Österreich nutzt die Chancen der Globalisierung  

erstellt am
24. 04. 07

OeNB präsentiert die Zahlungsbilanz Österreichs für 2006
Wien (oenb) - OeNB-Gouverneur und EZB-Ratsmitglied Dr. Klaus Liebscher und das für den Bereich Statistik zuständige Mitglied des Direktoriums, Mag. Dr. Peter Zöllner, präsentierten am 24.04. im Rahmen einer Pressekonferenz die Zahlungsbilanz Österreichs für 2006. Die vorläufigen Zahlen zeigen eine Fortsetzung und Beschleunigung der Trends der letzten Jahre. Das Leistungsbilanzaktivum stieg auf über 3% des Bruttoinlandsproduktes und die Nachfrage des Auslands nach österreichischen Wertpapieren erreichte neue Höchstwerte.

In seiner Einleitung hob Gouverneur Liebscher die beachtlichen Wohlstandsgewinne, die Österreich aus seinem EU-Beitritt lukrieren konnte, hervor. Österreich habe die Herausforderungen der zunehmenden Globalisierung sehr gut gemeistert. „Unser Land präsentiert sich mittlerweile als hervorragender internationaler Wirtschafts- und Finanzplatz, die Außenwirtschaftsbeziehungen gestalten sich erfreulicher Weise sehr dynamisch", betonte Gouverneur Liebscher. Die zunehmende Internationalisierung der österreichischen Wirtschaft lasse sich unter anderem daran zeigen, dass die Summe der jährlichen Güter- und Dienstleistungs-Exporte und -Importe Österreichs 2006 mit rd. 275 Mrd Euro den Wert des Bruttoinlandsprodukts klar übertroffen habe. Das Volumen der grenzüberschreitenden Forderungen und Verbindlichkeiten Österreichs liege bereits bei etwa dem Viereinhalbfachen der österreichischen Wirtschaftsleistung – zum Vergleich: 1999 war es erst etwa das Zweieinhalbfache gewesen. Im Besonderen wies Gouverneur Liebscher auf die erfolgreichen Aktivitäten österreichischer Unternehmen in Zentral-, Ost- und Südosteuropa hin. Insbesondere bei den Finanzdienstleistern könne man sogar von einer Vorreiterrolle Österreichs sprechen. „Österreich etabliert sich immer mehr als Wirtschafts- und Finanzdrehscheibe für diese Regionen", so Liebscher.

Gerade aufgrund der immer stärkeren Verflechtung Österreichs mit dem internationalen Wirtschaftsgeschehen sei es unverzichtbar, über eine qualitativ gut abgesicherte und möglichst aktuelle Datenbasis zu verfügen, betonte Gouverneur Liebscher. Die Anforderungen seien einerseits von internationaler Seite – wie beispielsweise durch die Europäische Zentralbank zur Unterstützung der Durchführung der gemeinsamen Geldpolitik im Eurosystem – andererseits durch eine Reihe von nationalen Anwendungsbereichen sehr hoch geworden.

„Seriöse und bedarfsgerechte Struktur- und Wirtschaftsförderungspolitik sowie ökonomische Forschungsarbeit sind ohne eine qualitativ hochwertige Datenbasis undenkbar geworden.", so Liebscher. Sinnvolle Standortentscheidungen seien ohne verlässliche außenwirtschaftliche Daten heute nicht mehr möglich.

Die OeNB fühle sich in ihrer Rolle als maßgeblicher Produzent von Außenwirtschaftsstatistiken dem erforderlichen Qualitätsanspruch verpflichtet, achte aber auch sorgsam auf eine möglichst geringe Belastung der Berichtspflichtigen.

Das neue Erhebungssystem für Außenwirtschaft, das mit 1.1.2006 in Kraft getreten ist, sei gut angelaufen, nicht zuletzt durch die gute Kooperation der Meldepflichtigen, denen der Gouverneur dafür ausdrücklichen Dank aussprach. Natürlich seien in Teilbereichen Qualitätssicherungsmaßnahmen technischer und inhaltlicher Natur im Gange, um das umfassende Informationspotenzial des neuen Systems voll ausschöpfen zu können. „Wir arbeiten weiters mit Hochdruck daran, der Fachöffentlichkeit auch möglichst bald – jedenfalls bis Herbst dieses Jahres – rückgerechnete Daten bis 1995 in der neuen Detaillierung und Qualität zur Verfügung stellen zu können" kündigte Liebscher an.

Schließlich würdigte Gouverneur Liebscher die zwischen OeNB und Statistik Austria praktizierte Kooperation, die die umfassende Nutzung des zwischen beiden Institutionen bestehenden Synergiepotenzials sichere. Dies sei im Sinne der Entlastung der Melder bei gleichzeitiger Wahrung hoher Datenqualität positiv zu bewerten.

In der Folge präsentierte Direktor Dr. Peter Zöllner, das für den Bereich Statistik zuständige Mitglied des Direktoriums der OeNB, die wichtigsten Ergebnisse der Zahlungsbilanz des Jahres 2006.

Österreichs Leistungsbilanz schloss 2006 mit einem noch nie dagewesenen Überschuss von 8,2 Mrd Euro. Damit setzte sich ein seit Jahren beobachtbarer Trend zu deren Aktivierung fort. Die ehemaligen Hartwährungsländer – so Dir. Zöllner – hätten innerhalb der Währungsunion besonders große Erfolge in der Außenwirtschaft. „Produktivitätsfortschritte in Verbindung mit moderaten Lohn- und Preiserhöhungen haben Österreichs Wettbewerbsfähigkeit in der Union gestärkt". Gemessen am BIP erreichte der Leistungsbilanzüberschuss 3,2 %; 1999 – zu Beginn der Währungsunion – hatte Österreich noch ein Defizit von 3,2% des BIP ausgewiesen.

Die weitere Verbesserung der Leistungsbilanz um 3 Mrd Euro war vor allem dem Außenhandel zuzuschreiben, wo Importe wie Exporte erstmal deutlich über 100 Mrd Euro lagen. Den größten Überschuss erzielte die österreichische Volkswirtschaft jedoch im Handel mit Dienstleistungen (10 Mrd Euro). An erster Stelle lag der bewährte Devisenbringer „Tourismus", der knapp 6 Mrd Euro beitrug. Sehr erfreulich ist laut Direktor Zöllner die Tatsache, dass auch in den besonders zukunftsträchtigen Bereichen „Forschung und Entwicklung" sowie „Architektur, Ingenieur- und andere technische Dienstleistungen" Überschüsse in der Größenordnung von jeweils 1 Mrd Euro erzielt werden konnten.

An den Vermögenseinkommen lässt sich ablesen, dass Österreich seit der Freigabe des Kapitalverkehrs vor rd. 15 Jahren „von einem „Mauerblümchen" zu einem ernsthaften Mitspieler im internationalen Finanzgeschehen geworden ist": Die Vermögenseinnahmen aus dem Ausland sind mit über 20 Mrd Euro heute bereits deutlich höher als die Einnahmen aus dem Reiseverkehr. Allein die Direktinvestitionen erbrachten 2006 Erträge in Höhe von 5,8 Mrd Euro. Zwar stehen den Einnahmen noch etwas größere Abflüsse ins Ausland gegenüber, bei anhaltenden Überschüssen im Güter- und Dienstleistungshandel könnte auch dieses Defizit im Zeitverlauf reduziert werden.

In der Folge konzentrierte sich Direktor Zöllner auf die Kapitalbilanz: Das Volumen der grenzüberschreitenden Kapitalströme erreichte mit 160 Mrd Euro erneut einen historischen Höchstwert. „Dies unterstreicht die fortschreitende Integration Österreichs in den Prozess der Globalisierung" führte Dir. Zöllner aus. Österreichs Veranlagungen im Ausland übertrafen mit 82 Mrd Euro jene des Auslands in Österreich, die 75 Mrd Euro erreichten: Damit trat unser Land bereits zum fünften Mal in Folge als Netto-Kapitalexporteur auf.

Die Kapitalexporte Österreichs stiegen gegenüber 2004 um mehr als ein Viertel, wobei der Großteil auf Sicht- und Termineinlagen im Ausland entfiel, so Direktor Zöllner. Im Unterschied dazu seien die Kapitalimporte etwa zu gleichen Teilen in Form von Wertpapierverkäufen und im Bankgeschäft abgewickelt worden.

Eine „Atempause" war im Jahr 2006 bei den strategischen Unternehmensbeteiligungen, den Direktinvestitionen, zu verzeichnen gewesen. Trotz enorm hoher Bruttobewegungen investierten heimische Investoren per saldo „nur" 3 Mrd Euro und damit weniger als die Hälfte des Vorjahreswertes im Ausland. Ausländische Unternehmensinvestoren bauten 2006 sogar Eigenkapital ab und nur dank nicht entnommener Gewinne und wegen erhöhter Zuflüsse aus konzerninternen Krediten war ein geringfügiges Plus von 200 Mio Euro zu verzeichnen.

„2006 war ein gutes Jahr für österreichische Aktien" stellte Dir. Zöllner bei der Präsentation der Entwicklung der Portfolioinvestitionen fest. Nach wie vor entfalle zwar der überwiegende Teil des grenzüberschreitenden Handels mit Wertpapieren auf langfristige festverzinsliche Wertpapiere, doch sei seit Jahren eine wachsende Nachfrage nach Aktien zu beobachten. Die Nachfrage des Auslands nach heimischen Aktien erreichte mit 6,8 Mrd Euro einen Spitzenwert. Der Börsegang der Post und große Kapitalaufstockungen, etwa der Erste Bank und einiger Immobiliengesellschaften, haben auch im Ausland Anklang gefunden. Die erfreuliche Kursentwicklung des ATX ist ein Spiegelbild dieser Dynamik. Österreicher kauften 2006 zwar ebenfalls ausländische Aktien (1,6 Mrd Euro), konzentrierten ihr Interesse jedoch stärker auf Investmentzertifikate; in dieses Segment wurden 4,7 Mrd Euro investiert.

Die umfangreichsten Transaktionen gab es im eigentlichen Bankgeschäft, bei Krediten, Sicht- und Termineinlagen: Die Netto-Kreditvergabe an das Ausland belief sich 2006 auf 13 Mrd Euro, im Ausland wurden umgekehrt 14 Mrd Euro zusätzlich an Krediten aufgenommen. Die Einlagen im Ausland wuchsen um 39, die Einlagen des Auslands in Österreich um 25 Mrd Euro.

Schließlich dankte Direktor Zöllner den Meldern – und hier insbesondere den Unternehmen, ohne deren Mithilfe der Umstieg auf das neue Erhebungssystem nicht so glatt verlaufen wäre.

Zum Abschluss erläuterte Direktor Dr. Schubert, Leiter der Hauptabteilung Statistik, die wesentlichen methodischen Fortschritte, die sich im Zuge der Umstellung des zahlungsbilanzstatistischen Meldewesens per 1.1.2006 ergeben haben. Es handelt sich dabei um eine verbesserte Zusammenführung von Statistiken; hier nannte er als Beispiel die „Güter- und Dienstleistungsbilanz" der Zahlungsbilanz und den so genannten „Außenbeitrag" der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung, der für die Höhe der österreichischen Wirtschaftsleistung – das BIP – maßgeblich bestimmend ist. Ebenso steht nun eine qualitativ hochwertige und detaillierte Informationsbasis für den grenzüberschreitenden Dienstleistungshandel zur Verfügung, ein Segment das international immer stärker in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit rückt.
 
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