Barbara Prammer lobt Engagement der NGOs in der Frauenpolitik
Wien (pk) - Wie leben Frauen in Österreich? Werden die Empfehlungen der UNO zur Beseitigung
von Diskriminierungen umgesetzt? - Antworten auf diese Fragen suchte Nationalratspräsidentin Barbara Prammer
gemeinsam mit Expertinnen aus Anlass der Präsentation des jüngsten CEDAW-Berichts am Abend des 13.03.
im Parlament. Dieser Bericht geht auf die UN-Konvention zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau
(Convention on the Elimination of All Forms of Discrimination against Women - CEDAW) zurück. Österreich
hat sich durch die Ratifizierung der Konvention im Jahr 1982 dazu verpflichtet, alle vier Jahre schriftlich über
die Umsetzung der Konvention zu berichten. Der 6. Länderbericht Österreichs beschreibt Maßnahmen
und Fortschritte in den Jahren 1999 bis Ende 2003.
Eine Regierungsdelegation und Frauen-Organisationen hatten zuvor in New York über die Lage in Österreich
berichtet. In New York mit dabei war Elisabeth Kögler vom Außenministerium, sie berichtete über
die Staatenprüfung zum 6. österreichischen CEDAW-Bericht. Karin Tertinegg (Institut für die Wissenschaften
vom Menschen) analysierte die Bedeutung der UN-Frauenkonvention, während Rosa Logar (Autonome Österreichische
Frauenhäuser/Interventionsstelle Wien) auf die Empfehlungen des CEDAW-Komitees einging und sich mit den Maßnahmen
gegen Gewalt an Frauen in Österreich befasste. Schließlich stellte Sybille Pirklbauer die arbeitsmarktpolitische
und ökonomische Situation von Frauen in Österreich dar. Im Anschluss an die Referate moderierte die Vorsitzende
des Gleichbehandlungsausschusses des Nationalrates Gabriele Heinisch-Hosek eine lebhafte Publikumsdiskussion.
Nationalratspräsidentin Barbara Prammer begrüßte die Referentinnen und VertreterInnen aus Wissenschaft
und Verwaltung sowie die RepräsentantInnen zahlreicher NGOs, deren Engagement und Know-how in der internationalen
Frauenpolitik Prammer speziell hervorhob. Auch den bevorstehenden Zehn-Jahrestag des - in der Amtszeit Prammers
als Frauenministerin - beschlossenen Gewaltschutzgesetzes sah die Nationalratspräsidentin als einen Anlass,
auf die Arbeit der NGOs einzugehen. Dieses erfolgreiche Gesetz sei für Deutschland, Italien, Liechtenstein,
Schweiz, Schweden, Tschechien, Finnland und Luxemburg zum Vorbild geworden, merkte Prammer mit Stolz an.
Die Frauenrechtskonvention ist für die Nationalratspräsidentin auch heute noch so modern wie vor 25 Jahren,
sie habe nichts an Aktualität eingebüßt. Zum aktuellen CEDAW-Bericht regte Prammer eine spannende
und kritische Auseinandersetzung mit den Empfehlungen der UN-ExpertInnen an und fügte abschließend den
Wunsch hinzu, den Dialog zwischen Politik, Parlament und NGOs in der Frauenpolitik so intensiv wie möglich
fortzusetzen. "Denn aus dieser Diskussion ist immer etwas Fruchtbringendes hervorgegangen".
Elisabeth Kögler (Außenministerium) referierte zunächst über den konkreten Ablauf der Staatenprüfung
in New York, bei der eine 15köpfige Delegation aus Österreich den Expertinnen Rede und Anwort stand.
Dabei standen vor allem folgende Themen im Vordergrund: Gewalt gegen Frauen, die geschlechtsspezifische Ausgestaltung
von Statistiken, die großen Einkommensunterschiede zwischen Männern und Frauen, der Mangel an Kinderbetreuungseinrichtungen,
das Gleichbehandlungsgesetz 2004, Maßnahmen zur Bekämpfung von Frauenarmut, Menschenhandel, die Einbindung
der Männer in die Kinderbetreuung und Pflege, Frauenförderungsmaßnahmen, die Gesundheitsversorgung,
der Frauenanteil in den verschiedenen Körperschaften etc.
Karin Tertinegg, vom Institut für die Wissenschaften vom Menschen, beleuchtete die Bedeutung der UN-Frauenkonvention
für Österreich. Es sei bedauerlich, dass dieses "einzigartige Rechtsinstrument", das die umfassendste
internationale Verpflichtung darstelle, um Diskriminierungen von Frauen sowohl auf rechtlicher als auch auf praktischer
Ebene zu beseitigen, noch wenig bekannt sei und noch nicht jenen Stellenwert erlangt habe, den es verdiene. Der
Vertrag, dessen Entstehungsgeschichte auf die internationale Frauendekade (1976-1985) zurückgeht, wurde 1979
verabschiedet und ist mittlerweile von 185 Staaten ratifiziert worden, erläuterte Tertinegg. Ein besonderes
Merkmal der Konvention sei, dass seit der Annahme des Fakultativprotokolls auch Individualbeschwerden von Betroffenen
möglich sind. Außerdem betreffen die Diskriminierungsverbote nicht nur den staatlichen, sondern auch
den privaten beziehungsweise nicht-staatlichen Bereich. Für die politisch Verantwortlichen gelte jedenfalls,
dass es sich bei der Beachtung dieses frauenspezifischen Menschenrechtskatalogs nicht um eine "good will"-Aktion
handle, sondern um eine rechtliche Verpflichtung, die nunmehr bereits seit 25 Jahren besteht.
Rosa Logar vom Verein der Autonomen Österreichischen Frauenhäuser brachte eingangs anlässlich 25
Jahre Ratifizierung der UN-Frauenrechtskonvention in Österreich ihr Anliegen vor, diesen internationalen Vertrag
aus seinem "Mauerblümchendasein" rauszubringen und bekannter zu machen. Sodann berichtete Logar
vom so genannten Schattenbericht der NGOs und von den "Concluding Comments", den abschließenden
Bemerkungen des CEDAW-Komitees. Der Schattenbericht, an dessen Erstellung 18 Expertinnen aus Frauenorganisationen
und wissenschaftlichen Einrichtungen mitgearbeitet haben, beleuchtet einerseits kritisch die Situation der Frauen
in Österreich und beinhaltet andererseits Vorschläge sowohl zur Verbesserung als auch zur Umsetzung derselben.
Detailliert ging sie auf die spezifischen Schwerpunkte der Empfehlungen des CEDAW-Komitees ein und betonte, alle
politisch Verantwortlichen müssen sich bewusst sein, dass diese rechtsverbindlich sind. Logar bekundete schließlich
das große Interesse der österreichischen Frauenorganisationen an einer interministeriellen Arbeitsgruppe
und sie lud ein, am österreichischen, von den Verfasserinnen des Schattenberichtes gegründeten, CEDAW-Komitee
mitzuarbeiten.
Sybille Pirklbauer von der Wiener Arbeiterkammer ging in ihrem Beitrag auf einige Aspekte der "Abschließenden
Bemerkungen" des CEDAW-Komitees aus der Sicht der arbeitsmarktpolitischen und ökonomischen Situation
der Frauen in Österreich ein. Diese betrafen die Punkte Rollenstereotype, Einkommensunterschiede, Teilzeitbeschäftigung,
Vereinbarkeit von Beruf und Familie, die Auswirkungen der Benachteiligung am Arbeitsmarkt sowie notwendige Gegenmaßnahmen.
So wies Pirklbauer u.a. darauf hin, dass erwerbstätige Frauen für eine Stunde bezahlte Arbeit aufgrund
ihrer Mehrfachbelastung zusätzlich 51 Minuten unbezahlt arbeiten, wohingegen bei Männern dies nur elf
Minuten sind und dass Frauen selbst bei Vollzeitbeschäftigung um mehr als ein Fünftel pro Jahr weniger
verdienen als Männer. Abschließend sprach sich die Expertin der AK für einen nationalen Aktionsplan
mit einem sinnvollen Paket an Maßnahmen zur Verbesserung der diskriminierenden Situation der Frauen in Österreich
ein.
Wesentliche Kritikpunkte und Empfehlungen des CEDAW-Komitees
Lob spendet das CEDAW-Komitee Österreich für eine Reihe gesetzlicher Maßnahmen, die auf die Gleichbehandlung
von Frauen und Männern abzielen, sei es im öffentlichen Dienst, an den Universitäten, im Strafrecht,
beim Mutterschutz, in der Familienpolitik (z.B. Vaterschaftsurlaub) oder in der Arbeitszeitgesetzgebung. Die UN-Experten
begrüßen auch die Ernennung einer Frauenministerin im Bundeskanzleramt und die Entwicklung von Gender-Mainstreaming-Strukturen
und –mechanismen auf Bundesebene sowie in mehreren Ministerien. Außerdem wird positiv hervorgehoben, dass
2001 ein Antrag im Ministerrat beschlossen wurde, wonach in der öffentlichen Verwaltung eine gendergerechte
Sprache verwendet werden soll.
Beim Gleichbehandlungsgesetz von 2004 bemängeln die UN-Experten, dass der Fokus zu sehr auf die Arbeitswelt
gerichtet ist. Denn nur in Fragen der Gleichbehandlung ohne Unterschied der ethnischen Zugehörigkeit gebe
es einen breiteren Geltungsbereich, hierunter fallen auch Fälle z.B. aus den Bereichen soziale Sicherheit,
Gesundheitsdienst, Bildung oder Zugang zu Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen (Senat III). Das CEDAW-Komitee
drängt daher darauf, die Gleichbehandlung von Frauen und Männern in allen Lebensbereichen sicherzustellen.
In diesem Sinne wünscht sich das Komitee von der Bundesregierung, einen nationalen Aktionsplan für die
Gleichstellung der Geschlechter zu entwickeln, und zwar unter Einbeziehung aller Behörden und aller relevanten
NGOs in diesem Bereich. Förderungseinrichtungen für Frauen sollen mit Kompetenzen, Personal und finanziellen
Mitteln ausgestattet und die Umsetzung der Konvention mit den Bundesländern koordiniert werden.
Zumal Vorurteile und stereotype Verhaltensweisen dazu beitragen, die Diskriminierung von Frauen und die Ungleichheit
zwischen den Geschlechtern aufrecht zu erhalten, zeigt sich das Komitee besorgt über das Fortbestehen von
tiefverwurzelten Vorurteilen über die Rollen und Aufgaben von Frauen und Männern in der Familie und in
der Gesellschaft. Die Betrachtung, Frauen primär als Mütter und Männer als die Familienerhalter
zu sehen, untergrabe den sozialen Status der Frauen und benachteilige sie auf dem Arbeitsmarkt, beim Zugang zu
Entscheidungspositionen und bei ihrer Studien- und Berufswahl. Das Komitee fordert die Regierung daher auf, umfassende
Anstrengungen zu unternehmen, um traditionelle Rollenbilder in der Gesellschaft zu überwinden.
Besorgt zeigt sich das Komitee auch über den weiterhin gespaltenen Arbeitsmarkt, die krasse Lohndifferenz
zwischen Männern und Frauen, den hohen Anteil von Frauen in Teilzeit- und Niedriglohnbeschäftigungen
und die daraus resultierenden Folgen für sozialen Rechte und die Altersversorgung der Frauen.
Trotz einer steigenden Zahl der Kinderbetreuungseinrichtungen und Maßnahmen zur Ermutigung der Männer,
Familienpflichten zu teilen, bleibe es für Frauen in Österreich nach wie vor schwierig, ihre familiären
und beruflichen Verpflichtungen zu vereinbaren. Das Komitee empfiehlt, weitere Kinderbetreuungseinrichtungen zu
schaffen sowie Frauen und Männern gleiche Chancen einzuräumen, am öffentlichen Leben teilzunehmen.
Sorge bereitet dem CEDAW-Komitee das Fortbestehen von Gewalt gegenüber Frauen. Dabei fehlt den UN-ExpertInnen
eine umfassende Strategie und ein koordinierter institutionalisierter Mechanismus zur Vorsorge gegen Gewalt an
Frauen. Es muss sichergestellt werden, dass die Hilfsorganisationen für weibliche Opfer von Gewalttaten ausreichend
Unterstützung erhalten, betont das Komitee und fordert die Bundesregierung auf, ihre diesbezüglichen
Anstrengungen zu verstärken. Auch sollte der neue nationale Aktionsplan gegen Menschenhandel eine umfassende
Gender-Strategie enthalten und betroffenen Frauen und Mädchen psychosoziale Unterstützung bieten.
Das CEDAW-Komitee registriert Fortschritte bei der Teilnahme von Frauen und ihrer Repräsentation in einigen
öffentlichen Bereichen, etwa in der Justiz. Bedenklich sei aber, dass Frauen in einigen gewählten und
ernannten Körperschaften sowie in Entscheidungspositionen bei Behörden, Universitäten und im Wirtschaftsleben
nach wie vor unterrepräsentiert seien. Die Aufforderung an die Bundesregierung lautet, die volle und gleiche
Teilnahme von Frauen in allen Gremien und auf allen Führungsebenen sicherzustellen.
Weiters fordert das Komitee die Regierung dazu auf, die Auswirkungen von Gesetzen und staatlichen Maßnahmen
auf weibliche Migranten, Flüchtlinge und Asylsuchende zu beachten und auf die besonderen Bedürfnisse
dieser Frauen Rücksicht zu nehmen. Das Komitee drängt auf eine Genderperspektive in der Migrationspolitik
und macht auf die besondere Verletzbarkeit weiblicher Asylsuchender aufmerksam.
Schließlich unterstreicht das Un-Komitee die Entwicklungsziele, die beim Millenniumsgipfel am Beginn dieses
Jahrtausends in New York festgesetzt wurden. Das Ziele können nur erreicht werden, wenn die Konvention zur
Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau vollinhaltlich umgesetzt wird. Die nächsten beiden Berichte
zur Umsetzung der CEDAW-Konvention wird die Bundesregierung voraussichtlich im Jahr 2011 vorzulegen. |