symposium einen Überblick zum Stand der Gleichstellungspolitik und zu ihrem Wandel hin zur Antidiskriminierungspolitik. Die EU übernimmt eine wichtige Vorreiterrolle: Denken wir an die Verbote direkter und indirekter Diskriminierung, die unter anderem zu Änderungen in Tarifverträgen geführt haben, oder aber an die Richtlinie zum "Elternurlaub", die auch Männern die Inanspruchnahme der bezahlten Kinderbetreuungszeiten ermöglichte. Die Verpflichtung zu Gender Mainstreaming als Querschnittsaufgabe war ein Meilenstein. Solche Vorgaben sind nicht zuletzt dem Engagement zivilgesellschaftlicher Gruppen wie z.B. den Lobbygruppen für Frauenrechte zu verdanken.

Auf der anderen Seite ist die EU-Gleichstellungspolitik weiterhin eine Baustelle. Die Lohn- und Gehaltsunterschiede zwischen Frauen und Männern bleiben hartnäckig hoch. Die Arbeitslosigkeit von Frauen ist im Schnitt höher. Bedenklich ist die einseitige Fixierung auf die Steigerung der Erwerbsrate (Lissabon-Strategie), bei der zurzeit Quantität vor Qualität geht. Ein Viertel aller Arbeitsplätze in der EU wird als "niedrige” Qualität klassifiziert, sie bieten keine Arbeitsplatzsicherheit und keine Weiterbildung. Der Anteil von Frauen, Jugendlichen und Migrantinnen ist hier überproportional hoch.

Wie gleichstellungsfreundlich oder geschlechtergerecht die einzelnen Mitgliedstaaten sind, hängt nicht zuletzt auch von den Einstellungen der Bevölkerung ab. Hier zeigen sich EU-weit bemerkenswerte Unterschiede, und bedenklich ist die Entwicklung in den "Transformationsstaaten" der jüngsten Beitrittsrunde – ein deutlicher "backlash" hinsichtlich der Gleichstellung. Der Abbau von Diskriminierungen kann nur gelingen, wenn auf allen Ebenen angesetzt wird: arbeitsmarkt- und sozialpolitische Maßnahmen sind ebenso erforderlich wie rechtliche Vorgaben und die Stärkung zivilgesellschaftlicher Einflussnahme Voraussetzung für eine Entwicklung hin zu einer gerechteren Gesellschaft.

"Adios machismo!" Aufbruch in Spanien
Seit einigen Jahren richtet sich die öffentliche Aufmerksamkeit auf Spanien: Neue Gewaltschutzgesetze, Homosexuellen-Ehe, Verbot zu dünner Models auf Laufstegen und vieles mehr. All das zeigt, Chancengleichheit kann politisch Gestalt werden und kann einen wichtigen Beitrag zur Veränderung der Gesellschaft leisten.

Paul Ingendaay lebt seit 1998 als Kulturkorrespondent der FAZ (Frankfurter Allgemeine Zeitung) in Madrid. Er analysiert den gegenwärtigen Zustand Spaniens vor dem Hintergrund der speziellen Geschichte des Landes: Seit dem Ende der Franco-Diktatur und dem Übergang zur Demokratie hat Spanien kulturell und gesellschaftspolitisch viel Terrain gegenüber den europäischen Partnern gutgemacht. Dennoch sind im Land noch immer autoritäre Strukturen anzutreffen, die an die Mentalität eines älteren Spanien erinnern und wahre Chancengleichheit verhindern. Auch der Reformkurs des gegenwärtigen Ministerpräsidenten José Luis Rodríguez Zapatero ist umstritten: Spanien, einer der Spätentwickler Europas, kann zwar inzwischen eine liberale Gesetzgebung zur Homosexuellenehe und eine deutlich verschärfte Ahndung häuslicher Gewalt vorweisen, doch in der täglichen gesellschaftlichen Praxis ringen alte Klischees mit zukunftsorientierten Reformen. Es gilt also, neben der Bewunderung für das moderne Spanien den Druck nicht zu vergessen, dem die Schwächsten der Gesellschaft nach wie vor ausgesetzt sind: die Opfer der Landflucht, die alleinerziehenden Mütter, die illegal ins Land gebrachten Immigrantinnen.
 
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