Wie T-Zellen gegen Krebs scharf gemacht werden  

erstellt am
03. 04. 07

IMBA-Forscher entdecken Mechanismus zur Spontanen Tumorabstoßung durch das Immunsystem
Wien (öaw) - Wissenschaftler am Wiener Institut für Molekulare Biotechnologie (IMBA) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) haben an Mäusen ein neues Modell zur Krebstherapie entwickelt. Der Therapieansatz nützt die körpereigene Immunabwehr zur Bekämpfung von Tumorzellen. In der aktuellen Ausgabe des "Journal of Experimental Medicine“ berichten die Forscher über ihre jüngsten Arbeiten.

Das Immunsystem spielt nicht nur eine wichtige Rolle bei der Abwehr von Keimen, es überwacht auch die Entstehung von Krebs. Immunsupprimierte Patienten entwickeln daher auch häufiger bösartige Tumore als Menschen mit intaktem Immunsystem. Allerdings lösen viele Tumore keine ausreichende Immunantwort aus. Da sich die Krebszellen nicht stark genug von den normalen Körperzellen unterscheiden, aus denen sie hervorgegangen sind, werden sie nicht als entartet erkannt. Darüber hinaus produzieren Krebszellen selbst auch Stoffe, die die Immunzellen blockieren.

Die Gruppe um IMBA-Leiter Josef Penninger hat nun bei Mäusen einen Weg gefunden, die Immunantwort als Reaktion auf Krebs zu verstärken. Stefanie Löser, Doktorandin bei Josef Penninger, hat dazu T-Zellen des Immunsystems verwendet, bei denen der zentrale Regulator Cbl-b genetisch ausgeschaltet wurde. Dadurch wurden die Zellen sensitiver und aktiver in der Tumorerkennung und -bekämpfung gemacht. Bei Mäusen können die veränderten T-Zellen eine so starke Immunantwort auslösen, dass Tumorzellen innerhalb weniger Wochen vollständig zerstört werden. Die genetisch veränderten Mäuse zeigen auch eine stark verringerte Anfälligkeit für Hautkrebs nach UV-Bestrahlung. Die "aufgerüsteten“ T-Zellen sind sogar imstande, den Tumor in einer anderen Maus zum schrumpfen zu bringen, wenn sie dieser injiziert werden. Sie entwickeln sich dort in sogenannte Gedächtniszellen und bewirken eine anhaltende Immunität. "Das Besondere an unserem Modell“, erklärt Stefanie Löser, "ist, dass wir die Zellen nicht mit Tumormaterial voraktivieren und im Labor vermehren müssen, wie es bei vielen anderen Therapieansätzen nötig ist.“

Neben der Wiener Gruppe haben sich auch Forscher der renommierten NIH in den USA mit dem Mechanismus beschäftigt. Sie veröffentlichen gleichzeitig ähnliche Resultate über Cbl-b regulierte Tumorabstoßung, die an weiteren Krebsarten gewonnen wurden. "Spezifische Tumorabstoßung durch T-Zellen wäre die ideale Krebstherapie, jedoch waren die erzielten Effekte immer relativ gering“, erläutert Josef Penninger. "Dass nun eine zweite Gruppe gleichzeitig einen ähnlichen Mechanismus gefunden hat, wie T-Zellen spontan verschiedenste Tumore abstoßen, ist für uns besonders wichtig, da damit unsere Daten umgehend bestätigt wurden.“

Die Wissenschaftler sind nun daran interessiert, wie sich aus den neuen Erkenntnissen eine Therapie für Patienten entwickeln ließe. Denkbar wäre, aus Patientenblut T-Zellen zu gewinnen und in diesen den Regulator Cbl-b mit Hilfe eines Inhibitors oder mittels RNA-Interferenz zu blockieren. Anschließend würde das Blut dem Patienten wieder rückinfundiert werden. Allerdings muss ein solcher Inhibitor erst entwickelt und das Verfahren im Tiermodell getestet werden, um die positive anti-Tumor-Wirkung, aber auch Nebenwirkungen, genau zu erforschen. Denn, wie bereits früher von IMBA-Wissenschaftlern in Nature berichtet (Bachmaier et al. in Nature. 403:211-216, 2000), durch die Unterdrückung von Cbl-b steigt auch das Risiko für Autoimmunreaktionen.

"Unsere Ergebnisse sind viel versprechend“, freut sich Löser, "aber bis zu einer therapeutischen Anwendung ist es noch ein langer Weg.“ Die Forscher wollen auch noch genauer untersuchen, welche Arten von Krebs, etwa Brustkrebs, auf die Therapie ansprechen könnten.


IMBA
Das IMBA - Institut für Molekulare Biotechnologie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften kombiniert Grundlagen- und angewandte Forschung auf dem Gebiet der Biomedizin. Interdisziplinär zusammengesetzte Forschergruppen bearbeiten funktionsgenetische Fragen, besonders in Zusammenhang mit der Krankheitsentstehung. Ziel ist es, das erworbene Wissen in die Entwicklung innovativer Ansätze zur Prävention, Diagnose und Therapie von Krankheiten einzubringen.

IMP- IMBA Research Center
Zwischen dem Forschungsinstitut für Molekulare Pathologie (IMP), das 1988 von Boehringer Ingelheim gegründet wurde, und dem seit 2003 operativen Institut für Molekulare Biotechnologie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (IMBA) wurde eine enge Forschungskooperation vereinbart. Unter dem Namen “IMP-IMBA Research Center” greifen die beiden Institute auf eine gemeinsame Infrastruktur im wissenschaftlichen und administrativen Bereich zu. Die beiden Institute beschäftigen insgesamt über 300 Mitarbeiter aus 30 Nationen und sind Mitglied des Campus Vienna Biocenter.

Publikationshinweis:
Spontaneous tumor rejection by cbl-b-deficient CD8+ T cells
Stefanie Loeser, Karin Loser, Martijn S. Bijker, Manu Rangachari, Sjoerd H. van der Burg, Teiji Wada, Stefan Beissert, Cornelis J.M. Melief, and Josef M. Penninger
JEM published April 2, 2007, 10.1084/jem.20061699
 
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