Podiumsdiskussion zum Internationalen Frauentag im Hohen Haus
Wien (pk) - "Ich bin überzeugt davon, dass das österreichische Parlament ein 'role
model' ist, was Frauenfragen betrifft. Ich wette, je mehr Frauen im Parlament sind, desto besser wird die Situation
der Frauen in der Gesellschaft." Das betonte Nationalratspräsidentin Barbara Prammer bei einer Podiumsdiskussion
anlässlich des Internationalen Frauentags 2007 im Parlament, zu der sie gemeinsam mit Dritter Nationalratspräsidentin
Eva Glawischnig-Piesczek eingeladen hatte. Prammer sprach sich in ihrer Begrüßungsrede aber nicht nur
für mehr weibliche Abgeordnete aus, sie will auch bis zum Jahr 2009 ein geschlechtergerechtes Parlamentsbudget
vorlegen und bei Veranstaltungen im Hohen Haus den Frauenaspekt weiter forcieren.
Bei der Podiumsdiskussion im Hohen Haus bot sich jedenfalls ein ungewohntes Bild. Noch nie waren Frauen im Sitzungssaal
des Nationalrats derart in der Überzahl, wobei ein Teil des Publikums aufgrund des enormen Interesses sogar
auf die Galerie ausweichen musste. Es sei schön, vom Rednerpult aus in so viele Frauengesichter zu blicken,
sagten Prammer, Grün-Abgeordnete Brigid Weinzinger und die Moderatorin der Podiumsdiskussion, die Vorsitzende
des Gleichbehandlungsausschusses des Nationalrats Gabriele Heinisch-Hosek, unisono.
Ausschlaggebend für den enormen Andrang war wohl das äußerst prominent besetzte Podium. Neben Top-Gastronomin
Eveline Eselböck, der Vorstandsdirektorin der ÖBB-Personenverkehr AG Wilhelmine Goldmann und Motivforscherin
Sophie Karmasin nahmen auch die Finanzvorständin der Infineon Technologies Austria AG Monika Kircher-Kohl
und Ö3-Moderatorin Daniela Zeller auf der Regierungsbank Platz.
Bevor die Frauen am Podium ihre Karriereverläufe schilderten und über Erfolge, Hindernisse und Probleme
Auskunft gaben, präsentierte Nationalratspräsidentin Prammer noch einige Daten und Fakten über die
weltweite Repräsentation von Frauen in gesetzgebenden Körperschaften. Demnach liegt der Frauenanteil
in Parlamenten international gesehen bei 16,9 %, wobei die Tendenz steigend ist. Europa sei dabei nicht unbedingt
ein Vorbild, stellte die Nationalratspräsidentin fest, andere Kontinente seien auf der Überholspur. "Trist"
schaue die Lage allerdings im asiatischen Raum aus. Generell zeigen die Erhebungen, dass es vor allem in Ländern
mit Mehrheitswahlrecht mit der politischen Repräsentation von Frauen schlecht ausschaut. Österreich liegt
mit etwas über 32 % weiblichen Abgeordneten international auf Platz 14. "Wir hatten aber schon einmal
Platz 8", erklärte Prammer.
Nach wie vor eine Seltenheit sind weibliche Parlamentspräsidentinnen. Nur in 35 von 262 parlamentarischen
Kammern führten Frauen, so Prammer, den Vorsitz. In Europa gibt es dabei 11 Präsidentinnen, in der Karibik
9, in Afrika 6, in Nord- und Südamerika 5 und in Asien 4.
In Vertretung von Dritter Nationalratspräsidentin Eva Glawischnig-Piesczek wünschte Abgeordnete Brigid
Weinzinger (G) dem Publikum eine spannende Diskussion und einen anregenden Austausch. Erfreut über die zahlreichen
Frauen auf den Abgeordnetenbänken rief sie die Betroffenen auf, auch eine politische Karriere ins Auge zu
fassen. Mit einem Problem müssten weibliche Abgeordnete jedenfalls nicht kämpfen, meinte sie, zwischen
Mandatarinnen und Mandataren gebe es keine Einkommensunterschiede.
Typisch: Frauen planen ihre Karriere nicht
Vom Podium aus berichtete die ÖBB-Vorstandsdirektorin Wilhelmine Goldmann darüber, dass sie ihre Karriere
nie geplant habe und sich immer dafür entschieden habe, was sie am meisten interessiert. Außerdem wurde
ihr bald das Image einer "Trümmerfrau" zugeschrieben. Schon bei ihrer Tätigkeit in der Arbeiterkammer
sei sie vor allem deshalb zum Zug gekommen, weil sie den "undankbaren" Bereich der Bauwirtschaft übernommen
habe. Als ihr dann die Leitung des schwer defizitären Unternehmens Postbus angeboten wurde, hätten sie
einige Kollegen gefragt, warum sie sich das überhaupt antue. Hätte man zu diesem Zeitpunkt einen Mann
für diesen Job gehabt, dann wäre sie nicht engagiert worden, war Goldmann fest überzeugt. Ihre lange
berufliche Erfahrung habe ihr gezeigt, dass Frauen in Spitzenpositionen sehr wohl von Männern akzeptiert werden,
und sie wünsche sich, dass es noch viel mehr gibt.
Auch Sophie Karmasin, Geschäftsführerin eines Motivforschungsinstituts, erklärte, dass sie ihre
Karriere nicht geplant habe. Ihre Studien hätten gezeigt, dass dies sehr typisch für Frauen ist, da sie
mehr ihrer inneren Überzeugung folgen und weniger Wert auf Statussymbole legen als ihre männlichen Berufskollegen.
Die Umfragen haben weiters ergeben, dass es noch immer sehr klare Stereotypen gegenüber Karrierefrauen gibt
und dass 40 % der Männer gerne in Karenz gehen würden. Zudem haben 70 % der österreichischen Frauen
angegeben, dass sie sich benachteiligt fühlen.
Karmasin räumte zudem mit dem Mythos auf, dass Frauen "nicht führen" wollen. 70 % der Österreicherinnen
würden nämlich Toppositionen annehmen, wenn man sie ihnen anbieten würde, hob die Motivforscherin
hervor. Interessant sei auch, je höher die Frauen in der beruflichen Hierarchie steigen, desto geringer werde
der Anteil an typisch weiblichem Verhalten. Sie forderte die Politik auf, die Rahmenbedingungen für Frauen
zu verbessern, wie etwa durch die Einführung von flexibleren Arbeitszeiten. Es sollte auch ein besseres Angebot
an Kinderbetreuungsplätzen sowie motivierende Maßnahmen für Männer geben, damit sie vermehrt
in die Karenz gehen bzw. gehen können.
Ihre persönlichen Erfahrungen aus dem Bereich der Gastronomie erzählte Eveline Eselböck, die gemeinsam
mit ihrem Mann und ihrer Familie zwei Haubenrestaurants, zwei kleine Hotels und einen Weinhandel mit insgesamt
70 Mitarbeitern führt. Sie sei sehr jung in die Gastronomie eingestiegen und habe von Anfang an Beruf und
die Betreuung von insgesamt sechs Kindern unter einen Hut bringen müssen. Dies sei eine sehr schwierige Zeit
gewesen und sie habe oft unter einem schlechten Gewissen ihren beiden Kindern gegenüber gelitten, gestand
sie ein. Frauen leisten in der Gesellschaft enorm viel Arbeit, bekräftigte Eselböck, und es sei ihrer
Meinung nach daher eine "Frechheit", dass solche Tage wie heute überhaupt nötig sind. Generell
wünsche sie sich, dass noch mehr Frauen in die Politik gehen, um wichtige Veränderungen vorzunehmen.
Monika Kircher-Kohl, Finanzvorständin der Infineon Technologies Austria in Villach, meinte zu Beginn ihres
Diskussionsbeitrages, sie sitze stellvertretend für alle Frauen da, denn jede Lebensgeschichte sei es wert
mit ihren Brüchen und Erfolgen erzählt zu werden. Sie, Kircher-Kohl, habe für sich persönlich
auch keine Karriereplanung gehabt und diese sei nicht nur "schnurgerade" verlaufen. Außerdem sei
das, was man als Karriere für sich persönlich definiere, jedenfalls "sehr relativ", denn nicht
Karriere sei für sie vorrangig das Thema, sondern es gehe um die Chancen, die man bekommt. Ihren eigenen beruflichen
Werdegang bezeichnete die Vorstandsdirektorin als untypisch, so habe sie ihre Berufslaufbahn im NGO-Bereich begonnen,
wechselte dann als Quereinsteigerin in die Villacher Kommunalpolitik, um schließlich beim Halbleiterhersteller
Infineon das Finanzressort zu übernehmen.
Kircher-Kohl forderte zur Verbesserung der Arbeitsmarktchancen von Frauen nachdrücklich einen Bewusstseinswandel
bei der Politik in zwei Punkten. Erstens wünsche sie sich, dass mehr Mädchen technische Berufe ergreifen,
damit würde auch der Facharbeitermangel behoben werden. Eine weitere positive Folge wäre auch, dass die
künftige Pensionsfinanzierung damit besser abgesichert wäre. Die Einführung des Kindergeldes bezeichnete
sie als "Auskaufen der Frauen vom Arbeitsmarkt". Als zweites forderte die Managerin eine nachhaltige
Bildungsreform, denn Bildung wie sie jetzt stattfinde, sei die Basis für die alten Rollenzuschreibungen.
Daniela Zeller, Ö3 Wecker-Moderatorin, erzählte in ihrer sehr persönlichen Wortmeldung von ihrem
"Aufwachsen in einer Frauenwelt zusammen mit drei Schwestern", einer Welt, in der allerdings der Vater
"immer das letzte Wort" hatte. Trotz dieser Erfahrung mit der so genannten idealen Familiensituation,
sei ihr bald bewusst gewesen, dass sie für sich einen anderen, einen selbstbestimmteren Weg gehen wolle. Nach
einem Publizistikstudium kam sie zum Radio und musste sich plötzlich "unter gestandenen Männern"
behaupten. In der Berufswelt sollten, wie Zeller ausführte, Frauen zu begreifen beginnen, dass ein Konflikt
unter Frauen genauso viel wert sei wie ein Konflikt, der unter Männern ausgetragen wird, und keine "Zickerei"
sei. Frauen sollten auch lernen, sich gegenseitig besser zu unterstützen und zu fördern und sich Wertschätzung
entgegenbringen.
Eine Fortsetzung fand die Diskussion anschließend bei "Wein und Brot" in der Säulenhalle.
Musikalisch umrahmt von einem Frauentrio stellten Ilse Maier vom Weingut Geyerhof und weitere Winzerinnen der Vereinigung
"11 Frauen und ihre Weine" ihre Weine vor. |