In Mariazell diskutierten die Vertreter der Mitgliedskirchen des Ökumenischen Rates über
die Bedeutung der biblischen Maria für die Einheit der Kirchen
Mariazell (epd Ö) - Die Bedeutung Marias für die Einheit der Christinnen und Christen stand
im Mittelpunkt der Ökumenischen Fachtagung in Mariazell, die 18.03. von Bischof Herwig Sturm und Bischof Egon
Kapellari eröffnet wurde. Die Fachtagung verstand sich auch als weitere Etappe auf dem Weg zur Dritten Europäischen
Ökumenischen Versammlung. So waren unter den Teilnehmerinnen und Teilnehmern auch zahlreiche Delegierte, die
im September die österreichischen Kirchen bei der großen Versammlung in Sibiu/Hermannstadt vertreten
werden.
Sturm und Kapellari erklärten übereinstimmend, dass die Tagung in Mariazell ein wichtiger ökumenischer
Schritt und zugleich auch eine große Herausforderung für die Kirchen im Land sei. Es gelte, gemeinsam
in der Bibel zu lesen, was diese über Maria sagt. Wie Sturm betonte, stehe Mariazell bislang für evangelische
Christinnen und Christen auch als Symbol einer triumphalistischen Form der Marienverehrung, die als Machtsymbol
und als Symbol des Sieges über den Protestantismus missbraucht worden sei. Dem gelte es nun einen „positiven
ökumenischen Fußabdruck“ entgegenzusetzen und Maria tatsächlich als Bild für eine dienende
Kirche und als eine die Kirchen verbindende Gestalt anzunehmen. Sturm drückte seine Hoffnung aus, dass dies
auch zu mehr Einheit der Kirchen in Europa führen werde.
Bischof Kapellari unterstrich in seinen Ausführungen, dass gerade die Gnadenstatue von Mariazell auf das Jesuskind
verweise. „Maria macht auf Jesus aufmerksam. Das ist auch die Aufgabe für alle Kirchen und Christen: Den Menschen
Christus zeigen“, sagte der steirische Bischof wörtlich. Heute stelle sich wieder – wie schon in den ersten
Jahrhunderten – die grundlegende Frage nach Gott und Christus, so Kapellari, der sich gegen ein „Christentum des
aufgeklärten Verstandes“ aussprach, in dem nur mehr „Jesus der Mensch“ übrig bleibe.
Gerade in der Marienfrömmigkeit könnten die Kirchen noch viel voneinander lernen, zeigte sich auch Weihbischof
Helmut Krätzl überzeugt. Alle Konfessionen gemeinsam müssten auf Maria schauen, „die uns Jesus zeigt“.
Mit Maria gemeinsam sollten sich alle Pilger aufmachen, „um den Herrn zu suchen“. Die Gottesmutter weise allen
Christen den Weg, so Krätzl und weiter wörtlich: „Wir wissen uns eins in der Marienverehrung, dass Maria
Vorbild ist im Glauben; wir wissen uns eins, dass Maria Vorbild ist im Gebet.“
Unterschiedliche Zugänge
Der Grazer Dogmatiker Prof. Bernhard Körner, der niederösterreichische evangelische Superintendent Paul
Weiland und der Grazer orthodoxe Theologe Prof. Grigorios Larentzakis stellten die Grundzüge der jeweiligen
Zugänge der Konfessionen zu Maria dar. Wie Körner ausführte, habe sich das spezifisch katholische
mariologische Profil erst in den Jahren von 1850 bis 1950 herausgebildet. Dabei habe sich Maria aus dem christologischen
und kirchlichen Zusammenhang gelöst und sei für sich alleine gesehen worden. Diese Entwicklung sei dann
aber mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil zu ihrem Ende gekommen, indem das Konzil wieder verstärkt auf die
Heilige Schrift zurückgegriffen habe, für Körner „kein Ende der Marienfrömmigkeit, sondern
bloß eine Weiterentwicklung“. Nicht zuletzt spiele Maria auch in der Befreiungstheologie und der feministischen
Theologie eine Rolle.
Weiland: Gegen dogmatische Verherrlichung
In den evangelischen Kirchen spiele die Marienverehrung in der Praxis keine Rolle, bekräftigte Weiland. In
den Auseinandersetzungen der Reformationszeit werde deutlich, dass eine große Gefahr darin gesehen werde,
„dass Maria etwas zugedacht wird, was eigentlich Christus allein vollbringt“. Luther habe die Vorstellung von Maria
als Himmelskönigin sowie als Mittlerin entschieden abgelehnt, während er für die biblische Gottesmutter
eine Verehrung gefordert habe. Zwingli habe die Marienverehrung akzeptiert, soweit sie biblisch begründet
ist. Im Protestantismus durchgesetzt habe sich letztlich die radikalere Position Calvins, der jede evangelische
Marienverehrung als „Götzendienst“ bekämpft habe. Evangelische Kritik richte sich heute gegen eine dogmatische
Verherrlichung der Maria, hinter der sich letztlich eine dogmatische Verherrlichung der Kirche verstecke, wodurch
die zentrale Stellung Christi überdeckt werde. Weiland: „Die päpstlichen Erklärungen über Maria
halten Schritt mit einer immer größeren Machtkonzentrierung auf den Papst, in dem sich die Macht der
Kirche identifiziert.“
Die zentrale Bedeutung Marias für die orthodoxe Christenheit unterstrich Prof. Larentzakis. Auch wenn die
Orthodoxie die Mariendogmen von 1854 und 1950 nicht kennt, sei die Marienverehrung ein wesentlicher Bestandteil
des orthodoxen christlichen Lebens. Die Gottesmutter stehe an erster Stelle der Heiligen und nehme als Fürbitterin
einen wichtigen Platz ein. Sie sei aber natürlich weder Mittlerin zwischen Christus und den Menschen noch
Miterlöserin. Auch dürfe es bei der Marienverehrung nicht um Anbetung gehen. Diese komme nur Christus
zu. Jede Marienverehrung müsse daher Christus als Grundlage haben, unterstrich Larentzakis. Er verwies weiters
auch auf den jüngsten Besuch von Patriarch Bartholomaios I. in Mariazell, wo das Oberhaupt der Orthodoxie
von der großen Bedeutung Marias für die Ökumene gesprochen hatte.
P. Karl Schauer, Superior von Mariazell, berichtete in seinen Ausführungen von einigen Aspekten des aktuellen
Wallfahrtswesens. So sei zu beobachten, dass die Wallfahrten immer mehr von Laien getragen würden. Auch würden
sich viele Menschen nach Mariazell „verirren“, die der Kirche sonst eher distanziert gegenüberstehen. Er wies
auch darauf hin, dass das steirische Marienheiligtum für Ostösterreich und die angrenzenden Länder
eine besonders große Bedeutung habe.
Evangelisch im Mariazellerland
Obwohl Mariazell weithin als katholischer Wallfahrtsort bekannt ist, gibt es im Mariazellerland auch eine sehr
aktive evangelische Gemeinde. Deren Pfarrerin Birgit Lusche hob das „sehr gute ökumenische Klima“ hervor.
Zu vielen Pfarrern in der Region, wenn auch nicht zu allen, gebe es ausgezeichnete Kontakte und deshalb auch viele
gemeinsame Aktivitäten. Lusche berichtete über die Anfänge des evangelischen Lebens im Mariazellerland
Anfang des 18. Jahrhunderts, als Holzknechte und deren Familien aus der Dachsteinregion ins Land kamen. Anfangs
noch verfolgt und unterdrückt, konnten sich die evangelischen Christinnen und Christen seit dem Toleranzpatent
von Kaiser Joseph II. frei entfalten. In den 80er Jahren des 18. Jahrhunderts wurde die evangelische Gemeinde offiziell
gegründet und seither zeichne laut Lusche die evangelischen Christinnen und Christen in der Region auch eine
außerordentliche „Beharrlichkeit und Standhaftigkeit“ aus. Die besondere Zuwendung der Kirche gelte dabei
den Kindern und Jugendlichen, so die evangelische Pfarrerin weiter.
Das Mariazeller Symposion, zu dem ein Großteil der Sibiu-Delegierten aller Kirchen in Österreich gekommen
waren, konnte auch mit einer Premiere aufwarten: Erstmals predigte mit Altsuperintendent Helmut Nausner ein Methodist
im Rahmen eines ökumenischen Gottesdienstes bei der Gnadenkapelle. Nausner sprach dabei auch von einem äußerst
wichtigen Signal für alle Kirchen und der großen ökumenischen Chance, gemeinsam die Heilige Schrift
zu lesen. |