Armut und Wohlstand in Österreich  

erstellt am
30. 04. 07

Die Verteilung der Lebenschancen in Österreich – Neue Ergebnisse aus EU-SILC 2005
Wien (statistik asutria) - Nach EU-SILC, einer EU-weiten Statistik zu Einkommen und Lebensbedingungen der Bevölkerung in Privathaushalten, waren 2005 rund eine Million Personen in Österreich armutsgefährdet. Von Armutsgefährdung wird gesprochen, wenn weniger als 60% des mittleren gewichteten Pro-Kopf-Einkommens zur Verfügung stehen. Damit sind 2005 – unverändert zu den Vorjahren – rund 12% der Bevölkerung armutsgefährdet. Kleinere Veränderungen sind auf statistische Zufallsschwankungen zurückzuführen.
Als besonderer Schwerpunkt des diesjährigen Berichts werden die soziale Lage von armutsgefährdeten Kindern und Jugendlichen und die Vererbung von Armut untersucht. Der Generaldirektor der Statistik Austria, Dr. Peter Hackl, stellt fest: „Soziale Teilhabe ist in Österreich nicht gleich verteilt. Aus armen Kindern werden auch häufig arme Erwachsene.“

Der mittlere Lebensstandard 2005 liegt bei rund 1.500 Euro pro Monat
Mit einem verfügbaren Haushaltseinkommen von rund 18.000 Euro netto im Jahr für einen Einpersonenhaushalt liegt man laut EU-SILC 2005 genau „in der Mitte“ – die eine Hälfte der Bevölkerung hat geringere Einkommen, die andere höhere. Monatlich entspricht das einem gewichteten Pro-Kopf-Einkommen von 1.500 Euro.

5% der Bevölkerung in Österreich sind manifest arm
Einkommen hat einen starken Einfluss auf die tatsächlichen Lebensbedingungen. Bei 5% der Bevölkerung treten niedriges Einkommen und niedriger Lebensstandard gleichzeitig auf; dies wird als manifeste Armut bezeichnet. Bei rund 420.000 Personen, davon rund 100.000 Kindern und Jugendlichen unter 20 Jahren, verfestigt sich somit das niedrige Einkommen auch in einer sichtbar prekären Lebenssituation wie akuten Zahlungsrückständen, Substandardwohnung oder schlechter Gesundheit.

Armutsgefährdete Kinder kommen häufig aus Familien mit Migrationshintergrund, aus Familien mit 3 und mehr Kindern und aus alleinerziehenden Haushalten

Kinder und Jugendliche unter 20 Jahre (22% der Bevölkerung) machen über ein Viertel (27%) aller Armutsgefährdeten in Österreich aus, das bedeutet ein überdurchschnittliches Armutsrisiko von 15%. Ein Drittel (31%) kommt aus Familien mit Migrationshintergrund (AusländerInnen oder Eingebürgerte aus Nicht-EU/EFTA Staaten). 37% stammen aus Familien mit drei und mehr Kindern. 17% der armutsgefährdeten Kinder leben in einem alleinerziehenden Haushalt, während dies auf nur 8% insgesamt zutrifft.

Armutsgefährdete Kinder haben weniger Teilhabechancen
Von den armutsgefährdeten Kindern und Jugendlichen können über die Hälfte (56%) aus finanziellen Gründen nicht zumindest einmal im Jahr einen Urlaub mit der Familie verbringen, und sie haben vergleichsweise weniger oft die Möglichkeit, sich zu Hause mit PC (für 11% nicht leistbar) bzw. Internet (23%) vertraut zu machen. 11% der Kinder leben in Haushalten, die mit ihren Zahlungen im Rückstand sind.

Arme Kinder werden häufig arme Erwachsene
Mit EU-SILC 2005 kann erstmals geprüft werden, inwieweit Chancenungleichheiten sowie Armut auf die nächste Generation übertragen werden. Eine schlechte finanzielle Situation des elterlichen Haushalts sowie niedrige Bildung der Mutter bzw. des Vaters wirken sich nachteilig auf die aktuelle Einkommenssituation einer Person aus: In der Gruppe der 25-45-Jährigen aus einem finanziell sehr schlecht gestelltem Elternhaus ist die aktuelle Armutsgefährdung mit 22% doppelt so hoch wie bei jenen, die aus einem finanziell sehr gut gestellten Elternhaus kommen. Auch das Bildungsniveau der Eltern hängt mit dem späteren Einkommen zusammen: Personen (25 -65 Jahre) aus elterlichen Haushalten mit Matura oder Hochschulabschluss verfügen über etwa 21.400 Euro jährlich, Personen aus Pflichtschulhaushalten hingegen nur über 17.900 Euro (Median). Die höchste abgeschlossene Bildung der Befragten zeigt einen starken Zusammenhang mit jener der Eltern. Damit zeigt sich, dass sowohl Bildungsungleichheiten wie auch Armut übertragen werden.

Die Erhebung EU-SILC – „Sagen Sie uns, wie es Ihnen geht"
Mit EU-SILC – Statistics on Income an Living Conditions – gibt es seit 2003 in Österreich eine Statistik, um die Lebensbedingungen von Menschen in Privathaushalten abbilden zu können. Die Erhebung, die seit 2005 auch in allen EU-Mitgliedstaaten durchgeführt wird, ist eine wesentliche Datengrundlage für die europäische wie auch österreichische Sozialpolitik zur Bekämpfung von Armut. Rund 5.000 Haushalte in Österreich werden jährlich zu ihrem Einkommen und ihrer finanziellen Lage, zu Beschäftigung, Wohnen, Gesundheit und vielen anderen Bereichen befragt. EU-SILC ist derzeit in Österreich die einzige Quelle für das Einkommen auf Haushaltsebene.

EU-SILC: Basis für empirische Armuts- und Sozialforschung
Mit der damit von der Statistik Austria geschaffenen Datengrundlage wird jährlich aktuell über die Armut und Lebensbedingungen in Österreich berichtet. Darüber hinaus werden die Daten anonymisiert für wissenschaftliche Forschungszwecke zur Verfügung gestellt und für eine Vielzahl von Themen wie Wohnzufriedenheit oder Auswirkungen des Steuersystems verwendet. Durch diese Kooperation schafft die Statistik Austria die Grundlage für die noch sehr spärliche Grundlagenforschung und wissenschaftliche Diskussion zu Armut und sozialer Ausgrenzung in Österreich.

Haushaltseinkommen:
Erhoben werden Einkommen aus Erwerbsarbeit, Pensionen, Sozialtransfers, Transferleistungen zwischen Haushalten (z.B. Unterhaltszahlungen) und Kapitaleinkommen, Steuern und sonstige Abgaben werden abgezogen. Die Jahreseinkommen aller Personen im Haushalt werden zu einem Haushaltseinkommen addiert.

Mittlere Einkommen: Angegeben ist der Median, also jener Wert, der in der Mitte der Verteilung liegt (50% liegen darüber, 50% darunter).

Die gewichteten Pro-Kopf-Einkommen (Äquivalenzeinkommen) sind nach der international etablierten EU-Skala berechnet. Die Summe der im Haushalt verfügbaren Einkommen wird durch die Summe der Gewichte im Haushalt (Äquivalenzgewicht) dividiert, um so Mehrpersonenhaushalte mit Einpersonenhaushalten vergleichbar zu machen. Auch wird dabei die Anzahl der Erwachsenen und Kinder berücksichtigt: Jede erwachsene Person hat ein Gewicht von 0,5 und Kinder unter 14 Jahren haben 60% eines Erwachsenengewichts (0,3). Als Fixbedarf wird außerdem in jedem Haushalt noch 0,5 hinzugezählt.

Armutsgefährdung:
Alle Personen, deren Äquivalenzeinkommen unterhalb eines festgelegten Schwellenwertes (60% des Medians = Armutsgefährdungsschwelle) liegt, gelten nach europäischer Definition als armutsgefährdet. In Österreich betrug diese Schwelle 2005 10.796 Euro pro Jahr für einen Einpersonenhaushalt. Für Mehrpersonenhaushalte muss dieser Betrag mit ihrem Äquivalenzgewicht multipliziert werden.

Manifeste Armut:
Armutsgefährdung und kumulierte Benachteiligung (2-3 Probleme) in zumindest einem zentralen Lebensbereich treten gemeinsam auf: Das Unvermögen, sich grundlegende Dinge leisten zu können (Heizung, Urlaub einmal pro Jahr, Essen, neue Kleidung, Zahlungsrückstände, unerwartet Ausgaben…), der erzwungene Verzicht auf als erstrebenswert geltende Güter (Handy, PKW, PC, Internet, Geschirrspüler…), mangelnde Teilhabe im Bereich Gesundheit, Wohnungsprobleme (Substandard, Schimmel, Dunkel,…) und Probleme im Wohnumfeld (Kriminalität,…). Manifeste Armut ist an internationale Konzepte zu Armut angelehnt und löste 2003 das bis dahin verwendete Konzept der akuten Armut ab
 
zurück