Sozialpolitik / 24-Stunden-Betreuung daheim  

erstellt am
21. 03. 07

 Buchinger: Betreuung daheim wird bedarfsgeprüft, qualitätsgesichert, legal und leistbar sein
Zu Hausbetreuungsgesetz: Gut, dass endlich ein Entwurf vorliegt, ausbaufähig bei Qualitätssicherung, Präzisierung bei selbständiger Betreuung erforderlich
Wien (sk) - Sozialminister Erwin Buchinger hat am 20.03. über die laufenden Verhandlungen zur 24-Stunden-Betreung daheim berichtet. Gestern hat sich dazu die Experten-Arbeitsgruppe getroffen. Dabei habe man Einigkeit über die Ziele, die Struktur und den Zeitplan hergestellt. "Wichtig ist, dass das Fördermodell für alle Betreuungsfälle, die eine Betreuung zuhause präferieren, gelten soll", erklärte Buchinger. Das soll bedarfsgeprüft und qualitätsgesichert sein. Die Höhe der Förderung der öffentlichen Hand steht noch nicht fest, klar sei aber, dass sich Bund und Länder das teilen. Und: Es sollen die gleichen Finanzierungs- und Förderregeln gelten wie in Seniorenpflegeheimen.

Die genaue Zahl der derzeit zuhause betreuten Personen haben die Länder (Ausnahme: Tirol und Vorarlberg) gestern noch nicht nennen können. Buchinger hofft, dass beim nächsten Treffen hier Zahlen vorgelegt werden; wenn nicht, müsse das Zahlengerüst eben "top down", also vom Ministerium aus, entworfen werden.

In punkto Höhe Förderung aus öffentlichen Mitteln und Aufteilung auf Bund und Länder wollte sich Buchinger noch nicht festlegen. Aber das Prinzip sei klar: Für die Betreuung zuhause sollen die gleichen Finanzierungs- und Förderregeln gelten wie bei der stationären Pflege in Seniorenpflegeheimen. Dabei wird von den Betroffenen erwartet, dass sie ihre Pension bzw. auch sonstige Einkommen einbringen sowie 80 Prozent des Pflegegelds. Auch gegebenenfalls vorhandenes Vermögen soll, soweit zumutbar, verwertet werden.

Bei den Finanzierungsanteilen zwischen Bund und Ländern sieht es Buchinger "bereits als guten Fortschritt", dass etwa der OÖ-LH Pühringer von 70:30 (Bund:Länder) gesprochen hatte. Damit sei klar, dass die Länder mitfinanzieren werden. Die Regierung stellt sich die Anteile freilich genau umgekehrt vor, 30 Bund und 70 Länder. "Das sind die Ausgangspositionen", so Buchinger, der erklärte, dass seitens des Bundes die budgetäre Obergrenze mit der Überschreitungsermächtigung festgelegt sei.

Was die Unterhaltsverpflichtung der Kinder betrifft (Regress) glaubt Buchinger nicht, dass es bis zum 30. Juni eine Harmonisierung gibt. Derzeit verlangen sechs Bundesländer von den Kindern der Pflegebedürftigen in Heimen die Unterhaltsverpflichtung ein; das liegt zwischen 100 und 150 Euro pro Monat. Zugleich sei es so, dass 50 bis 75 Prozent der Bewohner von Seniorenpflegeheimen einen Zuschuss aus der Sozialhilfe bekommen. Durchschnittlich zahlen die Länder und Gemeinden dabei 13.000 Euro pro Jahr.

Wie hoch die Kosten für die Betreuung daheim im Einzelfall sein werden, lässt sich derzeit nicht genau sagen, das wird dann möglich sein, wenn die neuen Mindestlohntarife vorliegen. Die Förderung werde jedenfalls Bund und Ländern gemeinsam getragen. Für die Anstellung von BetreuerInnen sind drei Varianten denkbar: Der Gepflegte ist der Arbeitgeber, Angehörige sind Arbeitgeber oder eine gemeinnützige Einrichtung fungiert als Arbeitgeber.

Der Sozialminister bewertete auch erstmals den Begutachtungsentwurf zur arbeitsrechtlichen Seite der Betreuung daheim, den Arbeitsminister Bartenstein in der Vorwoche vorgelegt hat. Generell sei es positiv, dass der Entwurf endlich vorliege. Auch die Qualitätssicherung sei angesprochen, allerdings sei dies aus Sicht des Sozialministers "ausbaufähig". Er würde hier als unteres Qualitätsniveau die Heimhilfe ansetzen. Besonders wichtig ist es, dass Demenzerkrankte schon ab der Pflegestufe 1 einbezogen sind, ansonsten gilt die Regelung ab der Stufe 3. Auch die Festlegung auf eine Mindestarbeitszeit von 48 Stunden sei wichtig.

Nicht ausreichend ist für Buchinger die Regelung für die Selbstständige Ausübung von Betreuung daheim. Offen sei hier etwa die Frage, wie das mit der EU-Dienstleistungsrichtlinie zusammenwirke. Es scheine so zu sein, dass damit Selbständigkeit von EU-Ausländern ohne weitere Schritte ermöglicht werde. Buchinger ist dafür, dass es eine ordentliche Regelung für die selbständige Betreuung gibt, es dürfe aber nicht zur Scheinselbständigkeit führen.

"Pflege und Betreuung ist ein Kernstück im Programm der Regierung", betonte Buchinger. Ein Teil davon ist die Betreuung daheim, diese soll leistbar, legal und qualitätsgesichert sein. Der Sozialminister ging auch kurz auf den aktuellen Stand beim Pflegegeld ein: Das Pflegegeld des Bundes bezogen im Vorjahr 325.000 Personen, in Summe: 1,62 Mrd. Euro, 60.000 bekamen im Jahr 2005 Landespflegegeld, das sich auf rund 300 Mio. Euro summierte. Die Länder und Gemeinden kommen darüber hinaus für Sachleistungen (stationäre und ambulante Pflege) auf, die sich auf mehr als eine Mrd. Euro belaufen.

Vom Bund gibt es derzeit kaum weitere Sachleistungen. Das wird sich aber, wie Buchinger ausführte, ändern. So investiert sein Ministerium heuer intensiv in die Qualitätssicherung bei der häuslichen Betreuung. Das passiert über Hausbesuche von diplomierten Fachkräften zur Beratung. 10.000 Pflegebedürftige werden im laufenden Jahr besucht und beraten werden. Weiters gibt es u.a. eine Förderung für Erholungsurlaube von pflegenden Angehörigen (80 Prozent der Kosten werden übernommen).

Seit Februar werden auch Ersatzpflegekräfte mit 1.200 bis 2.400 Euro gefördert, wenn die Angehörigen krank oder auf Urlaub sind. Außerdem ist ein Schwerpunkt für Demenzerkrankte in Vorbereitung, dies in Form eines Handbuchs und parallel dazu wird auch die Fallzahl ermittelt. Und schließlich gibt es "einen Meilenstein" in der Pensionsversicherung von pflegenden Angehörigen: Ab der Pflegestufe 5 wird der Bund in Zukunft den gesamten Beitrag übernehmen, bei der Stufe vier den Dienstgeberanteil zur Hälfte.

 

 Huainigg: Gelungenes arbeitsrechtliches Modell von Bartenstein
ÖVP-Behindertensprecher forderte konstruktive Zusammenarbeit der Bundesländer
Wien (övp-pk) - Einen konstruktiven Beitrag für eine gute Lösung im Bereich der 24-Stunden-Betreuung sieht der Sprecher des ÖVP-Parlamentsklubs für Menschen mit Behinderung, Abg. Dr. Franz-Joseph Huainigg, im Entwurf von Bundesminister Dr. Martin Bartenstein. "Die betroffenen Menschen brauchen ein flexibles und leistbares Modell, das den individuellen Bedürfnissen jedes Einzelnen gerecht wird." Hier habe Minister Bartenstein in seinem Kompetenzbereich ein sinnvolles arbeitsrechtliches Modell vorgelegt, "das nun umfassend mit Expertinnen und Experten diskutiert werden muss".

Begrüßenswert sieht Huainigg den Vorschlag des Arbeitsrechtsprofessors Dr. Wolfgang Mazal, auch geringe Pflegetätigkeiten von HausbetreuerInnen zuzulassen, wenn eine entsprechende und dokumentierte Einschulung vorliege. "Derzeit sind vor allem slowakische oder tschechische Krankenschwestern in österreichischen Haushalten tätig, die sehr wohl die Kompetenz haben, Pflegetätigkeiten durchzuführen." Die Qualitätssicherung könne durch mobile Dienste durchgeführt werden, die regelmäßig die Pflegetätigkeit begleiten, sagte der ÖVP-Behindertensprecher.

Nun seien die Bundesländer am Zug, mit Sozialminister Buchinger ein entsprechendes Finanzierungsmodell zu erarbeiten. Finanzminister Molterer habe bereits angekündigt, dass sich der Bund seiner finanziellen Verantwortung stellen werde. "Das erwarte ich mir auch von den Bundesländern", so Huainigg. Auffallend sei, dass insbesondere SPÖ-Soziallandesrat Josef Ackerl in diesem Zusammenhang die in der Art. 15a Vereinbarung zum Pflegegeld aus dem Jahre 1993 festgeschriebene Verpflichtung der Bundesländer, in ihrem verfassungsrechtlich zugeordneten Kompetenzbereich entsprechende Vorkehrungen zu treffen, gerne außer Acht lasse. Es liege ausschließlich in der Zuständigkeit der Bundesländer, für ein Angebot an entsprechenden Pflege- und Betreuungsdiensten, die die arbeits- und sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften einhalten, zu sorgen sowie ausreichend Strukturen für ambulante, teilstationäre und stationäre Dienstleistungen aufzubauen.

"Eine gute Gesamtlösung im Pflege- und Betreuungsbereich braucht eine konstruktive Zusammenarbeit auf allen Ebenen, in die auch Betroffene entsprechend eingebunden werden müssen", sagte Huainigg und zeigte sich zuversichtlich, dass das lösungsorientierte Engagement von Minister Buchinger auch seinen Kollegen Landesrat Ackerl veranlassen werde, die Wahlkampfrethorik abzulegen.

 

Öllinger: Grüne befürchten "Arbeitsarrest" durch Bartenstein-Lösung
Wien (grüne) - Der Grüne Sozialsprecher Karl Öllinger fühlt sich durch das Pflege-Modell von Wirtschaftsminister Martin Bartenstein in eine Dienstboten-Gesellschaft zurückversetzt. Grund dafür ist einerseits die Mindestarbeitszeit von 48 Stunden pro Woche, andererseits die Höchstgrenze von 128 Stunden für zwei Wochen. "Es ist eine Form von Arbeitsarrest", so Öllingers Befürchtung bei einer Pressekonferenz am 20.03.

"Wer als unselbstständige Person unter dieses Gesetz fällt, der darf sich in 14 Tagen vom Arbeitsplatz nicht wegbewegen", zeichnet Öllingers die Folgen des Bartensteinsentwurfs als Szenario. Alles was außerhalb dieser 128 Stunden anfallen würde, gelte außerdem nicht als Arbeitszeit. Und auch die Ruhepausen von maximal drei Stunden könnten nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich hierbei um "Arbeitsarrest" handle.

Grund für diese Befürchtung ist die Anlehnung von Bartensteins Entwurfs an das Hausgehilfen- und Hausangestelltengesetz. Demnach müssten sich die Personen auch außerhalb der Arbeitszeit vereinbarungsgemäß in den Wohnräumen aufhalten. Nur würden für Hausangestellte bessere Regelungen gelten, so der Grüne Sozialsprecher.

Aber auch der untere Rahmen stößt Öllinger auf: "Zum ersten Mal gibt es ein Gesetz, das eine Mindestarbeitszeit von 48 Stunden vorschreibt." Für die Grünen insgesamt ein Schritt zurück in die Dienstbotengesellschaft des 19. Jahrhunderts, "hier wird eine lex specialis gemacht, die völlig überzogene dienstzeitliche Regelungen vorsieht". Öllingers Bewertung: "Es ist ein Versuch, aber dieser Versuch ist gründlich gescheitert." Auch der Kostensprung der 24-Stunden-Betreuung von 1.500 Euro auf 3.000 Euro pro Pflegeperson sei für die meisten unleistbar.

Nun sei die SPÖ aufgefordert, dem Bartenstein-Entwurf nicht zuzustimmen, wünschen sich die Grünen. Nicht nur gebe es keine geeignete Qualitätssicherung und -kontrolle, auch würden bisher illegale Beschäftigungsverhältnisse in normale umgewandelt werden. Dies würde ermöglichen, dass Arbeitslose vom Arbeitsmarktservice (AMS) in ein derartiges Beschäftigungsverhältnis vermittelt werden könnten. Man solle die Zeit dringend nützen, ein Pflegekonzept für die Zukunft zu entwickeln.

 

Haubner: Wieder eine neue Belastungsidee!
Sozialminister verunsichert Menschen anstatt konkrete Vorschläge zu liefern
Wien (bzö) - Als weitere "Verunsicherung der Menschen" bezeichnet die stellvertretende BZÖ-Klubobfrau und Sozialministerin Ursula Haubner den von Minister Buchinger präsentierten "höchst lückenhaften" Vorschlag zur Pflege. "Es gibt nach wie vor nur wenig konkrete Pläne, die sich mit der Weiterentwicklung des österreichischen Pflegesystems beschäftigen. Buchinger betreibt stattdessen weiterhin seine Ankündigungs- und Überschriftenpolitik, präsentiert täglich neue Belastungen und verunsichert damit genau jene, die gepflegt und betreut werden müssen", sagt Haubner weiter.

Die Regierung wäre gut beraten, die BZÖ-Forderung nach einer sofortige Erhöhung des Pflegegeldes um fünf Prozent und die jährliche Valorisierung umzusetzen, anstatt "mit neuen Belastungen - wie den geplanten Selbstbehalten - auf die Menschen loszugehen", sagt Haubner. Die im Regierungsprogramm vorgesehene einmalige Valorisierung des Pflegegeldes würde defacto einer Kürzung des Pflegegeldes gleichkommen und das sei den Menschen nicht zumutbar. 
 

Wir übernehmen hier Stellungnahmen aller im Parlament
vertretenen Parteien – sofern vorhanden! Die Redaktion

 
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