Wissenschaftsminister Hahn lehnt Numerus Clausus ab  

erstellt am
30. 04. 07

Opposition spricht von Stillstand in der Wissenschaftspolitik
Wien (pk) - In der Debatte über das Kapitel Wissenschaft und Forschung erinnerte Abgeordneter Dr. GRÜNEWALD (G) am 27.04. im Hohen Haus daran, dass die Regierung auch in der Vergangenheit immer sehr großzügig mit lobenden Worten für ihre Wissenschaftspolitik gewesen sei, real aber könne kein Fortschritt in der Wissenschafts- und Forschungspolitik erkannt werden. Im Gegenteil, die Bilanz sei mehr als mager, in vielen Bereichen habe es realen Rückschritt gegeben. Besonders die Geistes- und Kulturwissenschaften hätten unter dieser Politik gelitten. Auch im Bereich der Forschung herrsche Stagnation. Im vorliegenden Budget sei zwar mehr Geld vorgesehen, doch stelle sich die Frage, ob dieses ausreiche, die zahlreichen Lücken wieder zu schließen, die sich in den vergangenen Jahren aufgetan hätten. Den entstandenen Aufholbedarf werde man damit jedenfalls nicht bewerkstelligen, befürchtete Grünewald.

Er habe gewisse Zweifel, dass es mit diesem Budget gelingen werde, die angekündigten Ziele zu erreichen. So brauche es etwa bedeutend mehr Hochschullehrer, um wenigstens den EU-Schnitt zu erreichen. Insgesamt sei dieses Budget zwar besser als nichts, er könne aber nur hoffen, dass mehr geschehen werde, als sich derzeit ablesen lasse. Der Wissenschaftsbereich brauche Perspektiven, und die müsse man ihm auch geben.

Abgeordnete Dr. BRINEK (V) erklärte, die Mittel für die Wissenschaft stiegen in den kommenden Jahren nennenswert, es werde in die Infrastruktur investiert, und es gebe die höchste Studierendenzahl, sowohl hinsichtlich der Beginnenden als auch hinsichtlich der Absolventen. So seien etwa 40.000 der 70.000 Studierenden der Universität Wien in geisteswissenschaftlichen Studien immatrikuliert, die Förderprogramme boomten, Österreich liege im Kooperationsbereich im Spitzenfeld, die Zahl der Nachwuchswissenschaftler sei gestiegen, die Akademikerquote sei signifikant höher, und auch in anderen Bereichen könne man ermutigende Signale bemerken. Man könne also sehr wohl einen Fortschritt konstatieren. Österreich befinde sich auf dem richtigen Weg, diesen sollte man fortsetzen, und die angekündigten Initiativen des Ministeriums wiesen auch ganz klar in diese Richtung.

Abgeordneter Dr. GRAF (F) konzedierte, das Budget sei im Bildungssektor durchaus erfreulich, es sei mehr Geld vorhanden als in der Vergangenheit. Für Graf stellte sich allerdings die Frage, ob das Geld auch richtig ausgegeben wird. So sei es der falsche Weg, Budgetmittel in eine Eliteuniversität fließen zu lassen, wo es doch bereits 21 exzellente Universitäten in Österreich gibt. Diese gelte es besser auszustatten, damit jeder die entsprechende Elite erreichen kann, sagte Graf.

Angesichts der Debatte über Zugangsbeschränkungen an den Medizin-Unis sah der Redner den freien Hochschulzugang in Gefahr. Nur weil es sich vornehmlich um deutsche Studierende handelt, werfe die SPÖ den freien Hochschulzugang über Bord, kritisierte Graf und meinte, die Sozialdemokraten würden wohl eine andere Haltung einnehmen, ginge es beispielsweise um türkische Studierende.

Gefragt sind nach Ansicht Grafs jedenfalls kreative Lösungen anstelle einer Quotenregelung. Vorstellbar wären für den Redner etwa eine ganzjährige Nutzung der Unis oder die Schaffung von Trimestern. Manchmal werde das Geld auch für fragwürdige Ausbildungen in "Kunstberufe" wie etwa "Pferdeflüsterer" ausgegeben, gab Graf zu bedenken und stellte klar, eine Universität sei in erster Linie eine wissenschaftliche Einrichtung und keine Berufsausbildungsstätte. Manche Studienrichtungen müssten auch nicht an jedem Standort angeboten werden.

Abgeordneter BROUKAL (S) schickte voraus, man würde sich in vielem leichter tun, gäbe es die überteuerten Eurofighter nicht, und betonte, angesichts der bestehenden Lage der Studierenden liege noch ein steiler Weg vor uns. Zu den Zugangsbeschränkungen bemerkte Broukal, die SPÖ wolle keineswegs einen sozialen Numerus Clausus.

In der Frage des Andrangs deutscher Studierender auf das Medizinstudium bemerkte der Redner, Österreich könne mit dem Geld seiner Steuerzahler nicht Medizin-Unis für Deutschland bauen. Man müsse sich auch auf das Problem einstellen, dass ein Großteil der deutschen Studierenden nach Absolvierung ihres Studiums nach Hause geht und es dann in Österreich zu einem akuten Ärztemangel kommen wird, warnte Broukal.

Abgeordneter Mag. DARMANN (B) betrachtete den Budgetzuwachs für die Universitäten als erfreulich und sprach sich dafür aus, die Verantwortung für die Verwendung der Mittel an professionelle Wirtschaftsmanager zu übertragen.

Für die Studienbeiträge schlug Darmann ein soziales Modell mit Leistungsanreizen vor. Wer den für ein Semester geforderten Leistungsfortschritt nicht erbringt, sollte demnach die Studiengebühr zahlen. Wer mehr als verlangt leistet, sollte leistungsfrei sein oder einen Bonus erhalten, präzisierte Darmann.

Bundesminister Dr. HAHN unterstrich, es gehe darum, die österreichischen Universitäten nicht nur wettbewerbsfähig zu machen, sondern auch danach zu trachten, dass sie international an der Spitze mitspielen. Gemeinsames Anliegen müsse es sein, den freien Hochschulzugang auch in Zukunft zumindest für die Baccalaureats-Studien zu sichern, Maßnahmen der Einschränkungen seien immer nur zweitbeste Lösungen und sollten, wenn überhaupt, am Beginn des Studiums stehen. Nichts hielt Hahn aber, wie er mit Nachdruck betonte, von einem Numerus Clausus, der seiner Meinung nach keinerlei Aussagekraft hat über die Studierfähigkeit in einem speziellen Fach.

Beim Medizinstudium gelte es abzuwägen zwischen allgemeinen europäischen Prinzipien und "sehr vor der Hautür liegenden Notwendigkeiten" wie der Sicherung der medizinischen Versorgung.

In Sachen Studienbeihilfe erläuterte Hahn, dieses Jahr würden die Beihilfen um 12 % erhöht, im kommenden Jahr werde es dann Arrondierungen bei der qualitativen Verbreiterung geben.

Abgeordnete Mag. HAKL (V) erkannte einen rasanten Aufschwung in der Forschung, ortete aber noch einen Nachholbedarf bei den Ausgaben für Forschung und Entwicklung durch die Wirtschaft. Hakl sah daher die Universitäten und die Wirtschaft aufgerufen, stärker als bisher in einen konstruktiven Dialog einzutreten. Sie appellierte überdies an den Minister, für eine entsprechende Koordinierung der Schwerpunkte der einzelnen Universitäten zu sorgen.

Abgeordnete SBURNY (G) mahnte, Forschung dürfe nicht ausschließlich an den marktwirtschaftlichen Notwendigkeiten orientiert sein, sondern sollte auch aus einem gesellschaftspolitischen Aspekt heraus gesehen werden. Irritiert reagierte Sburny auf den geringen Frauenanteil in der Wissenschaft. Es gebe zwar einige positive Anreize im Budget, diese würden aber noch lange nicht ausreichen, um Österreich bei der Frauenquote in der Wissenschaft ins internationale Mittelfeld zu bringen, sagte sie.

Abgeordnete Mag. KUNTZL (S) zeigte sich erfreut darüber, dass Minister Hahn mit offeneren Tönen und mehr Reformbereitschaft an sein schwieriges Ressort herangeht als seine Vorgängerin. Gemeinsam mit dem Koalitionspartner sei es gelungen, das Universitätsbudget aufzustocken, wobei die zusätzlichen Gelder vor allem für eine deutliche Verbesserung der Studienbedingungen eingesetzt werden sollten. Ein besonderes Anliegen waren Kuntzl die berufstätigen Studierenden, für die es in den letzten Jahren immer schwieriger geworden ist, neben ihrem Job ein Studium zu absolvieren. Begrüßenswert sei auch die Erhöhung der Studienförderung, auch wenn sie nicht ganz so hoch ausgefallen ist, wie man es sich gewünscht hätte.

Das Budget für Bildung, Wissenschaft und Forschung sei schwer zu überblicken, weil zumindest vier Ressorts dafür zuständig sind, zeigte Abgeordneter DI KLEMENT (F) auf. Er schlug daher eine Änderung des Bundesministeriengesetzes vor, um die Kompetenzen in eine Hand zu geben. Da auch nicht klar erkennbar sei, in welche Richtung die österreichische Wissenschaft gehen soll, wünschte sich Klement einen vernünftig ausbalancierten Hochschul-Entwicklungsplan, in die u.a. auch die Wirtschaftsentwicklung und die neuen Technologien einbezogen werden müssten. Um in der Wissenschaft in der europäischen "Topliga" mitzuspielen, sollte man sich auch in diesem Bereich überlegen, "teure Legionäre", die z.B. in der Medizin oder auf dem Gebiet der erneuerbaren Energien tätig sind, zu holen. Weiters fehle seiner Meinung nach ein gut koordiniertes und klar ausgerichtetes Energieforschungsprogramm. Es gebe z.B. nicht einmal ein Institut für Solarforschung oder für Energieforschung, gab Klement zu bedenken. Kritisch beurteilte der Redner noch, dass von 2007 auf 2008 keine signifikante Erhöhung des Budgets festzustellen ist, obwohl die Nachfrage nach Studienplätzen signifikant steigt.

Die Erhöhung des Wissenschaftsbudgets um 8,1 % (2007) bzw. 10,1 % (2008) seien ein deutliches Zeichen dafür, dass die Investitionen in die Zukunft nicht nur Lippenbekenntnisse sind, sondern Tatsachen, erklärte Abgeordnete FUHRMANN (V). Sie bedankte sich bei Bundesminister Hahn für sein Engagement in der EU, damit alle junge Menschen in Österreich, die Medizin studieren wollen, dies auch in Zukunft tun können. Wichtig sei es auch, die Infrastruktur an den Universitäten sowie das Lehr- und Lernumfeld weiter zu verbessern. Erfreulich sei die Entwicklung im Bereich der Studienförderungen, erklärte Fuhrmann, hier sei die Zahl der Studenten, die eine finanzielle Unterstützung erhalten, von 34.000 auf 48.000 gestiegen. Außerdem werden die Mittel für die Studienförderung ab Herbst um 12 % erhöht.

Auch wenn die Mittel für das Wissenschaftsbudget nun aufgestockt werden, so sei es praktisch unmöglich, dass Österreich die Lissabon-Ziele - 3 % vom BIP für Forschung und Entwicklung - im Jahr 2010 erreicht, gab Abgeordneter Dr. ZINGGL (G) zu bedenken. Kritisch beurteilte der Redner in diesem Zusammenhang, dass Bundesminister Hahn den öffentlichen Anteil, der derzeit 38 % beträgt, noch weiter reduzieren will. Damit die Privatwirtschaft aber ihren Anteil erreichen kann, brauche es einen staatlichen Anreiz, meinte Zinggl.

Abgeordneter Dr. NIEDERWIESER (S) stellte einleitend zum Thema Dienstrecht fest, dass ein neuer Kollektivvertrag notwendig sei. Er soll u.a. durchgängige Karrieren ermöglichen, ohne dass es dabei eine Automatik gibt. Ein weiterer Punkt, über den man diskutieren sollte, sei die Anerkennung von Fachhochschulabschlüssen im öffentlichen Dienst. Was das Projekt "Studentische Nachhilfe" betrifft, so appellierte er daran, nicht auf die Berufsschüler zu vergessen. Schließlich vertrat Niederwieser noch die Ansicht, dass aus der Zusammenarbeit von Universität und pädagogischen Hochschulen einiges an Synergien möglich sei.

Abgeordneter Mag. DONNERBAUER (V) warnte zunächst davor, ein Budgetkapitel gegen das andere auszuspielen. Wenn man sich das Kapitel Wissenschaft und Forschung anschaue, dann sei heute ein Tag der Freude, da in den nächsten beiden Jahren 8,1 % bzw. 10,1 % mehr Mittel zur Verfügung stehen. Bei den Universitäten gebe es sogar eine Erhöhung um mehr als 16 % bzw. 17 %, hob Donnerbauer hervor. Zusätzlich erhalten die Unis 140 Mill. € jährlich aus den Studienbeiträgen, die nicht – wie von manchen befürchtet – zu einer sozialen Auslese geführt haben.

Abgeordneter MAYER (S) war der Meinung, dass mit Minister Hahn eine "neue Kraft" das Ressort übernommen hat, die in der Lage ist, auf die Herausforderungen zu reagieren und die Wissenschaft auf moderne Bahnen zu stellen. Im Zusammenhang mit dem Thema Studiengebühren wies Mayer darauf hin, dass Wifo-Chef Aiginger vorgeschlagen hat, zumindest den Technik-Studenten die Beiträge zu erlassen, da in den nächsten Jahren in diesem Bereich ein Mangel an gut ausbildeten Absolventen zu erwarten ist.

Abgeordnete Dr. KARL (V) freute sich, dass es signifikant mehr Geld für die Wissenschaft und vor allem die Universitäten gibt, was auch vom Wissenschaftsrat sowie vom Präsidenten der Österreichischen Rektorenkonferenz anerkannt wird. Für wichtig erachtete sie, dass es mit diesem Budget auch mehr Mittel für die Humanressourcen gibt, denn exzellente Unis brauchen exzellente Forscher und Forscherinnen. Im besonderen Maß sollten nach Auffassung von Karl die Frauen sowie der wissenschaftliche Nachwuchs, dem eine Perspektive geboten werden muss, unterstützt werden.

Abgeordnete STADLBAUER (S) begrüßte ausdrücklich die Erhöhung der Beihilfen um 12 %, weil dadurch sozial Schwache mehr Chancen erhalten und indirekt auch mehr Frauen gefördert werden können. Weniger erfreulich sei nach wie vor die Situation der Frauen in der Wissenschaft, urteilte Stadlbauer. Während 50 % der Absolventen weiblich sind, findet man bei den Assistenten nur mehr 30 % Frauen. Bei den Professoren sei der Anteil an Frauen so gering, dass Österreich sogar internationales Schlusslicht ist.

Abgeordneter Dr. RASINGER (V) wies auf den Ärztemangel in Deutschland hin, wo 18.000 Mediziner das Land in Richtung England oder Norwegen verlassen haben, weil es in ganz Europa zu wenig Ärzte gibt. In England warten z.B. 1,3 Millionen Menschen auf eine Operation, viele davon länger als zwei Jahre. Deshalb sei er froh, dass die Medizinerausbildung in Österreich von der Regierung als prioritär angesehen wird.

Abgeordnete Mag. TRUNK (S) sprach insbesondere das Entwicklungskonzept der Universität Klagenfurt im Alpen-Adria-Raum an, das eine Chance bekommen müsste. Die internationalen Kooperationen seien gerade für ein zweisprachiges Bundesland wie Kärnten von großer Bedeutung, unterstrich Trunk. Zudem appellierte sie an den Minister, sich von Diskussionen über Standorte von Fachhochschulen in Kärnten nicht irritieren zu lassen.

In einer tatsächlichen Berichtigung stellte Abgeordneter MARIZZI (S) gegenüber dem Abgeordneten Donnerbauer richtig, dass 1980, also am Ende der Kreisky-Ära, die Staatsschuldenquote 35,4 % betrug; 2006, also am Ende der Schüssel-Ära, belief sich die Staatsschuldenquote auf 63 %.

Abgeordneter Dr. RADA (S) sprach von einem hervorragenden Budget, das weitere Ausbaumöglichkeiten biete. Für jede Regierung sei es wichtig, im Bereich der Wissenschaft die entsprechenden Rahmenbedingungen zu schaffen, damit Gewerbe- und Industriebetriebe nicht nur erhalten, sondern auch neu angesiedelt werden. Notwendig sei ein innovatives, kreatives und durchlässiges Schul- und Ausbildungssystem, das dem Prinzip des lebenslangen Lernens verpflichtet ist. Aufzuarbeiten sei auch die "Baustelle Seibersdorf", merkte Rada an, und er sei daher froh, dass nun ein Sanierungskonzept vorliege.
 
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