Robustes makroökonomisches Umfeld sorgt für
gutes Börsenklima. Erste Vorläufer der Übernahme- und Fusionswelle erreichen Österreich und
geben ATX neuen Schub
Wien (rzb) - Die Dynamik der Industrie und die rege Investitionstätigkeit werden Träger des österreichischen
BIP-Wachstums sein, das auch 2007 eine Drei vor dem Komma aufweisen sollte. Damit sinkt die Arbeitslosenrate weiter
auf 4,5 Prozent und die Inflation verharrt bei 1,7 Prozent.
Erfreuliche Prognosen gibt es auch für beinahe ganz Zentral- und Osteuropa (CEE): Die Volkswirtschaften in
CEE befinden sich 2007 weiterhin auf Expansionspfad, der Wachstumsvorsprung gegenüber der Eurozone bleibt
groß. Vor dem Hintergrund der starken Inlandsnachfrage liegen die Prognosen 2007 für Zentraleuropa (CE)
bei einem BIP-Wachstum von 5,2 Prozent, für Südosteuropa (SEE) bei 5,8 Prozent und für die Gemeinschaft
Unabhängiger Staaten (CIS) bei 6,0 Prozent. „Einzig Ungarn fällt aus der Reihe, da das Sparpaket der
Regierung Gyurcsany Spuren hinterlassen wird. Wir erwarten daher eine Verlangsamung des Wachstums in Ungarn auf
2,5 Prozent“, erklärt der Chefanalyst der Raiffeisen Zentralbank Österreich AG (RZB), Peter Brezinschek.
„Das gesamtwirtschaftliche Umfeld mit robusten Wachstumszahlen und niedrigen Inflationsraten dient als guter Nährboden
für eine weitere Aufwertung der zentral- und osteuropäischen Währungen“, so Brezinschek. Wie schon
in der Vergangenheit sollten diese auch künftig vom hohen Risikoappetit der Investoren profitieren. Zinsseitig
schreitet die Konvergenz der CE-Länder voran, wobei die Entwicklung innerhalb der einzelnen Länder höchst
unterschiedlich ist. Während im laufenden Jahr in Polen und Tschechien mit Zinsanhebungen im Gesamtausmaß
von jeweils 50 Basispunkten (1 BP entspricht 0,01 Prozent) zu rechnen ist, werden für Ungarn (150 BP), Rumänien
(75 BP) und die Slowakei (25 BP) zum Teil massive Zinssenkungen erwartet.
Fokus Aktienmärkte: M&A-Phantasie spornt ATX zu neuer Höchstleistung an
„Die wichtigsten Einflussfaktoren sprechen für einen weiteren Anstieg des ATX, bis zum Jahresende erwarten
wir einen Indexstand von 5200 Punkten“, so Birgit Kuras, Chefanalystin der Raiffeisen Centrobank. Sowohl das nach
wie vor sehr gute internationale Konjunkturumfeld – vor allem in der Eurozone – als auch ein anhaltend starkes
Gewinnmomentum österreichischer Unternehmen würden diese optimistische Haltung unterstützen.
Wie die Berichte zum vierten Quartal 2006 gezeigt haben, konnten die Unternehmen die Analystenerwartungen weiterhin
erfüllen – auch wenn eine nachlassende Gewinnrevisionsdynamik festzustellen ist. Nichtsdestotrotz sollten
die Unternehmensgewinne der ATX-Unternehmen ausgehend von einem sehr hohen Niveau im Jahr 2007 um rund neun Prozent
und 2008 um mehr als zehn Prozent wachsen. Auf Basis des absoluten Bewertungsniveaus sieht Kuras wenig Grund zur
Sorge auf dem österreichischen Kapitalmarkt. Im Vergleich zu den etablierten Aktienmärkten hat der ATX
im abgelaufenen Quartal seine Bewertungsprämie jedoch weiter aufgebaut.
„Die positive Entwicklung der ATX-Unternehmen hat die Übernahmewelle auch nach Österreich überschwappen
lassen. Wir sind eigentlich überrascht, dass der internationale Fusions- und Übernahmetrend so lange
an Österreich vorbeigezogen ist“, deponiert Kuras, vor allem in Hinblick auf das Interesse internationaler
Finanzinvestoren an Böhler-Uddeholm. Kuras ist überzeugt, dass dies nur der Vorläufer einer größeren
Fusions- und Übernahmewelle ist. „Gerade österreichische Unternehmen, die in Zentral- und Osteuropa tätig
sind, sind sehr gut aufgestellt. Übernahmen eröffnen somit Wachstumspotenzial für akquirierende
Unternehmen.“ Kursanstiege durch Übernahmen und die daraus folgende Neubewertung von Vergleichsunternehmen
seien vorhersehbar.
Bezahlte Übernahmeprämien treiben aber nicht nur den Kurs des übernommenen Unternehmens, sondern
oftmals den der gesamten Branche. Derzeit erscheine die Sorge überhitzter Kurse aber eher unbegründet,
meint Kuras, da die Übernahmeprämien noch als moderat einzustufen seien. Allerdings darf nicht übersehen
werden, dass Fusionen häufig auch mit erheblichen Risken verbunden sind. Wie die Vergangenheit zeigt, scheitert
ein Großteil der Zusammenschlüsse langfristig.
Im Blickpunkt: Böhler-Uddeholm
Böhler-Uddeholm als Übernahmekandidat ist derzeit sehr hoch bewertet. Sollte die Übernahme
durch die voestalpine erfolgreich sein, dann soll Böhler-Uddeholm als fünftes Geschäftsfeld im neuen
Konzern aufgehen. Festhalten sollte man jedoch, dass eine mögliche Übernahme der Böhler durch die
voestalpine die Kennzahlen der voestalpine verwässern wird. Auch die geplante Kapitalerhöhung wird zur
Verwässerung des Gewinns je Aktie beitragen. Die Empfehlung lautet Halten. Das Nachbesserungspotenzial für
die Übernahme wird mit
75 Euro angegeben.
Im Blickpunkt: Erste Bank
Die Erste Bank konnte trotz bwin-Wertberichtigungen ein starkes Ergebnis 2006 berichten und den Jahresüberschuss
um 30 Prozent (26 Prozent ohne Erstkonsolidierungseffekte) steigern. Grund hierfür war die teilweise aufgeschobene
Verbuchung von in Rumänien angefallenen Restrukturierungskosten. Das Management bestätigt den Ausblick
von zumindest 20 Prozent durchschnittlichem Gewinnwachstum bis 2009. Diese Bestätigung kann als Erhöhung
der Gewinnziele interpretiert werden. Das Kursziel wird mit 67 Euro festgesetzt und die derzeitige Kaufempfehlung
bestätigt.
Im Blickpunkt: Semperit
Durch Produktivitätssteigerungen konnte der erhöhte Materialaufwand mehr als kompensiert und
somit das Nettoergebnis gesteigert werden. Im Zuge der weiteren Expansion in Billiglohnländern – so soll etwa
die Kapazität des Werks in Indien verdoppelt werden – sollten sich die Personalaufwendungen in Relation zum
Geschäftszuwachs weiter verringern. Die Empfehlung lautet Halten, das Kursziel wird auf 34 Euro erhöht.
CEE-Aktienmärkte bis Jahresmitte positiv
In CEE rechnet Brezinschek analog zu den westlichen Märkten mit einer holprigen ersten Quartalshälfte.
Aufgrund der starken lokalen Rahmenbedingungen – mit Ausnahme Ungarns – sollte diese Schwächephase jedoch
nur von kurzer Dauer sein. „Dementsprechend gehen wir davon aus, dass CEE-Aktien bis zur Jahresmitte mögliche
Rückgänge nicht nur ausgleichen, sondern sehr wohl wieder Kurszuwächse verbuchen können“, zeigt
sich der RZB-Chefanalyst zuversichtlich.
Russland: Öl schmiert den Markt
Der zu Jahresbeginn gesunkene Ölpreis hat vor allem auf dem russischen Aktienmarkt seine Wirkung gezeigt:
Anfang März notierte der Leitindex RTS rund zehn Prozent niedriger als zu Jahresbeginn. Der jüngste,
sprunghafte Anstieg des Ölpreises sorgte zuletzt aber wieder für eine deutlich positivere Marktstimmung.
Unter anderem sorgt die „Risikoprämie Iran“ im zweiten Quartal wieder für einen Ölpreis von durchschnittlich
mehr als 60 US-Dollar/Barrel, im zweiten Halbjahr sollten erneut Ölpreisspitzen von 70 US-Dollar/Barrel erreicht
werden.
Bei einem zu Frühjahrsbeginn erstmals positiv geschätzten Gewinnwachstum von 11,4 Prozent (nach realisierten
plus 30,1 Prozent im Vorjahr) gilt der RTS-Index als einer der chancenreichsten Märkte bis Jahresende. Die
Etablierung bzw. Absicherung staatskontrollierter Schlüsselunternehmen bleibt ein Thema. Die Zielwerte des
RTS für Juni/September/Dezember: 2000/2100/2250.
Polen: Gewinnwachstum sorgt für Schwung
Stabiles BIP-Wachstum und die positive Entwicklung der Unternehmensdaten – das Gewinnwachstum wurde auf
Konsensusbasis von knapp 9 auf 15 Prozent nach oben revidiert – sollten für ein positives zweites Quartal
sorgen. Die Zielwerte für den WIG 20: 3680/3800/3950.
Tschechien: Dividendenrendite macht Markt attraktiv
Der tschechische Markt dürfte sich bei einer neuerlichen Korrektur rasch wieder erholen. Die nach dem polnischen
WIG (4,1 Prozent) mit 3,4 Prozent zweithöchste Dividendenrendite der Region sichert das Kursniveau nach unten
ab. Unternehmen der zweiten Reihe (z. B. Zentiva) machen den PX interessanter. Mit einer erwarteten Wachstumsrate
von rund 22 Prozent gelten auch hier die Gewinnaussichten der Unternehmen als Triebfeder für einen positiven
Ausblick. Die Zielwerte für den PX: 1800/1850/1950.
Rumänien: Immun gegen schlechte Marktstimmung
Der BET erwies sich zwischen Jänner und März in einem turbulenten internationalen Umfeld als
relativ robust. „Seit Jahresbeginn steht eine Performance von sieben Prozent zu Buche“, berichtet Brezinschek.
Im Jahresverlauf sollte der BET zum einen von Kapitalzuflüssen aus Investmentfonds, die ausschließlich
im EU-Raum investieren, und zum anderen von den geplanten weiteren Privatisierungsschritten der rumänischen
Regierung (Petrom, Transelectrica, Transgaz, Romtelecom) profitieren. Obwohl sich das Kurs/Gewinn Verhältnis
mit 20 weit über Emerging Market-Durchschnitt befindet, liegt das zweistellige Gewinnwachstum stets über
den Schätzungen im ersten Halbjahr (aktuell plus 13,8 Prozent). Die Zielwerte für den BET: 9200/9500/9900.
Kroatien: Inländische Fonds beflügeln den Markt
Satte 34,6 Prozent Wertzuwachs verzeichnete der kroatische Leitindex CROEMI bis zum Ende des ersten Quartals.
„Zurückzuführen ist dieser Anstieg in erster Linie auf kroatische Investmentfonds. Das dort veranlagte
Kapital stieg zuletzt im Jahresvergleich um rund 86 Prozent und katapultierte damit den gesamten Markt in neue
Kursregionen“, so Brezinschek.
Ein Ende dieser Entwicklung sei vorerst nicht abzusehen, „wobei diese aber auch die Gefahr einer Überhitzung
mit sich bringt“, gibt er zu bedenken. Eine etwaige Korrektur wäre aber ähnlich wie in anderen Märkten
als günstiger Einstiegszeitpunkt zu werten und daher nicht von langer Dauer. „Das heißt, dass auf dem
kroatischen Aktienmarkt auch in Zukunft mit einem Kursverlauf zu rechnen ist, der durch großes Eigenleben
gekennzeichnet ist.“ Die Zielwerte für den CROEMI: 3600/3650/3800.
Ungarn: Sparkurs fordert Opfer
Hausgemachte Probleme dämpfen den ungarischen Aktienmarkt. „Die Maßnahmen zur Eindämmung
des Budgetdefizits scheinen zwar zu greifen. Die Kehrseite der Medaille ist jedoch, dass es sich dabei beinahe
ausschließlich um steuerliche Maßnahmen handelt. Wichtige Strukturreformen, etwa im Gesundheits- oder
Pensionssystem, bleiben notwendig“, sagt Brezinschek.
Das Sparpaket führte unter anderem bereits zu einer weiteren Verschlechterung der Gewinnerwartungen der ungarischen
Unternehmen: Seit Jahresbeginn wurden diese von
-0,8 Prozent auf -15 Prozent herabgesetzt. Gleichzeitig wird die höhere Steuerlast auch am Realeinkommen der
Ungarn zehren. Das wird zu einer deutlich spürbaren Konjunkturabkühlung führen. Ein wenig Unterstützung
sollte der ungarische Aktienmarkt hingegen durch die 2007 zu erwartenden Zinssenkungen – 50 Basispunkte pro Quartal
– und die relativ günstigen Bewertungen (KGV 2007e: 11,1) erhalten.
Vor diesem Hintergrund wird der BUX mit „Untergewichten“ eingestuft, die Zielwerte liegen bei: 23700/24500/26000.
Branchenfokus in Österreich und CEE
Finanzsektor
Stefan Maxian, Head of CEE Company Research der Raiffeisen Centrobank, sieht die positive Entwicklung im
Finanzsektor durch die laufende Berichtsaison bestätigt. Das Wachstum bei Zins- und Provisionserträgen
lag im zweistelligen Prozentbereich. Ergebnistreiber war weiterhin das starke Privatkundengeschäft. Im Firmenkundensegment
konnten insbesondere polnische Banken positiv überraschen. Durch die relativ günstigen Bewertungen erscheinen
Erste Bank, Komercni Banka und OTP weiterhin attraktiv. Die Aktien der rumänische Banca Transilvania sowie
der OTP könnten von Übernahmespekulationen getrieben werden. Bei Versicherungsaktien mit Osteuropaengagement,
wie der Wiener Städtischen und der UNIQA, sieht Maxian durch den hohen Aufholbedarf, insbesondere bei Lebensversicherungen,
Potenzial. Erste Bank, Komercni Banka, UNIQA und Banca Transilvania werden zum Kauf empfohlen.
Pharmabranche
Die Pharmabranche bietet sich als defensive Alternative in einem kurzfristigen Korrekturszenario an. Allerdings
litt der Sektor im ersten Quartal durch die Gewinnwarnung von Egis und schwachen Zahlen von Gedeon Richter. „In
Bezug auf Gedeon Richter sehen wir die Negativmeldungen bereits eingepreist“, so Maxian. Die Aktie wurde auf „Kauf“
hochgestuft. Auch die in Prag notierte Zentiva wird zum Kauf empfohlen.
Versorger
Durch den unerwartet warmen Winter kamen die Strompreise und damit die österreichischen Versorger
unter Druck. Mit der härteren Haltung der Europäischen Union zum Klimaschutz und der Normalisierung des
Wetters erholten sich die Aktien wieder. Besonders Verbund kann als CO2-armer Wasserkrafterzeuger von hohen Großhandelspreisen
für Strom und Emissionszertifikaten profitieren. Die tschechische CEZ erscheint durch relativ geringe Stromerzeugungskosten
und der Strompreiskonvergenz in Tschechien, Bulgarien und Rumänien weiterhin interessant. In Russland wiederum
wird durch die derzeitige Liberalisierung im Stromsektor bei regionalen Distributoren Potenzial gesehen.
Telekom
Die relativ geringe Schuldenlast der Ex-Monopolisten in Polen, Ungarn und Tschechien bietet die Möglichkeit
für hohe Dividendenausschüttung: Die Dividendenrenditen liegen bei acht Prozent und darüber. Die
im Verhältnis zu anderen Branchen geringere Volatilität lässt die Telekomwerte als defensive Titel
im zweiten Quartal 2007 wieder in den Vordergrund treten. Die Senkung der Roaming-Gebühren in der EU könnte
schon im Sommer greifen, sie sollte zumindest teilweise bereits eingepreist sein. In der Slowakei sind die Wachstumsperspektiven
der Telefonica 02, durch den erfolgreichen Start der neuen Mobilfunklizenzen laut Maxian am attraktivsten. Bei
der Telekom Austria hat sich die traditionelle Bewertungsprämie zuletzt in einen Bewertungsabschlag gegenüber
den Vergleichsunternehmen gewandelt, daher wird die Empfehlung von „Halten“ auf „Kauf“ angehoben. Die Bekanntgabe
der adaptierten Cash-use policy sowie die Verabschiedung eines neuen Aktienrückkaufsprogramms wird für
die nächste Hauptversammlung Ende Mai erwartet.
Öl & Gas
Die derzeitige politische Instabilität in Nahost unterstützt den weiterhin positiven Ausblick
für die Öl- und Gasindustrie. Ein anhaltendes Wirtschaftswachstum in Kombination mit einer niedrigen
OPEC-Reservekapazität sollte den Ölpreis weiterhin hoch halten. Anstehende Wartungsarbeiten bei einigen
zentral- und osteuropäischen Raffinerien sollten sich zudem unterstützend auf die Raffineriemargen auswirken.
Nachdem im vierten Quartal noch insbesondere PKN und MOL unter anderem von Lagerbewertungseffekten belastet wurden,
dürfte sich der gestiegene Ölpreis positiv auf die Berichterstattung auswirken. Allerdings sollten die
Raffineriemargen auch zukünftig volatil sein. Zu den Kaufempfehlungen zählen MOL und OMV. In Russland
zählen Gazprom und LUKOIL zu den bevorzugten Werten. |