Opposition spricht von Stillstand in der Wissenschaftspolitik
Wien (pk) - In der Debatte über das Kapitel Wissenschaft und Forschung erinnerte Abgeordneter
Dr. GRÜNEWALD (G) am 27.04. im Hohen Haus daran, dass die Regierung auch in der Vergangenheit immer sehr großzügig
mit lobenden Worten für ihre Wissenschaftspolitik gewesen sei, real aber könne kein Fortschritt in der
Wissenschafts- und Forschungspolitik erkannt werden. Im Gegenteil, die Bilanz sei mehr als mager, in vielen Bereichen
habe es realen Rückschritt gegeben. Besonders die Geistes- und Kulturwissenschaften hätten unter dieser
Politik gelitten. Auch im Bereich der Forschung herrsche Stagnation. Im vorliegenden Budget sei zwar mehr Geld
vorgesehen, doch stelle sich die Frage, ob dieses ausreiche, die zahlreichen Lücken wieder zu schließen,
die sich in den vergangenen Jahren aufgetan hätten. Den entstandenen Aufholbedarf werde man damit jedenfalls
nicht bewerkstelligen, befürchtete Grünewald.
Er habe gewisse Zweifel, dass es mit diesem Budget gelingen werde, die angekündigten Ziele zu erreichen. So
brauche es etwa bedeutend mehr Hochschullehrer, um wenigstens den EU-Schnitt zu erreichen. Insgesamt sei dieses
Budget zwar besser als nichts, er könne aber nur hoffen, dass mehr geschehen werde, als sich derzeit ablesen
lasse. Der Wissenschaftsbereich brauche Perspektiven, und die müsse man ihm auch geben.
Abgeordnete Dr. BRINEK (V) erklärte, die Mittel für die Wissenschaft stiegen in den kommenden Jahren
nennenswert, es werde in die Infrastruktur investiert, und es gebe die höchste Studierendenzahl, sowohl hinsichtlich
der Beginnenden als auch hinsichtlich der Absolventen. So seien etwa 40.000 der 70.000 Studierenden der Universität
Wien in geisteswissenschaftlichen Studien immatrikuliert, die Förderprogramme boomten, Österreich liege
im Kooperationsbereich im Spitzenfeld, die Zahl der Nachwuchswissenschaftler sei gestiegen, die Akademikerquote
sei signifikant höher, und auch in anderen Bereichen könne man ermutigende Signale bemerken. Man könne
also sehr wohl einen Fortschritt konstatieren. Österreich befinde sich auf dem richtigen Weg, diesen sollte
man fortsetzen, und die angekündigten Initiativen des Ministeriums wiesen auch ganz klar in diese Richtung.
Abgeordneter Dr. GRAF (F) konzedierte, das Budget sei im Bildungssektor durchaus erfreulich, es sei mehr Geld vorhanden
als in der Vergangenheit. Für Graf stellte sich allerdings die Frage, ob das Geld auch richtig ausgegeben
wird. So sei es der falsche Weg, Budgetmittel in eine Eliteuniversität fließen zu lassen, wo es doch
bereits 21 exzellente Universitäten in Österreich gibt. Diese gelte es besser auszustatten, damit jeder
die entsprechende Elite erreichen kann, sagte Graf.
Angesichts der Debatte über Zugangsbeschränkungen an den Medizin-Unis sah der Redner den freien Hochschulzugang
in Gefahr. Nur weil es sich vornehmlich um deutsche Studierende handelt, werfe die SPÖ den freien Hochschulzugang
über Bord, kritisierte Graf und meinte, die Sozialdemokraten würden wohl eine andere Haltung einnehmen,
ginge es beispielsweise um türkische Studierende.
Gefragt sind nach Ansicht Grafs jedenfalls kreative Lösungen anstelle einer Quotenregelung. Vorstellbar wären
für den Redner etwa eine ganzjährige Nutzung der Unis oder die Schaffung von Trimestern. Manchmal werde
das Geld auch für fragwürdige Ausbildungen in "Kunstberufe" wie etwa "Pferdeflüsterer"
ausgegeben, gab Graf zu bedenken und stellte klar, eine Universität sei in erster Linie eine wissenschaftliche
Einrichtung und keine Berufsausbildungsstätte. Manche Studienrichtungen müssten auch nicht an jedem Standort
angeboten werden.
Abgeordneter BROUKAL (S) schickte voraus, man würde sich in vielem leichter tun, gäbe es die überteuerten
Eurofighter nicht, und betonte, angesichts der bestehenden Lage der Studierenden liege noch ein steiler Weg vor
uns. Zu den Zugangsbeschränkungen bemerkte Broukal, die SPÖ wolle keineswegs einen sozialen Numerus Clausus.
In der Frage des Andrangs deutscher Studierender auf das Medizinstudium bemerkte der Redner, Österreich könne
mit dem Geld seiner Steuerzahler nicht Medizin-Unis für Deutschland bauen. Man müsse sich auch auf das
Problem einstellen, dass ein Großteil der deutschen Studierenden nach Absolvierung ihres Studiums nach Hause
geht und es dann in Österreich zu einem akuten Ärztemangel kommen wird, warnte Broukal.
Abgeordneter Mag. DARMANN (B) betrachtete den Budgetzuwachs für die Universitäten als erfreulich und
sprach sich dafür aus, die Verantwortung für die Verwendung der Mittel an professionelle Wirtschaftsmanager
zu übertragen.
Für die Studienbeiträge schlug Darmann ein soziales Modell mit Leistungsanreizen vor. Wer den für
ein Semester geforderten Leistungsfortschritt nicht erbringt, sollte demnach die Studiengebühr zahlen. Wer
mehr als verlangt leistet, sollte leistungsfrei sein oder einen Bonus erhalten, präzisierte Darmann.
Bundesminister Dr. HAHN unterstrich, es gehe darum, die österreichischen Universitäten nicht nur wettbewerbsfähig
zu machen, sondern auch danach zu trachten, dass sie international an der Spitze mitspielen. Gemeinsames Anliegen
müsse es sein, den freien Hochschulzugang auch in Zukunft zumindest für die Baccalaureats-Studien zu
sichern, Maßnahmen der Einschränkungen seien immer nur zweitbeste Lösungen und sollten, wenn überhaupt,
am Beginn des Studiums stehen. Nichts hielt Hahn aber, wie er mit Nachdruck betonte, von einem Numerus Clausus,
der seiner Meinung nach keinerlei Aussagekraft hat über die Studierfähigkeit in einem speziellen Fach.
Beim Medizinstudium gelte es abzuwägen zwischen allgemeinen europäischen Prinzipien und "sehr vor
der Hautür liegenden Notwendigkeiten" wie der Sicherung der medizinischen Versorgung.
In Sachen Studienbeihilfe erläuterte Hahn, dieses Jahr würden die Beihilfen um 12 % erhöht, im kommenden
Jahr werde es dann Arrondierungen bei der qualitativen Verbreiterung geben.
Abgeordnete Mag. HAKL (V) erkannte einen rasanten Aufschwung in der Forschung, ortete aber noch einen Nachholbedarf
bei den Ausgaben für Forschung und Entwicklung durch die Wirtschaft. Hakl sah daher die Universitäten
und die Wirtschaft aufgerufen, stärker als bisher in einen konstruktiven Dialog einzutreten. Sie appellierte
überdies an den Minister, für eine entsprechende Koordinierung der Schwerpunkte der einzelnen Universitäten
zu sorgen.
Abgeordnete SBURNY (G) mahnte, Forschung dürfe nicht ausschließlich an den marktwirtschaftlichen Notwendigkeiten
orientiert sein, sondern sollte auch aus einem gesellschaftspolitischen Aspekt heraus gesehen werden. Irritiert
reagierte Sburny auf den geringen Frauenanteil in der Wissenschaft. Es gebe zwar einige positive Anreize im Budget,
diese würden aber noch lange nicht ausreichen, um Österreich bei der Frauenquote in der Wissenschaft
ins internationale Mittelfeld zu bringen, sagte sie.
Abgeordnete Mag. KUNTZL (S) zeigte sich erfreut darüber, dass Minister Hahn mit offeneren Tönen und mehr
Reformbereitschaft an sein schwieriges Ressort herangeht als seine Vorgängerin. Gemeinsam mit dem Koalitionspartner
sei es gelungen, das Universitätsbudget aufzustocken, wobei die zusätzlichen Gelder vor allem für
eine deutliche Verbesserung der Studienbedingungen eingesetzt werden sollten. Ein besonderes Anliegen waren Kuntzl
die berufstätigen Studierenden, für die es in den letzten Jahren immer schwieriger geworden ist, neben
ihrem Job ein Studium zu absolvieren. Begrüßenswert sei auch die Erhöhung der Studienförderung,
auch wenn sie nicht ganz so hoch ausgefallen ist, wie man es sich gewünscht hätte.
Das Budget für Bildung, Wissenschaft und Forschung sei schwer zu überblicken, weil zumindest vier Ressorts
dafür zuständig sind, zeigte Abgeordneter DI KLEMENT (F) auf. Er schlug daher eine Änderung des
Bundesministeriengesetzes vor, um die Kompetenzen in eine Hand zu geben. Da auch nicht klar erkennbar sei, in welche
Richtung die österreichische Wissenschaft gehen soll, wünschte sich Klement einen vernünftig ausbalancierten
Hochschul-Entwicklungsplan, in die u.a. auch die Wirtschaftsentwicklung und die neuen Technologien einbezogen werden
müssten. Um in der Wissenschaft in der europäischen "Topliga" mitzuspielen, sollte man sich
auch in diesem Bereich überlegen, "teure Legionäre", die z.B. in der Medizin oder auf dem Gebiet
der erneuerbaren Energien tätig sind, zu holen. Weiters fehle seiner Meinung nach ein gut koordiniertes und
klar ausgerichtetes Energieforschungsprogramm. Es gebe z.B. nicht einmal ein Institut für Solarforschung oder
für Energieforschung, gab Klement zu bedenken. Kritisch beurteilte der Redner noch, dass von 2007 auf 2008
keine signifikante Erhöhung des Budgets festzustellen ist, obwohl die Nachfrage nach Studienplätzen signifikant
steigt.
Die Erhöhung des Wissenschaftsbudgets um 8,1 % (2007) bzw. 10,1 % (2008) seien ein deutliches Zeichen dafür,
dass die Investitionen in die Zukunft nicht nur Lippenbekenntnisse sind, sondern Tatsachen, erklärte Abgeordnete
FUHRMANN (V). Sie bedankte sich bei Bundesminister Hahn für sein Engagement in der EU, damit alle junge Menschen
in Österreich, die Medizin studieren wollen, dies auch in Zukunft tun können. Wichtig sei es auch, die
Infrastruktur an den Universitäten sowie das Lehr- und Lernumfeld weiter zu verbessern. Erfreulich sei die
Entwicklung im Bereich der Studienförderungen, erklärte Fuhrmann, hier sei die Zahl der Studenten, die
eine finanzielle Unterstützung erhalten, von 34.000 auf 48.000 gestiegen. Außerdem werden die Mittel
für die Studienförderung ab Herbst um 12 % erhöht.
Auch wenn die Mittel für das Wissenschaftsbudget nun aufgestockt werden, so sei es praktisch unmöglich,
dass Österreich die Lissabon-Ziele - 3 % vom BIP für Forschung und Entwicklung - im Jahr 2010 erreicht,
gab Abgeordneter Dr. ZINGGL (G) zu bedenken. Kritisch beurteilte der Redner in diesem Zusammenhang, dass Bundesminister
Hahn den öffentlichen Anteil, der derzeit 38 % beträgt, noch weiter reduzieren will. Damit die Privatwirtschaft
aber ihren Anteil erreichen kann, brauche es einen staatlichen Anreiz, meinte Zinggl.
Abgeordneter Dr. NIEDERWIESER (S) stellte einleitend zum Thema Dienstrecht fest, dass ein neuer Kollektivvertrag
notwendig sei. Er soll u.a. durchgängige Karrieren ermöglichen, ohne dass es dabei eine Automatik gibt.
Ein weiterer Punkt, über den man diskutieren sollte, sei die Anerkennung von Fachhochschulabschlüssen
im öffentlichen Dienst. Was das Projekt "Studentische Nachhilfe" betrifft, so appellierte er daran,
nicht auf die Berufsschüler zu vergessen. Schließlich vertrat Niederwieser noch die Ansicht, dass aus
der Zusammenarbeit von Universität und pädagogischen Hochschulen einiges an Synergien möglich sei.
Abgeordneter Mag. DONNERBAUER (V) warnte zunächst davor, ein Budgetkapitel gegen das andere auszuspielen.
Wenn man sich das Kapitel Wissenschaft und Forschung anschaue, dann sei heute ein Tag der Freude, da in den nächsten
beiden Jahren 8,1 % bzw. 10,1 % mehr Mittel zur Verfügung stehen. Bei den Universitäten gebe es sogar
eine Erhöhung um mehr als 16 % bzw. 17 %, hob Donnerbauer hervor. Zusätzlich erhalten die Unis 140 Mill.
€ jährlich aus den Studienbeiträgen, die nicht – wie von manchen befürchtet – zu einer sozialen
Auslese geführt haben.
Abgeordneter MAYER (S) war der Meinung, dass mit Minister Hahn eine "neue Kraft" das Ressort übernommen
hat, die in der Lage ist, auf die Herausforderungen zu reagieren und die Wissenschaft auf moderne Bahnen zu stellen.
Im Zusammenhang mit dem Thema Studiengebühren wies Mayer darauf hin, dass Wifo-Chef Aiginger vorgeschlagen
hat, zumindest den Technik-Studenten die Beiträge zu erlassen, da in den nächsten Jahren in diesem Bereich
ein Mangel an gut ausbildeten Absolventen zu erwarten ist.
Abgeordnete Dr. KARL (V) freute sich, dass es signifikant mehr Geld für die Wissenschaft und vor allem die
Universitäten gibt, was auch vom Wissenschaftsrat sowie vom Präsidenten der Österreichischen Rektorenkonferenz
anerkannt wird. Für wichtig erachtete sie, dass es mit diesem Budget auch mehr Mittel für die Humanressourcen
gibt, denn exzellente Unis brauchen exzellente Forscher und Forscherinnen. Im besonderen Maß sollten nach
Auffassung von Karl die Frauen sowie der wissenschaftliche Nachwuchs, dem eine Perspektive geboten werden muss,
unterstützt werden.
Abgeordnete STADLBAUER (S) begrüßte ausdrücklich die Erhöhung der Beihilfen um 12 %, weil
dadurch sozial Schwache mehr Chancen erhalten und indirekt auch mehr Frauen gefördert werden können.
Weniger erfreulich sei nach wie vor die Situation der Frauen in der Wissenschaft, urteilte Stadlbauer. Während
50 % der Absolventen weiblich sind, findet man bei den Assistenten nur mehr 30 % Frauen. Bei den Professoren sei
der Anteil an Frauen so gering, dass Österreich sogar internationales Schlusslicht ist.
Abgeordneter Dr. RASINGER (V) wies auf den Ärztemangel in Deutschland hin, wo 18.000 Mediziner das Land in
Richtung England oder Norwegen verlassen haben, weil es in ganz Europa zu wenig Ärzte gibt. In England warten
z.B. 1,3 Millionen Menschen auf eine Operation, viele davon länger als zwei Jahre. Deshalb sei er froh, dass
die Medizinerausbildung in Österreich von der Regierung als prioritär angesehen wird.
Abgeordnete Mag. TRUNK (S) sprach insbesondere das Entwicklungskonzept der Universität Klagenfurt im Alpen-Adria-Raum
an, das eine Chance bekommen müsste. Die internationalen Kooperationen seien gerade für ein zweisprachiges
Bundesland wie Kärnten von großer Bedeutung, unterstrich Trunk. Zudem appellierte sie an den Minister,
sich von Diskussionen über Standorte von Fachhochschulen in Kärnten nicht irritieren zu lassen.
In einer tatsächlichen Berichtigung stellte Abgeordneter MARIZZI (S) gegenüber dem Abgeordneten Donnerbauer
richtig, dass 1980, also am Ende der Kreisky-Ära, die Staatsschuldenquote 35,4 % betrug; 2006, also am Ende
der Schüssel-Ära, belief sich die Staatsschuldenquote auf 63 %.
Abgeordneter Dr. RADA (S) sprach von einem hervorragenden Budget, das weitere Ausbaumöglichkeiten biete. Für
jede Regierung sei es wichtig, im Bereich der Wissenschaft die entsprechenden Rahmenbedingungen zu schaffen, damit
Gewerbe- und Industriebetriebe nicht nur erhalten, sondern auch neu angesiedelt werden. Notwendig sei ein innovatives,
kreatives und durchlässiges Schul- und Ausbildungssystem, das dem Prinzip des lebenslangen Lernens verpflichtet
ist. Aufzuarbeiten sei auch die "Baustelle Seibersdorf", merkte Rada an, und er sei daher froh, dass
nun ein Sanierungskonzept vorliege. |