Neues Testverfahren ersetzt Hautreizungstests bei Kaninchen  

erstellt am
30. 04. 07

Brüssel (europa.eu.int) - Der Beratende Wissenschaftliche Ausschuss des Europäischen Zentrums zur Validierung alternativer Methoden (ECVAM) hat am 27.04. die Validierung von fünf neuen "in-vitro"-Tests bekannt gegeben, die wesentlich dazu beitragen werden, dass Haut- und Augenreizungsprüfungen nicht mehr an Kaninchen durchgeführt werden müssen. Die Tests gelten für eine Vielzahl von Produkten des täglichen Bedarfs, wie Spülmittel, Gesichtscremes oder Make-up, und buchstäblich Tausende von Chemikalien, die im Rahmen der neuen REACH-Chemikalienverordnung bewertet werden müssen. Einer der validierten Tests, der das Verhalten menschlicher Haut simuliert und das Hautreizungspotenzial von Chemikalien mit großer Genauigkeit und Präzision bestimmen kann, wird Kaninchenversuche zur Gänze ersetzen. Zwei weitere Tests sind in der Lage, Auslöser schwerer Augenreizungen zu identifizieren, sodass Augentests an lebenden Kaninchen vermieden werden können. Weiters reduziert eine neue validierte Teststrategie für Hautallergien die Anzahl der Tierversuche um die Hälfte und spart bei der Umsetzung der REACH-Verordnung bis zu 240 000 Mäuse. Diese von einem Ausschuss aus VertreterInnen der Mitgliedstaaten und der Industrie, AkademikerInnen und Tierschutzorganisationen validierten Tests müssen nun von den Regelungsbehörden und den Mitgliedstaaten genehmigt werden. Das ECVAM, das in der Gemeinsamen Forschungsstelle der Europäischen Kommission angesiedelt ist, hat die Aufgabe, Tierversuche zur Ermittlung des Reizungspotenzials von Kosmetika, Arzneimitteln und Chemikalien zu ersetzen, zu verfeinern und zu reduzieren.

Die beiden heute validierten Tests wurden von der Industrie und Privatunternehmen entwickelt und vom ECVAM validiert. Bei den Tests werden in-vitro-Zellkulturen verwendet, um das Hautreizungspotenzial von Chemikalien zu prüfen; mit Hilfe einer realistischen Nachbildung der Eigenschaften menschlicher Haut lassen sich dann reizende und reizungsfreie Chemikalien feststellen. Diese Tests sind das Ergebnis dreijähriger Arbeit von 9 privaten und öffentlichen Laboratorien in der EU und in den USA. Die Validierung durch das ECVAM ist ein wichtiger Schritt, denn sie gewährleistet, dass diese Tests an die Stelle von Tierversuchen treten können und gleichzeitig garantieren, dass die KonsumentInnen vor potenziell gefährlichen Inhaltsstoffen geschützt werden.

Potenziell hautreizende Stoffe, z. B. Kosmetika, deren Inhaltsstoffe und alle neuen Chemikalien, müssen getestet werden, damit das Risiko, das sie für den Menschen darstellen, in der Kennzeichnung korrekt angegeben werden kann. Alle derartigen Risikoprüfungen werden derzeit an Tieren durchgeführt (ca. 20 000 pro Jahr, vor allem Kaninchen). Solche Tests sind jedoch nicht nur aus Gründen des Tierschutzes unbefriedigend, sondern auch im Hinblick auf ihren wissenschaftlichen Nutzen umstritten. Sie basieren eher auf subjektiven Urteilen als auf der objektiven Messung von Auswirkungen. Außerdem reagiert die Haut von Kaninchen nicht immer wie menschliche Haut. Nach der REACH-Verordnung müssen zurzeit 10 000 Chemikalien, die bereits seit über 25 Jahren auf dem Markt sind, anhand von Kaninchen auf Hautreizungen getestet werden. Nun wird es möglich sein, diese Tests durch neue Tests an menschlichem Hautgewebe zu ersetzen, das im Labor gezüchtet wird.

Mit zwei weiteren Tests, die heute validiert wurden, lassen sich Augenreizstoffe anhand von Tiergewebe aus Schlachthöfen feststellen, das ansonsten entsorgt würde. Auch hier wird der Test den Tierversuch zur Feststellung schwerer Reizungen ersetzen. Für schwache Reizungen werden trotzdem immer noch Tierversuche notwendig sein. Derzeit prüft das ECVAM acht weitere Modelle, die - falls sie sich bewähren - Untersuchungen an den Augen lebender Kaninchen künftig überflüssig machen dürften. Die Arbeiten werden in Zusammenarbeit mit US-amerikanischen Laboratorien durchgeführt, was die internationale Anerkennung dieser neuen Testmethoden erleichtern wird.

Hautallergien sind ein Gesundheitsproblem, das die Europäische Wirtschaft jährlich rund 3 Millionen Arbeitstage und etwa 600 Mio. EUR kostet. Jede der 30 000 unter die REACH-Verordnung fallenden Chemikalien muss daher bei Mäusen auf ihr Hautreizungspotenzial getestet werden. Mit dem fünften validierten Test lässt sich diese Zahl künftig halbieren und ungefähr 240 000 Mäusen das Leben retten.

Die fünf Tests sind ein wichtiger Teil der Politik der Europäischen Kommission zur Verringerung, Ersetzung und Verfeinerung von Tierversuchen in der EU. Von besonderer Bedeutung ist diese Politik vor allem vor dem Hintergrund der letzten Änderung der Kosmetikrichtlinie, die das Testen kosmetischer Inhaltsstoffe an Tieren ab 2009 verbietet, sowie der REACH-Chemikalienverordnung, die am 1. Juni 2007 in Kraft tritt.

Informationen: http://ihcp.jrc.ec.europa.eu/
 
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