Wien (öj) - Seit 100 Tagen ist die neue Koalitionsregierung zwischen
SPÖ und ÖVP im Amt, also wurde von allen Seiten Bilanz gezogen. Und die erinnerte, auch ohne genaueres
Hinhören, an Wahlkampftöne wie wir sie bis 1. Oktober 2006, Wahltag, gewohnt waren. Bis knapp vor Bekanntgabe
der Einigung auf eine gemeinsame Regierung durch den heutigen Bundeskanzler Alfred Gusenbauer und den heutigen
Vizekanzler Wilhelm Molterer hielt der teilweise harrsche Ton zwischen den Verhandlern. Dann war man eine zeitlang
bemüht, dem - wie es in vielen Medien hieß - ob der langen Verhandlungsdauer schon verärgerten
Wahlvolk Einigkeit zu zeigen, trat nach dem Ministerrat gemeinsam auf und beteuerte die Harmonie im bereits Erreichten
oder Vorgenommenen.
Das wäre wohl auch bis heute zumindest annähernd so geblieben, würden da nicht die beiden parlamentarischen
Untersuchungsausschüsse laufen zu den Themen Eurofighter-Beschaffung und Finanzmarktaufsicht, kurz als "BAWAG-Skandal"
in die jüngste heimische Geschichte eingegangen. Letzteres steht ein wenig im Schatten, denn die Schlagzeilen
sind voll mit tagtäglich neuen Enthüllungen oder auch solchem, was zumindest auf den ersten Blick so
aussehen mag.
Durch die bisherigen Ermittlungen im sogenannten "Eurofighter-Ausschusses" sind die Koalitionspartner
einander in die Haare geraten, denn die SPÖ, unterstützt von den Grünen und der FPÖ, drängt
- wie schon vor der Wahl - massiv auf den Ausstieg aus dem Kaufvertrag mit EADS, ÖVP und BZÖ beharren
auf dessen Einhaltung, sehen keinerlei Grund für dessen Anfechtung.
Verteidigungsminister Norbert Darabos erklärte vor wenigen Tagen, für ihn seien alle Szenarien - vom
Vertragsaustieg über Reduktion der Stückzahl der Eurofighter bis hin zur Reduktion der Betriebskosten
- möglich. Man werde "um sehr viele Euro kämpfen", so Darabos.
ÖVP-Wehrsprecher Walter Murauer kontert, Darabos mutiere zum Sicherheitsrisiko für Österreich, erste
Priorität könne nicht der Ausstieg aus dem Eurofighter-Vertrag sein. Dessen Vorgangsweise sei fahrlässig
und entspricht nicht den Interessen des Landes, so Murauer.
Die Grünen verlangen mehr Transparenz bei der Parteienfinanzierung und fordern "gläserne Parteikassen
in Österreich". Parteichef Alexander Van der Bellen wirft SPÖ und ÖVP vor, in dieser Sache
aber besonders "hartleibig" zu agieren.
FPÖ-Bundesparteiobmann HC Strache forderte die Regierung und insbesondere die SPÖ auf, sich zu erklären,
ob sie aus dem Deal aussteigen wolle oder nicht. Jedenfalls seien Zahlungen an EADS unverzüglich einzustellen
und eine Klage gegen die Firma wegen Vertragsbruchs einzubringen.
BZÖ-Klubobmann-Stv. Herbert Scheibner erklärte, die Geduld des BZÖ sei nun zu Ende. Die Sicherheit,
wie überhaupt die Interessen des Landes, würden von der SPÖ für parteipolitische Zwecke mißbraucht.
Darabos sei lediglich Handlanger der SPÖ-Zentrale.
Es ist evident und auch praktisch nicht widersprochen, daß Zahlungen an die Frau eines hohen Militärs,
getätigt durch einen EADS-Lobbyisten, zumindest keine gute Optik machen. Doch das ist ein Fakt, der von der
Justiz untersucht und deren Erkenntnisse dann auch von einem unabhängigen Gericht zu überprüfen
sein wird. Erst, wenn ein Urteil gefällt sein wird und sich herausstellt, daß effektiv Schmiergeld von
EADS an Entscheidungsträger der Republik geflossen ist, erst dann wird Österreich einen plausiblen Grund
für einen Ausstieg aus dem Kaufvertrag haben. Bis dahin wird sich aber EADS gegen eine Auflösung zur
Wehr setzen. Verfassungsjuristen warnen vor übereilten Aussagen und Schritten, auch wenn die Protagonisten
das leidige Thema schon gerne vom Tisch hätten. Aber nicht nur Gottes Mühlen mahlen langsam. (mm) |