Bundespräsident auf Zypern - "Türkei-Krise friedlich lösen" - "Viele
Vorschläge der EU-Verfassung umsetzen"
Nikosia / Wien (hofburg) - Die Positionen zur Kosovo-Frage sind nicht ident, dennoch sollte eine
gemeinsame Lösung gefunden werden. Darauf einigten sich Bundespräsident Heinz Fischer und sein zypriotischer
Amtskollege Tassos Papadopoulos am 11.05. bei einem Treffen in Nikosia. Die Republik Zypern steht dem "Ahtissari-Plan"
skeptisch gegenüber, weil eine Vorbildwirkung für den türkisch-zypriotischen Nordteil der Insel
befürchtet wird. Einigkeit gab es hingegen bezüglich der Frage der EU-Verfassung: Darin seien viele gute
Vorschläge enthalten, von denen möglichst viele umgesetzt werden sollten. Papodopoulus bestätigte
auf Anfrage der APA, dass Österreich und Zypern unterschiedliche Auffassungen haben, dennoch gebe es einen
gemeinsamen Nenner. Es sollte eine gemeinsame Entscheidung geben. "Egal welche Lösung gefunden wird,
es sollte einen Beschluss des UNO-Sicherheitsrates geben."
Fischer bezeichnete die Kosovo-Frage als "ungelöstes Problem", zu der die EU um eine geschlossene
Haltung bemüht sei. Beim Plan des früheren finnischen Präsidenten Martti Ahtisaari handle es sich
um einen verantwortungsbewussten Vorschlag. Die Frage sei nun, ob es im UNO-Sicherheitsrat gelingen werde, einen
Beschluss ohne Veto zu erzielen. Ziel muss laut Fischer eine Lösung sein, der sowohl Kosovo-Albaner als auch
Serben zustimmen könnten. Sollte dies nicht möglich sein, müsse eine "akkordierte Lösung"
mit möglichst breiter Zustimmung gefunden werden.
Der Plan Ahtisaaris sieht eine bedingte und überwachte Unabhängigkeit der derzeit von der UNO verwalteten
südserbischen Provinz vor. Die Kosovo-Albaner fordern die Unabhängigkeit, die serbische Seite will nur
eine umfassende Autonomie zugestehen.
Bezüglich der jüngsten Entwicklungen in der Türkei sagte Fischer: "Die Position ist die gleiche,
wie die der EU. Wir verlangen von der Türkei, dass ein demokratisches System funktioniert, in dem auch die
Prinzipien der Menschenrechte geachtet werden." Die gegenwärtige Krise in der Türkei sollte friedlich
und auf Basis der Verfassung gelöst werden, forderte Fischer. "Wenn das durch Neuwahlen gelingt, ist
das gut." Anderenfalls müsse man die Lage neu analysieren.
Rein klimatisch fand das Treffen unter Donner und Blitz statt. Wegen - für Zypern zu dieser Jahreszeit eher
ungewöhnlichen - Regengüssen wurde auch auf die militärischen Ehren vor dem Präsidentenpalast
verzichtet. Die Begrüßungszeremonie begrenzte sich auf einen Händedruck. Freitag Nachmittag wird
Fischer auch von Chrysostomos, dem orthodoxen Erzbischof von Zypern, empfangen.
Am Samstag steht ein Besuch bei der UNO-Friedensmission (UNFICYP) mit einer Fahrt durch die Pufferzone, an der
Grenze zum türkischen Nordteil der Insel, auf dem Programm. Dabei ist auch ein Treffen mit österreichischen
UNFICYP-Mitgliedern geplant.
Vier österreichische Stabsoffiziere sind noch auf Zypern stationiert, um den Waffenstillstand an der Demarkationslinie
zwischen türkischen und griechischen Zyprioten zu überwachen. Am Samstagabend folgt der Weiterflug von
Larnaka nach Ioannina in Griechenland, wo Fischer den griechischen Präsidenten Karolos Papoulias treffen wird.
Zypern: Verhandlungen über Zukunft treten auf der Stelle
Papadopoulos: "Demarkationslinie ohne UNO-Überwachung derzeit undenkbar"
Nikosia - Im Sommer vergangenen Jahres hatten sich der Präsident Zyperns, Tassos Papadopoulos, als Vertreter
des griechischen Bevölkerungsteils und der türkische Volksgruppenchef Mehmet Ali Talatdarauf geeinigt,
die Gespräche über eine mögliche Wiedervereinigung der seit 33 Jahren geteilten Mittelmeerinsel
wieder aufzunehmen. Seither tritt der Prozess aber wieder auf der Stelle. Dies machte auch eine Aussage von Papadopoulos
nach einem Treffen mit Bundespräsident Heinz Fischer deutlich. Eine weitere Öffnung der Demarkationslinie
ohne UNO-Kontrolle (UNFICYP) sei derzeit undenkbar. Dann könnten auf beiden Seiten türkische Truppen
stehen, meinte der Präsident etwas kryptisch.
Im vergangenen März begann die Regierung Zyperns damit, eine Grenzmauer zum türkischen Teil in der Altstadt
von Nikosia einzureißen. Ein freier Übergang ist aber dennoch nicht möglich. Die Straße läuft
über die Waffenstillstandslinie, die Nikosias griechischen vom türkischen Teil trennt, seit es in den
1960er Jahren zu gewalttätigen Ausschreitungen und im Jahr 1974 zu einer türkischen Invasion kam. Der
Abriss wurde von der Regierung als "ein Zeichen des guten Willens" präsentiert.
Dennoch liegen die Positionen laut diplomatischen Kreisen nach wie vor zu weit auseinander: Während der türkisch-zypriotische
Teil, der 18 Prozent der Bevölkerung ausmacht, zwei autarke Teilstaaten bevorzugt, wollen die zypriotischen
Griechen (82 Prozent) lieber einen starken Zentralstaat. Eine Föderation ist für beide Seiten nur zweite
Wahl. Da es bisher aber keine Einigung auf eine der beiden großen Optionen - also Wiedervereinigung oder
Sezession - erzielt wurde, blieb als ungeliebter gemeinsamer Nenner der "Status quo"
Wie gespannt die Beziehungen der beiden Volksgruppen sind, zeigt auch der Umstand, dass von der griechische Bevölkerung
nur zehn Prozent regelmäßige Kontakte mit türkischen Landsleuten aus dem Norden pflegen. Unter
anderem deshalb, weil viele griechische Zyprioten sich weigern, die Demarkationslinie zu überschreiten. Das
müssten sie nämlich ein Visumsformular ausfüllen. Dies würde de facto eine Anerkennung der
Grenze bedeuten und das ist für die meisten Inselgriechen tabu. Die türkische Bevölkerung wird dem
griechischen Teil deshalb auch überhebliche Ressentiments vor.
2004 war der Wiedervereinigungsplan von UNO-Generalsekretär Kofi Annan an der ablehnenden Haltung der griechisch-zypriotischen
Bevölkerung gescheitert. Auch Präsident Papadopoulos hatte sich damals dagegen ausgesprochen. Der Plan,
der einen Bundesstaat nach Schweizer Vorbild aus zwei ethnischen Kantonen zum Ziel hatte, war von den griechischen
Zyprioten in einem Referendum verworfen worden, weil er der überwiegenden Mehrheit der nach der türkischen
Invasion 1974 aus dem Norden der Insel vertriebenen 200.000 griechischen Zyprioten und deren Nachkommen die Rückkehr
in ihre Heimatorte verwehrte, zugleich aber vorsah, dass ein großer Teil der von der Türkei angesiedelten
110.000 Festlandtürken und der 40.000 Mann starken türkischen Truppen auf der Insel bleiben kann.
Die in dem von türkischen Truppen besetzten Nordteil der Insel errichtete Separatadministration "Türkische
Republik Nordzypern" wird international nicht anerkannt. Völkerrechtlich ist ganz Zypern seit Mai 2004
Mitglied der EU, doch findet das Regelwerk der Union im Norden keine Anwendung. Papadopoulos hatte betont, dass
sich die türkischen Zyprioten nicht als "separater Staat innerhalb eines Staates" präsentieren
könnten. Dennoch glauben 88 Prozent der griechischen Zyprioten laut einer Umfrage nicht daran, dass die Teilung
der Mittelmeerinsel in absehbarer Zeit überwunden werden kann. Zypern ist seit 2004 EU-Mitglied, im türkischen
Teil ist der " Acquis communautaire" jedoch ausgesetzt.
Heinz Fischer: Enges Verhältnis Österreichs zu Zypern und Griechenland
Bundespräsident legt in ANA-Interview Haltung Österreichs zur EU-Erweiterung dar - Sorge über Nahost-Entwicklung
Athen/Wien - Bundespräsident Heinz Fischer hat in einem Interview für die griechische Nachrichtenagentur
ANA den ausgezeichneten Stand der Beziehungen Österreichs zu Zypern und Griechenland gewürdigt, wo er
ab heute, Freitag, Staatsbesuche absolviert. Österreich habe "sehr klare und sehr konkrete Vorstellungen"
zur EU-Erweiterung, die er gegenüber seinen Gesprächspartnern darlegen werde. In den jeweiligen bilateralen
Beziehungen mit Athen und Larnaka gebe es "starke positive emotionale Elemente". Als Beispiel nannte
Fischer Österreichs Unterstützung bei seinen Unabhängigkeitsbemühungen, andererseits habe Zypern
Österreich in Sachen Südtirol unterstützt. In der Zeit der Diktatur in Griechenland kamen viele
Griechen nach Österreich, und der österreichische EU-Beitritt wurde unter dem griechischen EU-Vorsitz
abgeschlossen. Zur EU-Erweiterung führte Fischer aus, er halte es für möglich, dass die Beitrittsverhandlungen
mit Kroatien in etwa zwei Jahren abgeschlossen sein könnten. Es müsse auch für Serbien eine europäische
Perspektive offen gehalten werden, "gerade wegen des Kosovo-Problems und weil Serbien nicht das Gefühl
haben soll, dass es in die Ecke gedrängt wird und aus dem europäischen Integrationsprozess ausgeschlossen
ist", zitierte ANA den Bundespräsidenten.
Das selbe gelte auch für die anderen Länder des westlichen Balkans, die einen Beitritt anstreben und
für die die Tür grundsätzlich offen stehen soll, betonte Fischer. "Doch die Voraussetzungen
für eine Mitgliedschaft müssen in vollem Umfang erfüllt sein." Gemäss der österreichischen
Position müssten die einzelnen Staaten einzeln geprüft werden, dann solle in objektiver Weise festgestellt
werden, wann der Zeitpunkt für die Aufnahme von Verhandlungen gekommen sei bzw. dass bereits aufgenommene
Verhandlungen zu einem positiven Abschluss geführt werden können.
Zum Zypern-Problem führte der Bundespräsident aus, es wäre sehr erfreulich gewesen, wenn dieses
vor oder zugleich mit dem Beitritt Zyperns zur EU hätte gelöst werden können. Doch sei dieses Ziel
nicht erreichbar gewesen. Daher müsse man die Bemühungen auf der Basis einer bizonalen und bikommunalen
Struktur fortsetzen, etwas, das in erster Linie eine Aufgabe der Vereinten Nationen sei. "Diese Bemühungen
und die Bemühungen des UNO-Generalsekretärs unterstützt Österreich, so gut es kann, so wie
Österreich die Bemühungen von dessen Vorgänger unterstützt hat." Gleichzeitig habe aber
auch die EU die Aufgabe, "mitzuhelfen, die Voraussetzungen für eine Lösung zu verbessern".
Über den Weg der Türkei in Richtung EU sagte Fischer, Österreich unterhalte zur Türkei korrekte
und konstruktive Beziehungen. Die Beziehungen zwischen der Türkei und der EU sollten so eng wie möglich
gestaltet werden sollen. Er könne "nicht voraussagen, ob die laufenden Verhandlungen - nach Erfüllung
aller Voraussetzungen für eine Mitgliedschaft - zu einem Beitritt oder zu einer Sonderregelung der Beziehung
der Türkei und der EU führen werden". Fischer wies darauf hin, dass die Aufnahmefähigkeit der
EU in diesem Fall mit Sorgfalt geprüft werden solle, um das Ratifikationsverfahren nach einem Abschluss der
Verhandlungen bei Parlamentsabstimmungen oder bei allfälligen Volksabstimmungen nicht scheitern zu lassen.
Der Gedanke einer Gesamteuropäischen Volksabstimmung beschäftige ihn noch immer, sagte Fischer. Nach
seiner Ansicht schaffe die Zustimmung der Mehrheit der europäischen Bevölkerung und der Mehrheit der
Staaten der EU ein ausreichendes Maß an Legitimität, "während Volksabstimmungen in einzelnen
Ländern den Nachteil haben, dass eine knappe Mehrheit in einem beliebigen Land das ganze Gebäude zum
Einsturz bringen kann". In der Frage der Europäischen Verfassung glaubt Fischer, dass bis 2009, gemäss
dem von der deutschen EU-Ratspräsidentschaft gesetzten Ziel, ein Weg zu einem europäischen Grundlagenvertrag
gefunden werden könne.
Hinsichtlich Nahost äußerte Fischer in dem Interview, das der in Wien ansässige Mitteleuropa-Korrespondent
der ANA, Dimitris Dimitrakoudis, führte, Sorge über die dortige Entwicklung, da sich sowohl Israel als
auch die palästinensische Seite in einer schwierigen Situation befinden und in den USA in wenigen Monaten
die Vorwahlen für die Präsidentenwahl beginnen. Wichtig sei, dass die Palästinenser die Vereinbarungen
von Mekka einhalten und dem Terror Einhalt geboten werde. Auf der anderen Seite sollte sich in Israel die Erkenntnis
durchsetzen, dass ehrlich an einer Lösung gearbeitet werde, um eine friedliche Koexistenz zu ermöglichen,
so Fischer unter Hinweis auf das Nahost-Quartett und UNO. (Schluss) hs/wf
Heinz Fischer besuchte "totes Ende" im Herzen von Nikosia
Bürgermeisterin: "Beschämende Barriere beseitigen"
Nikosia - Die zypriotische Hauptstadt Nikosia ist nach wie geteilt. Davon konnte sich auch Bundespräsident
Heinz Fischer am Freitag bei seinem Staatsbesuch in der Republik Zypern überzeugen. Gemeinsam mit Bürgermeisterin
Eleni Mavrou besichtigte er das "tote Ende" der Ledra-Straße im Herzen Nikosias. Teile der Mauer
oder der Stacheldrahtverhaue durch Nikosia wurden von griechisch-zypriotischer Seite bereits abgerissen. Von einer
Öffnung lässt sich dennoch nicht sprechen. An Stelle der bis vergangenen März existenten Mauer in
der Ledra-Straße steht nun ein undurchsichtiger und streng bewachter Aluminiumzaun.
Er markiert weiterhin einen Teil der "grünen Linie", die sich durch Nikosia zieht. Sie wurde 1963
vom damaligen britischen Militärkommandanten als Kennzeichnung der Trennung Nikosias in eine Karte eingetragen.
1974 erfolgte die Errichtung einer Mauer. Bürgermeisterin Mavrou drückte bei einem Empfang für den
Bundespräsidenten, bei dem ihm auch der "goldene Schlüssel" der Stadt überreicht wurde,
die Hoffnung aus, dass "diese beschämende Barriere" endlich beseitigt werde. Nikosia und Zypern
seien bereits zu lange geteilt. Es gebe den Wunsch "wieder vereinigt zu sein".
Dazu müsste nach dem Willen der griechischen Zyprioten das türkische Militär von der Linie abziehen,
um tatsächlich ein uneingeschränktes Passieren zu ermöglichen, ohne an türkischen Checkpoints
den Pass herzeigen zu müssen. Das ist derzeit reine Illusion. Fischer bezeichnet den Konflikt nach Gesprächen
mit Präsident Tassos Papadopoulos, Verteidigungsminister Georgios Lillikas oder Parlamentspräsident Demetris
Christofias als äußerst schwierig.
Dennoch scheint der Gedanke einer Wiedervereinigung nach 33 Jahren Trennung zumindest im griechischen Teil Nikosias
noch nicht völlig ad acta gelegt worden zu sein. Seitens der UNO und neuerdings der EU besteht - in seinem
Grundkonzept freilich schon seit Jahren - der "Nikosia-Masterplan" zur Sanierung der dies- und jenseits
der Demarkationslinie gelegenen Altstadt.
Eine Frischzellenkur scheint sie auch dringend nötig zu haben. Da viele Menschen aus dem unmittelbaren Grenzbereich
abgezogen sind, bröckeln weite Teile des historischen Zentrums vor sich hin. Auch Handel und Gewerbe haben
sich mit Ausnahme der Boutiquen und Shops in der Ledra-Straße eher an die Peripherie verlagert. Das Sanierungskonzept,
das auch eine neue Kanalisation vorsieht, soll auf beiden Seiten gleich gestaltet werden. So würde sich bei
einem allfälligen Zusammenschluss ein einheitliches Stadtbild zeigen.
Quelle: APA |