Volksanwaltschaft: Beschwerden bleiben konstant hoch  

erstellt am
12. 04. 07

16.005 Anbringen und 6.542 Prüfungsverfahren im Jahr 2006
Wien (pk) - Die Beschwerden bei der Volksanwaltschaft bleiben konstant hoch. Im vergangenen Jahr wandten sich 16.005 Bürgerinnen und Bürger mit ihrem Anliegen an die Volksanwaltschaft, 6.542 Prüfungsverfahren – davon 3.911 die Bundesverwaltung betreffend – wurden eingeleitet. Das geht aus dem jüngsten Bericht der Volksanwaltschaft hervor, der vor kurzem dem Parlament übermittelt wurde.

Die Palette der Beschwerden bei der Volksanwaltschaft ist breit und betrifft beinahe jeden Verwaltungsbereich. Sie reicht beispielsweise von unzulässigen Befristungen von Führerscheinen und Problemen mit dem Unterhaltsvorschuss über als unnötig empfundene Coachingmaßnahmen für Arbeitslose bis hin zu teuren Rettungshubschraubereinsätzen und bürokratischen Hürden für behinderte Menschen, die Hilfsmittel benötigen. Auch allzu laxes Vorgehen von Behörden gegen Gewerbebetriebe, die gegen Auflagen verstoßen, und die übermäßig lange Dauer von Verwaltungs- und Gerichtsverfahren werden immer wieder moniert. Statistisch betrachtet richten sich die meisten Beschwerden gegen das Sozialministerium und das Justizministerium, in der Bundesländerreihung liegt Wien weiter an der Spitze.

Dass die Differenz zwischen Beschwerdefällen und eingeleiteten Prüfungsverfahren relativ groß ist, ergibt sich daraus, dass an die Volksanwaltschaft häufig auch Beschwerden herangetragen werden, für die sie nicht zuständig ist, etwa familienrechtliche Probleme zwischen Privatpersonen. So betrafen von den 16.005 Beschwerden lediglich 10.448 den Bereich der öffentlichen Verwaltung und damit den Kompetenzbereich der Volksanwaltschaft. In 3.906 dieser Fälle konnte kein Prüfungsverfahren eingeleitet werden, weil die behördlichen Verfahren noch im Laufen waren oder den Beschwerdeführern noch ein Rechtsmittel offen stand.

70 mal entschied sich die Volksanwaltschaft im Übrigen dafür, ohne konkreten Beschwerdefall von sich aus tätig zu werden, also ein so genanntes amtswegiges Prüfungsverfahren einzuleiten.

Bundesverwaltung: 21 Empfehlungen und 7 Missstandsfeststellungen
Abschließen konnte die Volksanwaltschaft im Berichtsjahr 2006 7.735 Prüfungsverfahren, wobei es in 21 besonders schwer wiegenden Fällen einer formellen Empfehlung und in 7 Fällen einer Missstandsfeststellung bedurfte. 12 dieser Empfehlungen und 5 Missstandsfeststellungen bezogen sich auf die Bundesverwaltung. Daneben wurde weiteren 786 Beschwerden die Berechtigung zuerkannt. In drei Fällen entschloss sich die Volksanwaltschaft zu einer Verordnungsanfechtung beim Verfassungsgerichtshof.

Die Empfehlungen und Missstandsfeststellungen betrafen etwa Säumnisse der Bundesregierung im Kärntner Ortstafelkonflikt, die unrechtmäßig Einhebung von Trauungsgebühren, eine unrichtige Rechtsmittelbelehrung durch das Wirtschaftsministerium sowie die lange Dauer einzelner Verfahren.

In immerhin 3.729 Fällen sahen die drei VolksanwältInnen – Rosemarie Bauer, Hilmar Kabas und Peter Kostelka – hingegen keinen Anlass für eine Beanstandung. Die übrigen im Jahr 2006 erledigten Beschwerden wurden entweder zurückgezogen (515), erwiesen sich als unzulässig (1.002) bzw. als nicht in die Kompetenz der Volksanwaltschaft fallend (1.517) oder waren zur geschäftsordnungsmäßigen Behandlung nicht geeignet (15).

Konkrete Beschwerden, Missstände und Empfehlungen
Der größte Teil des mehr als 400 Seiten starken Berichts der Volksanwaltschaft umfasst die Darstellung konkreter Beschwerdefälle. Grundrechtsrelevante Fälle wie Diskriminierungen von Minderheiten, behinderten Menschen, Frauen und Drittstaatsangehörigen, unverhältnismäßig lange Verfahren oder unzulässige Eingriffe in die Privatsphäre werden dabei in einem eigenen Berichtsteil besonders hervorgehoben. So wird im Grundrechtsteil etwa der Frage nachgegangen, inwieweit diskriminierende Stellen- und Wohnungsanzeigen tatsächlich effizient verfolgt werden.

Kärntner Ortstafelkonflikt
Breiten Raum im aktuellen Tätigkeitsbericht der Volksanwaltschaft nimmt der Kärntner Ortstafelkonflikt ein. Die Volksanwaltschaft bekräftigt, dass die Festlegung und Anbringung zweisprachiger topographischer Bezeichnungen in wesentlich mehr Gebietsteilen erforderlich wäre, als dies gemäß Topographieverordnung vorgesehen ist. Auch die neue Verordnung von 2006 bleibt ihrer Überzeugung nach hinter den verfassungsrechtlichen Vorgaben zurück und ist damit ebenso rechtswidrig wie die Vorgängerregelung. Wenn die Umsetzung von Erkenntnissen des Verfassungsgerichtshofs über Jahre hinweg beliebig lange hinausgeschoben werde, sei das rechtsstaatliche Prinzip der Bundesverfassung als solches in Frage gestellt, mahnt die Volksanwaltschaft und kündigt an, weiter mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln im Sinne des Minderheitenschutzes vorzugehen.

Im Detail werfen die VolksanwältInnen Peter Kostelka und Rosemarie Bauer der Regierung jahrelange Säumigkeit bei der Erlassung einer verfassungskonformen Topographieverordnung vor. Gleichzeitig zeigen sie kein Verständnis dafür, dass die Ortschaften Bleiburg und Ebersdorf nach wie vor über keine zweisprachigen Ortstafeln verfügen, obwohl sie mittlerweile in die Topographieverordnung aufgenommen wurden und gegenteilige Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofs vorliegen. Hinsichtlich der Ortsbezeichnungen in Schwabegg wurde ein Verordnungsprüfungsverfahren beim VfGH in die Wege geleitet.

Volksanwaltschaft regt Reihe von Gesetzesänderungen an
Nicht in allen Fällen ist es im Übrigen ein Fehlverhalten der Verwaltung Behörden, das unbillige Härten für BeschwerdeführerInnen bringt, manchmal erweisen sich nach Meinung der Volksanwaltschaft auch unzulängliche Gesetzesbestimmungen als das eigentliche Problem. In diesem Sinn regen die VolksanwältInnen in ihrem Bericht im Zuge von Einzelfallprüfungen immer wieder Gesetzesänderungen an. Unter anderem spricht sich die Volksanwaltschaft etwa für eine Änderung des Gewerberechts, des Betriebsanlagenrechts, des Unterhaltsrechts und des Sozialversicherungsrechts aus.

Beeinträchtigungen von Anrainern durch Gastgewerbebetriebe
Kritik übt die Volksanwaltschaft etwa an den gesetzlichen Bestimmungen in Bezug auf die Beeinträchtigung von Anrainern durch Gastgewerbebetriebe, wobei es insbesondere um das Verhalten von LokalbesucherInnen rund um eine Gaststätte geht. Während die Gerichte eine nachbarrechtliche Haftung des Gastwirtes für das Gästeverhalten bejahen und beispielsweise Lokalbesitzer durch Gerichtsurteile verpflichtet werden, regelmäßige Verunreinigungen von Nachbargrundstücken hintanzuhalten, würden die gewerberechtlichen Vorschriften dafür keine bzw. nur unzureichende Hilfestellung bieten, klagen die VolksanwältInnen und treten für eine entsprechende Gesetzesänderung ein.

Aber auch die Gewerbebehörden werden von Seiten der Volksanwaltschaft im Zusammenhang mit dem Betriebsanlagenrecht kritisiert. Immer wieder kommt es vor, dass Gewerbebehörden verwaltungsstrafrechtliche Sanktionen unterlassen, obwohl sich Anrainer über Beeinträchtigungen durch konsenslos erweiterte Betriebsanlagen bzw. durch die Nichteinhaltung rechtskräftiger Auflagen beschweren, skizziert Volksanwalt Hilmar Kabas und gibt zu bedenken, dass gerade im Bereich des Betriebsanlagenrechts Rechtsfrieden nur durch ein konsequentes Vorgehen der Behörden erzielt werden könne. Aufrecht erhält die Volksanwaltschaft auch ihre Kritik am Ausbau des vereinfachten Betriebsanlagenverfahrens.

Fehlende Mitsprachemöglichkeit bei der Errichtung von Handymasten
Immer noch einer Lösung durch das Parlament harrt der Volksanwaltschaft zufolge auch die fehlende Mitsprachemöglichkeit betroffener Anrainer bei der Errichtung von Handymasten. Die Volksanwaltschaft fordere seit Jahren eine Bürgerbeteiligung im Bewilligungsverfahren, betont Volksanwalt Peter Kostelka und gibt zu bedenken, dass eine Gesundheitsgefährdung durch Handymasten neuesten medizinischen Untersuchungen zufolge nicht ausgeschlossen werden könne.

Mängel im Unterhaltsrecht
Zum Thema Unterhaltsrecht merken die VolksanwältInnen an, das Unterhaltsvorschussgesetz weise "wesentliche und nachhaltige Unzulänglichkeiten auf" und biete keine ausreichende Grundlage, um betroffenen minderjährigen Kindern die oftmals existenzsichernde Unterhaltsleistung zukommen zu lassen. Dem Bericht zufolge wird die Volksanwaltschaft nahezu täglich von Beschwerden Hilfe suchender Eltern konfrontiert, die über mangelnde Unterhaltsleistung für ihre Kinder klagen. Als besonders eklatanter Fall wird auf ein zehneinhalb Jahre dauerndes Unterhaltsverfahren verwiesen.

Verkehrssicherheit: VA für geänderte Zählregel in Schulbussen
Im Bereich der Verkehrssicherheit äußert die Volksanwaltschaft nach wie vor massive Bedenken an der geltenden Zählregel in Schulbussen, der zufolge 3 Kinder als zwei Erwachsene gelten. Diese Regelung beeinträchtige die Verkehrssicherheit und bewirke ein erhöhtes Verletzungsrisiko, betonen die VolksanwältInnen mit Hinweis auf ein Merkblatt der AUVA. Demzufolge sind Verletzungen durch Anstoßen, Hinfallen, Umknicken und Herunterfallen, aber auch schwere Fingerverletzungen und Quetschungen beim Zuschlagen von Bustüren keine Seltenheit.

Überdies sieht die Volksanwaltschaft, wie sie schreibt, nicht ein, warum die Diskrepanz zwischen gesetzlichen Ge- und Verboten im Bereich der Kinderbeförderung in Privatautos auf der einen Seite und bei Schülertransporten auf der anderen Seite immer größer wird. Schließlich hätten Verstöße gegen die Kindersicherungspflicht in Privatautos seit Juli 2005 nicht nur eine Verwaltungsstrafe zur Folge, sondern auch einen Eintrag in das Führerscheinregister. Neben Österreich gibt es dem Bericht zufolge nur noch in Irland, Portugal und Großbritannien die 3:2-Regel für Kindertransporte.

Beschwerdeintensiver Bereich Führerscheinwesen
"Besonders beschwerdeintensiv" sind dem Bericht der Volksanwaltschaft zufolge Angelegenheiten des Führerscheinwesens, wobei sich die Kritik vor allem an der gesetzlich oftmals nicht gedeckten Befristung von Führerscheinen entzündet. Überdies regt die Volksanwaltschaft an, die hohen Kosten für eine wiederholte Verlängerung befristeter Lenkberechtigungen durch Begünstigungen abzufedern.

Beschwerden betreffend Pensionsversicherung rückläufig
Im vergangenen Jahr rückläufig waren hingegen die Beschwerdefälle betreffend die Pensionsversicherung. Die Volksanwaltschaft führt dies darauf zurück, dass Maßnahmenpakete zur Verfahrensbeschleunigung Wirkung zeigen. Demnach ist es im vierten Jahr nach der Fusion der Pensionsversicherungsanstalten der Arbeiter und der Angestellten endlich gelungen, jene durchschnittliche Verfahrensdauer zu erreichen, die vor der Zusammenlegung üblich war.

Kritik an Fremdenrechts-Behörden
Große Probleme ortet die Volksanwaltschaft im Zusammenhang mit dem Fremdenrecht. Die Volksanwaltschaft sieht deutliche Anzeichen dafür, dass – zum Nachteil der Betroffenen – vor Inkrafttreten der neuen gesetzlichen Bestimmungen Anträge bewusst liegen gelassen und keine Entscheidungen gefällt wurden. Zum Teil wurden monatelang keinerlei Ermittlungsschritte gesetzt. Insbesondere geht es dabei um Aufenthaltsanträge von Personen, die einen österreichischen Ehegatten haben.

Mittlerweile behoben wurde hingegen das Problem, wonach Drittstaatsangehörige erst dann Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld hatten, wenn für das Neugeborene ein gültiger Aufenthaltstitel nach dem Niederlassungsgesetz vorlag. Bürokratische Hindernisse führten dazu, dass den Betroffenen monatelang die notwendige finanzielle Unterstützung vorenthalten blieb. Durch eine Gesetzesnovelle wurde das Problem beseitigt.
   

AMS: Erneuter Anstieg der Beschwerden und Prüfverfahren
Erneut einen leichten Anstieg gab es 2006 bei Beschwerden über die Arbeitsmarktverwaltung, wobei die BeschwerdeführerInnen vermehrt die korrekte Berechnung des Arbeitslosengeldes in Zweifel zogen. Hingegen ging die Kritik an aus Sicht der Betroffenen unnötigen Wiedereingliederungs- und Coachingmaßnahmen etwas zurück. Positiv hebt Volksanwalt Peter Kostelka in diesem Zusammenhang die überaus effiziente Zusammenarbeit der Volksanwaltschaft mit dem AMS hervor.

Kostenersatz für Rettungshubschraubereinsätze
Aus dem Arbeitsbereich des Gesundheitsministeriums greift die Volksanwaltschaft in ihrem Bericht u.a. die Problematik des Kostenersatzes für Rettungshubschraubereinsätze im alpinen Gelände heraus. Den Betroffenen sei weithin unbekannt, dass Bergungskosten nach Alpinunfällen und die Kosten der Beförderung vom Berg ins Tal "in Ausübung von Sport und Touristik" nicht durch die Krankenversicherung abgedeckt seien, wird vermerkt. Selbst für die Flugstrecke vom Tal ins Spital würde ein pauschaler Kostenzuschuss verweigert, wenn sich im Krankenhaus nachträglich herausstelle, dass der Hubschraubereinsatz medizinisch nicht notwendig gewesen wäre. Die Betroffenen müssten die Kosten – bis zu 3.500 € – selbst berappen. Die Volksanwaltschaft regt in diesem Zusammenhang nicht nur eine Neuregelung des Themenkomplexes an, sondern appelliert auch an die Lift- und Bergbahnbetreiber, sich mit der Versicherungswirtschaft zu akkordieren und zum Beispiel den Erwerb einer Liftkarte mit einem privaten Versicherungsschutz für etwaige Bergekosten zu verbinden.

Ausdrücklich begrüßt wird von den Volksanwaltschaft hingegen das Vorhaben der Regierung, eine Obergrenze für Rezeptgebühren von 2 % des Einkommens festzulegen. Immer wieder würden sich chronisch kranke Patienten an die Volksanwaltschaft wenden, denen trotz erheblicher Aufwendungen keine Befreiung von den Rezeptgebühren durch den zuständigen Krankenversicherungsträger bewilligt wurde, heißt es im Bericht.

Als Erfolg im Gesundheitsbereich verbucht die Volksanwaltschaft auch die Einrichtung eines Solidarfonds im Bereich der Österreichischen Ärztekammer. Anlass für diesen Schritt waren bewusste Versäumnisse eines Kärntner Gynäkologen. Aus dem Fonds sollen Patienten Entschädigungen erhalten, die aufgrund eines schuldhaften Handelns eines freiberuflichen Arztes Schäden erlitten haben. Gleichzeitig drängt die Volksanwaltschaft jedoch nach wie vor auf eine obligatorische Haftpflichtversicherung für niedergelassene Ärzte und wünscht sich überdies zusätzliche Mittel – auch von den Ländern und der Pharmaindustrie – für den Hepatitis-C-Fonds.

Im Pflegebereich mahnt die Volksanwaltschaft die rasche Schaffung gesetzlicher Rahmenbedingungen für die Pflege von Personen außerhalb von bestehenden Pflegeheimen ein. Zudem fordert sie eine Anhebung des Pflegegeldes und mehr Unterstützung für pflegende Angehörige. Verbesserungen konnten bei der Dauer der Pflegegeldverfahren erzielt werden.

Bürokratische Hürden für behinderte Menschen
Kritisch setzt sich die Volksanwaltschaft damit auseinander, dass es für behinderte Menschen keine zentrale Anlaufstelle zur Erlangung von Zuschüssen für behinderungsbedingte Anschaffungen gibt. Durch die Vielzahl von Anlaufstellen müssten die Betroffenen oft lange auf Unterstützung warten, obwohl sie dringend auf die Hilfsmittel angewiesen und in den wenigsten Fällen in der Lage seien, diese vorzufinanzieren, heißt es im Bericht. Gleichzeitig gebe es für behinderungsbedingte Anschaffungen in den meisten Fällen keinen Rechtsanspruch. Die Volksanwaltschaft appelliert an die Behörden, bei Einlangen von Förderansuchen automatisch weitere Unterstützungsmöglichkeiten abzuklären und untereinander zu kooperieren.
   

Weitere Forderungen und Beanstandungen
Zu den weiteren Forderungen der Volksanwaltschaft gehören die Gewährung der Familienbeihilfe für Präsenz- und Zivildiener, mehr Barrierefreiheit bei den ÖBB, eine Mautpickerl-Lösung für Besitzer von Wechselkennzeichen, die Wertanpassung von Stipendien, die Ausweitung der Vertriebswege für ÖBB-Fahrkarten etwa auf Trafiken und Lotto-Toto-Annahmestellen, die Aufnahme von Kinderrechten in die Verfassung, die Schaffung einer eindeutigen gesetzlichen Grundlage für die anonyme Geburt und die mögliche rückwirkende Zuerkennung einer Versehrtenrente.

Darüber hinaus beanstandet die Volksanwaltschaft in ihrem Bericht etwa die mangelnde Sicherheit mancher Hausbrieffachanlagen, die fahrlässige Vorgangsweise bei der Entsorgung von Computer-Festplatten, Werbemails des Innenministeriums für das zentrale Melderegister, lange "Stehzeiten" für MedizinstudentInnen durch fehlende Parallellehrveranstaltungen, das Anbringen von Gerichtsstempeln auf Originaldokumenten, die unfreundliche Behandlung bei Gerichtsterminen und anderen Vorsprachen bei Gericht durch RichterInnen und Gerichtsbedienstete, mangelnde Beschäftigungsmöglichkeiten während der Haft durch überfüllte Gefängnisse und das Verbot, bei der Basisausbildung im Bundesheer Chargen einzusetzen. Auch die Umsetzung des Heimvertragsgesetzes durch Länder und Gemeinden lässt der Volksanwaltschaft zufolge teilweise noch auf sich warten.

Auf besondere Kritik bei der Volksanwaltschaft stieß ein irreführender Informationsfolder des Sozialministeriums mit zum Teil missverständlichen, zum Teil unrichtigen Textpassagen im Rahmen der Kampagne "Zukunft soziales Österreich". So wurde etwa AusgleichszulagenbezieherInnen fälschlich suggeriert, sie könnten ab Jänner 2006 kostenlos öffentliche Verkehrsmittel benützen. Insgesamt hätte der Folder, so die Volksanwaltschaft, mehr zur Verwirrung und zur Verärgerung von Adressaten als zur Information beigetragen. Ebenso beanstandet wurde von ihr die Versendung einer Rede von Bundeskanzler Wolfgang Schüssel durch das Bildungsministerium an die Schulen.

Dass auch unbedachte Kleinigkeiten zu unerwarteten Problemen führen können, zeigt der Fall eines Beschwerdeführers, der im Ausland zu Unrecht verdächtigt wurde, seinen Reisepass gefälscht zu haben. Grund dafür waren verschiedene Schreibweisen des Namens im Namensfeld und in der maschinenlesbaren Zone seines Reisepasses: auf der einen Seite konnte in seinem Namen durch technische Modernisierung das "ß" berücksichtigt werden, auf der anderen Seite wurde dieser – gemäß internationaler Vereinbarungen – mit einem "SS" dargestellt. Ein entsprechender Vermerk im Reisepass soll künftig Missverständnisse verhindern.

Aus früheren Berichten aufrecht blieben u.a. folgende Forderungen der Volksanwaltschaft: Angleichung der 10-jährigen Verjährungsfrist nach dem Amtshaftungsgesetz an die 30-jährige Verjährungsfrist nach dem bürgerlichen Recht, die Erarbeitung von Leitlinien zur Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung, die Erweiterung der Liste der Berufskrankheiten, die Schaffung einer zentralen Beratungs- und Serviceeinrichtung für psychisch Kranke und deren Angehörige, eine Liberalisierung des Schulsprengelsystems, die Herabsetzung der Grenzwerte für die Betriebsgeräusche von KFZ und Motorrädern.

Unmittelbare Erfolge und legislative Verbesserungen
Unmittelbaren Erfolg konnte die Volksanwaltschaft unter anderem bei der Einhebung unrechtmäßiger Trauungsgebühren für Trauungen außerhalb des Standesamtes erzielen. In vielen Fällen erfolgte eine Rückzahlung der Gebühren an die Betroffenen.

Im legislativen Bereich streicht die Volksanwaltschaft etwa Verbesserungen im Sachwalterrecht, die Streichung der Verjährungsbestimmung im Impfschadengesetz, die Neuregelung der Witwen-/Witwerpension und eine effizientere Hilfe für Verbrechensopfer als positiv hervor. Zudem äußert sie sich darüber erfreut, dass die gesetzliche Möglichkeit geschaffen wurde, die E-Card auch SozialhilfeempfängerInnen zur Verfügung zu stellen.

Dauerthema überlange Verfahren bei Behörden...
Dauerthema bei der Volksanwaltschaft sind überlange Behördenverfahren. So wird im Tätigkeitsbericht 2006 ein Fall dargestellt, bei dem ein Beschwerdeführer nach der Aufhebung eines Bescheids durch den Verwaltungsgerichtshof jahrelang auf einen Ersatzbescheid des UVS Wien warten musste und nach einer gesamten Verfahrensdauer von mehr als 11 Jahren schließlich resignierte. Der Akt war in Verstoß geraten, ohne dass sich der UVS besonders darum gekümmert hätte. In einem anderen Fall blieben die Berghauptmannschaft Wien bzw. die Montanbehörde Ost jahrelang die Anordnung von Sanierungsmaßnahmen säumig. Auch bei Wasserrechtsverfahren kommt es immer wieder zu Verzögerungen, die, so die Volksanwaltschaft, durch die Komplexität der Sach- und Rechtslage nicht zu rechtfertigen sind.

Zusammenfassend kommt die Volksanwaltschaft zum Schluss, dass die Gefahr der Aushöhlung des Rechtsstaates durch die Nichterledigung von Anträgen innerhalb angemessener Frist unverändert ein überaus ernstes staatsorganisationsrechtliches Problem darstellt.

... und bei Gerichten
Für die lange Dauer von Gerichtsverfahren sind laut Bericht vor allem die Einholung von Sachverständigengutachten, oftmalige Richterwechsel, Kanzleiversehen, Überlastung und Krankenstände sowie persönliche Probleme einzelner RichterInnen und RechtspflegerInnen verantwortlich. Gravierende Verfahrensverzögerungen ergeben sich insbesondere dann, wenn mehrere dieser Komponenten in einem Verfahren zusammentreffen. Immer wieder kommt es laut Volksanwaltschaft aber auch zu monatelangen Verfahrensstillständen, ohne dass dafür eine ausreichende Begründung geliefert werden kann. In einem konkreten Fall musste ein Beschwerdeführer fast acht Monate auf die schriftliche Ausfertigung eines mündlich bereits verkündeten Urteils warten, obwohl dafür eine Frist von 4 Wochen vorgesehen ist.

Die Volksanwaltschaft hält regelmäßig Sprechtage ab – 2006 waren es 211 – und bietet auch via Internet (www.volksanwaltschaft.gv.at) ein Online-Beschwerdeformular an. Für Rat- und Hilfesuchende stehen außerdem täglich zwischen 8 Uhr und 16 Uhr ein telefonischer Auskunftsdienst (Tel. 01/51505-100) bzw. eine kostenlose Service-Nummer (0800/223 223) zur Verfügung.

Großer Beliebtheit erfreut sich nach wie vor die ORF-Sendereihe "Volksanwalt – Gleiches Recht für alle", in der die VolksanwältInnen besonders berichtenswerte Fälle aus ihrer Prüfungstätigkeit darstellen. Sie erreichte im vergangenen Jahr eine durchschnittliche Zuschauerquote von 405.000 und zählte damit zu den am Samstag meistgesehenen Sendungen in ORF 2.

Besonders hebt die Volksanwaltschaft in ihrem Tätigkeitsbereicht 2006 auch ihre internationalen Kontakte hervor, wobei sie u.a. auf die Konferenz Europäischer Ombudsleute im Juni 2006 in Wien verweist, an der 140 Ombudsleute und Delegierte von Ombudsmann-Einrichtungen aus 45 Mitgliedstaaten des Europarats teilnahmen.
 
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